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Björn Vogler

Zielgruppen für die Investitionspromotion in Deutschland

Deutschland ist das führende Herkunftsland für ausländische Direktinvestitionsprojekte (FDI) in Mittel- und Osteuropa (CEE). Jedoch ist der Anteil an den Projekten in der Ukraine geringer als in anderen CEE-Ländern. Ein zielgruppenorientierter Ansatz könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten.

  • Ukraine
NL 159 | Januar 2022
Entwicklung des Privatsektors
Zusammenfassung

Deutschland ist das führende Herkunftsland für ausländische Direktinvestitionsprojekte (FDI) in Mittel- und Osteuropa (CEE). Jedoch ist der Anteil an den Projekten in der Ukraine geringer als in anderen CEE-Ländern. Auf Basis internationaler Erfahrung kann ein zielgruppenorientierter Ansatz einen wichtigen Beitrag leisten, um die Zahl und das Volumen von FDI-Projekten zu erhöhen. Die Ergebnisse unserer Zielgruppenanalyse zeigen, dass die Investitionspromotion auf die Automobilindustrie sowie die Life Science Branche und Elektronik-/Elektrogeräteindustrie ausgerichtet werden sollte.  Des Weiteren wird empfohlen, Segmente an der Schnittstelle zur IT-Branche einzubeziehen (z.B. Digital Healthcare). In den genannten Industrien sollte der Fokus auf mittelgroßen Unternehmen sowie auf Unternehmen liegen, die bereits in Mitteleuropa investiert haben.

Hintergrund: Deutsches FDI in CEE und der Ukraine

Deutschland ist führend bei den FDI-Projekten in Mittel- und Osteuropa (CEE). Zwischen 2009 und 2019 war Deutschland an 17% aller FDI-Projekte in CEE beteiligt. Damit liegt Deutschland vor den USA (15%), Großbritannien sowie Frankreich (je 6%). Deutsche FDI-Projekte spielen auch in der Ukraine eine wichtige Rolle. Mit einem Anteil von 10% der FDI-Projekte zwischen 2009 und 2019 liegt Deutschland auf Rang 2 hinter den USA (18%). Damit ist der Anteil geringer als in CEE und als in Nicht-EU Ländern in Mittel- und Osteuropa. Gleichzeitig sind auch die Beschäftigungseffekte der deutschen FDI-Projekte in der Ukraine geringer als in CEE insgesamt.

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Fokus auf Produktion bei deutschen FDI-Projekten

Deutsche FDI-Projekte in der Ukraine fokussieren sich sehr stark auf Produktionsaktivitäten, die 50% aller deutschen FDI-Projekte zwischen 2009 und 2019 ausmachten. Dabei spielten Unternehmen aus der Automobilindustrie eine aktive Rolle. Der Anteil von produktionsorientierten FDI-Projekten aus Deutschland ist signifikant größer als aus anderen Ländern. Auf der anderen Seite konnten in dieser Zeit keine F&E-, Schulungs-/Fortbildungs- oder Zentralfunktionen deutscher Unternehmen angesiedelt werden. Diese Beobachtungen bestätigen die wichtige Rolle Deutschlands bei produktionsorientierten Investitionsprojekten. Gleichzeitig weisen sie auf ein Potenzial hin, sowohl das Volumen als auch das Spektrum von Investitionsprojekten deutscher Unternehmen in der Ukraine auszuweiten.

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Zielgruppenanalyse

Um dieses Potenzial zu erschließen, ist ein zielgruppenorientierter Ansatz erforderlich. Vor dem Hintergrund der Pandemie ist es entscheidend, die Investitionspromotion auf die vielversprechendsten Zielgruppen auszurichten, um den Veränderungen in der Investitionslandschaft gerecht zu werden. In diesem Kontext erstellte das German Economic Team eine Zielgruppenanalyse anhand von Interviews mit ukrainischen und internationalen Industrieexperten sowie ergänzendem Research. Der Hauptfokus lag auf Industrien mit einem hohen Nearshoring-Potenzial. Laut aktueller Studien, unter anderem von UNCTAD und McKinsey, zeigen aus Sicht von CEE Wertschöpfungsketten im Hochtechnologiebereich das größte Potenzial für Nearshoring. Arbeitsintensive und regionalisierte Wertschöpfungsketten (z.B. Textil, Land- und Nahrungswirtschaft) können sich ebenfalls geografisch verlagern. Allerdings werden diese Verlagerungstendenzen weniger CEE betreffen. Basierend auf der Zielgruppenanalyse, die (1) das Investitionspotenzial, (2) die Wettbewerbsposition der Ukraine und (3) die Entwicklungseffekte von FDI-Projekten berücksichtigte, ist der Fokus der Investitionspromotion auf die folgenden Industrien zu lenken:

