Zum Hauptinhalt
Josefin Sünnemann, Dmitry Chervyakov

Konjunktur kühlt sich weiter ab, da positive Schocks abklingen

Die armenische Wirtschaft befindet sich mit einem Wachstum von 8,7% im Jahr 2023 nach wie vor in einer guten Lage, vor allem da sie weiterhin vom starken Zustrom russischer Migranten aus dem Jahr 2022 profitierte. Allerdings lässt der Effekt langsam nach und das BIP-Wachstum geht allmählich zurück. Für 2024 prognostiziert der IWF ein reales BIP-Wachstum von 5,0%. Die Inflation schwächte sich deutlich ab und soll 2024 wieder zum Inflationsziel von 4,0% zurückkehren. Der Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar blieb weitgehend stabil. Im Außenhandel ist Armeniens Re-Exportgeschäft nach wie vor ein wichtiger Faktor.

  • Armenien
NL 16 | März - April 2024
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Während die starken Re-Exporte von Autos nach Russland Ende 2023 deutlich zurückgingen, gibt es nun erhebliche Importe von Gold und Diamanten aus Russland, die wiederum in die Vereinigten Arabischen Emirate re-exportiert werden. Nach der Eskalation des Konflikts in Berg-Karabach im September 2023 steht Armenien vor der Herausforderung, mehr als 100.000 Flüchtlinge zu integrieren, was sich auch im angestiegenen Haushaltsdefizit niederschlägt. Dies könnte sich jedoch 2024 auch zu einem Wachstumstreiber entwickeln. Ein großes Risiko ist hingegen eine mögliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland.

Wirtschaftslage normalisiert sich allmählich

2023 wuchs Armeniens Wirtschaft um 8,7%, was das zweite Jahr in Folge mit starkem Wachstum ist. Dank der anhaltenden Stärke des Dram stieg das BIP pro Kopf in US-Dollar damit seit 2021 um 74%. Der positive Migrationsschock klingt jedoch allmählich ab. Es gab jedoch keine gravierende Trendwende, da die meisten Russen, die nach Armenien gekommen sind, weiterhin im Land bleiben.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.

Inhalt laden

Für 2024 prognostiziert der IWF ein BIP-Wachstum von 5%, was weiteres Abklingen des Migrationsschocks und das Fehlen neuer Wachstumsimpulse widerspiegelt. Außerdem ist Armeniens Wirtschaft mit großen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Integration von 100.000 Flüchtlingen aus Berg-Karabach und einer möglichen Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland konfrontiert.

Auf sektoraler Ebene ist das Abklingen des Migrationsschocks ebenfalls spürbar. Die Aktivität des Finanzsektors schrumpfte um8 % zum Vorjahr und kehrt damit langsam auf das Niveau von vor dem Schock zurück. Die Dynamik im IKT-Sektor sowie im Handel und Baugewerbe, die von dem Schock profitiert haben, bleibt jedoch stark. Im Gegensatz dazu entwickelten sich das verarbeitende Gewerbe und der Agrarsektor schwach.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.

Inhalt laden

Inflationsdruck hat deutlich nachgelassen

Die Inflation ging im Laufe von 2023 rasch zurück und lag zum Jahresende bei -0,6%, was durch einen starken armenischen Dram und sinkende Preise für importierte Lebensmittel und Brennstoffe begünstigt wurde.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.

Inhalt laden

Der abnehmende Inflationsdruck ermöglichte der Zentralbank, den Leitzins seit Mai 2023 um insgesamt 200 Basispunkte zu senken (Jan-24: 8,75% p.a.). Für 2024 wird ein Anstieg der Inflation auf 3,1% erwartet, wobei der geldpolitische Kurs weiter gelockert werden soll.

Armenischer Dram blieb stabil

2023 blieb der Wechselkurs des armenischen Drams gegenüber dem US-Dollar weitgehend stabil. Lediglich im Oktober 2023 kam es aufgrund der Eskalation des Konflikts in Berg-Karabach zu einer leichten Abwertung (4,3% zum Vormonat). Seitdem blieb der Dram jedoch stabil – auf einem Niveau, welches immer noch deutlich über dem von Anfang 2022 liegt.