  • Automobilindustrie: z.B. Produktion von mechatronischen, Kunststoff- und Metallkomponenten, inkl. Ersatzteilen, Montage von Anhängern / Nutzfahrzeugen
  • Life Science: z.B. Herstellung von Generika, Medizinprodukten / Diagnostika und Auftragsforschung
  • Elektronik / Elektrogeräte: z.B. Hersteller von elektronischen Bauteilen und Haushaltsgeräten sowie von energietechnischen Komponenten und Lösungen.
Überblick über die Ergebnisse der Zielgruppenanalyse (eigene Analysen)
ZielgruppeInvestitions-
potenzial
Wettbewerbs-
position
EntwicklungseffektePriorität
Automobilbereich+++++1
Life Sciences++0++1
Elektronik und elektrische Geräte++++1
Maschinenbau+0++2

Zusätzlich zeigt die Zielgruppenanalyse ein vielversprechendes Potenzial an der Schnittstelle zwischen Produktion und IT. Technologieorientierte Investitionen spielen eine zunehmende Rolle im globalen FDI-Geschehen. IKT-Investitionen stiegen global um über 70% während des letzten Jahrzehnts und machten 20% aller Greenfield-Investitionen 2020 aus. Die IT-Kompetenzen der Ukraine bieten das Potenzial zur Entwicklung von komparativen Vorteilen. In diesem Kontext sollten Segmente an den Schnittstellen zwischen verarbeitendem Gewerbe und IT-Industrie, wie Automotive IT, Digital Healthcare (z.B. Wearables) oder digitale Lösungen für die Energie- oder Landwirtschaft, Teil des Zielgruppenportfolios sein.

Empfehlung für Promotions- und Fördermaßnahmen

Für die priorisierten Zielgruppen sind systematische, pro-aktive Promotionsaktivitäten durch UkraineInvest zu empfehlen. Der Hauptfokus sollte auf Maßnahmen liegen, die eine direkte Kommunikation mit potenziellen Investoren erlauben, beispielsweise im Rahmen von Messen, wie der IZB International Suppliers, CPhl, MEDICA, Productronica, Hannover Messe. Über die genannten Industrien hinweg sollte der Fokus auf Unternehmen liegen, die bereits in Mitteleuropa aktiv sind. Ihre Hauptzentralen sollten direkt kontaktiert werden, um potenzielle Verlagerungsprojekte angesichts des Fachkräftemangel und steigender Kosten an vielen zentraleuropäischen Orten zu erörtern.

Außerdem ist zu empfehlen, den Fokus nicht ausschließlich auf große Unternehmen zu legen, sondern mittelgroße Unternehmen gleichermaßen anzusprechen. In Deutschland bieten mittelgroße Unternehmen ein substanzielles Investitionspotenzial. Gleichzeitig reagieren sie tendenziell weniger empfindlich auf geopolitische Risiken und veränderte Investitionsbedingungen. Die Investitionspromotion sollte durch Maßnahmen ergänzt werden, die das jeweils relevante industrielle Ökosystem stärken. Dies kann unter anderem Programme zur Fachkräftesicherung und Kooperationsförderung umfassen. Mit Bezug zur Maschinenbauindustrie (Priorität 2) sollte das Hauptaugenmerk auf der Entwicklung von Partnerschaften liegen (z.B. Verbände, Clusterorganisationen in Deutschland), um den Innovationstransfer und Kooperationsprojekte in Feldern, wie z.B. Cleantech, zu unterstützen.

Ausblick

Die Ergebnisse dieser Zielgruppenanalyse bieten Orientierung für UkraineInvest, um Investitionspromotions- und weitere Maßnahmen zur Erhöhung des Volumens und der Effekte von FDI-Projekten aus Deutschland zu entwickeln und zu implementieren. Die Ergebnisse wurden bisweilen schon zur Vorbereitung der Veranstaltung „Second UkraineInvest Annual Forum – MAKE in UA“ am 14. Dezember 2021 verwendet. Die Veranstaltung, die von Premierminister Shmyhal eröffnet wurde, umfasste eine Reihe von interaktiven Diskussionen mit mehr als 30 Sprechern aus Regierungsinstitutionen, internationalen Organisationen sowie von internationalen und ukrainischen Investoren. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Abgrenzung von Zielgruppen ein dynamischer Prozess ist. Die Auswahl sollte regelmäßig unter Berücksichtigung der erzielten Erfolge und der Veränderungen im Investitionsumfeld überarbeitet werden. Somit markiert diese Zielgruppenanalyse eher den Beginn als das Ende des Weges zur Förderung zusätzlicher Investitionen aus Deutschland.

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