Der starke Dram ermöglichte es der Zentralbank, ihre internationalen Währungsreserven aufzustocken. Seit September 2023 ist jedoch ein rückläufiger Trend zu verzeichnen, der mit beträchtlichen Rückzahlungen von Auslandsschulden verbunden ist. Insbesondere wurden 187 Mio. USD der Eurobond-Anleihe 2025 zurückgekauft. Im Januar 2024 beliefen sich die Reserven auf    3,6 Mrd. USD. Die Importdeckung ging auf 3,6 Monate zurück und liegt nun nur noch leicht über dem internationalen Standard von 3 Monaten.

Finanzielle Lage verschlechtert sich leicht

Was den Haushaltssaldo betrifft, so stieg das Defizit 2023 auf 3,1% des BIP. Dies ist vor allem auf unvorhergesehene Ausgaben aufgrund des Zustroms von etwa 100.000 Flüchtlingen aus Berg-Karabach zurückzuführen, die etwa 3,3% der armenischen Bevölkerung ausmachen. Um eine angemessene soziale Unterstützung zu gewährleisten, hat die Regierung mehrere Hilfsprogramme für die Flüchtlinge eingerichtet und plant, bis 2024 Mittel in Höhe von rund 1,5% des BIP bereitzustellen. Folglich wird das Defizit im Jahr 2024 voraussichtlich auf 4,6% des BIP ansteigen.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.

Inhalt laden

Die Staatsverschuldung stieg 2023 leicht auf 48,1% des BIP. Dies ist hauptsächlich auf die anteilige Übernahme der Schulden von Berg-Karabach (ca. 550 Mio. USD) zurückzuführen. Für 2024 wird ein weiterer Anstieg auf 49,3% des BIP erwartet.

Re-Exporte bleiben wichtiger Motor für Außenhandel

Die armenischen Warenexporte stiegen 2023 um 55% zum Vorjahr und die Importe um 40%, wobei die wichtigsten Handelsgüter Maschinen und Fahrzeuge waren. Die Re-Exporte nach Russland blieben dabei weiterhin eine wichtige treibende Kraft hinter dem starken Wachstum. Neue Sanktionen erschweren jedoch das Re-Exportgeschäft nach Russland, was zum Rückgang führte. Russland blieb zwar das wichtigste Exportziel Armeniens, der Anteil an den Gesamtexporten ging 2023 jedoch um 4 Prozentpunkte auf 41% zurück. Gleichzeitig stiegen Importe aus Russland seit September 2023 stark an. Dies ist in erster Linie auf ein neues Re-Exportgeschäft zurückzuführen, bei dem Gold und Diamanten aus Russland importiert und in die Vereinigten Arabischen Emirate re-exportiert wird.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.

Inhalt laden

Zusammenfassung und Ausblick

Der positive Migrations- und Auslandsnachfrageschock wirkte sich 2023 noch stark positiv aus, aber seine Wirkung lässt allmählich nach. Da keine neuen Wachstumsimpulse in Sicht sind, wird sich die Wirtschaft 2024 abkühlen. Darüber hinaus steht Armenien derzeit vor der Herausforderung, 100.000 Geflüchtete aus Berg-Karabach zu integrieren, was sich auch in einer Verschlechterung der Haushaltslage niederschlägt. Andererseits könnte dies bei richtiger Umsetzung auch ein potenzieller Wachstumstreiber für die kommenden Jahre werden. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist eine mögliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland, dem nach wie vor wichtigsten Wirtschaftspartner Armeniens. Sollte dies eintreten, sind größere Probleme im Agrar- und Energiesektor zu erwarten – das wirtschaftliche Risikopotenzial Armeniens gegenüber Russland ist in beiden Sektoren am höchsten.

Download als PDF

Dieser Newsletter basiert teilweise auf der 11. Ausgabe des Wirtschaftsausblicks Armenien.