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Oleksandra Betliy, Robert Kirchner und Garry Poluschkin

Parlament billigt den Staatshaushalt 2023

Russlands Angriffskrieg verursacht weiter dramatisches Leid und bringt gravierende wirtschaftliche und fiskalische Herausforderungen für die Ukraine. Infolge des massiven Wirtschaftsrückganges sind die Steuereinnahmen 2022 stark zurückgegangen. Dennoch liegen die Staatseinnahmen, auch dank Zuschüssen internationaler Partner in Höhe von mehr als 10 Mrd. USD, etwa auf dem Niveau von 2021.

  • Ukraine
NL 169 | November 2022
Governance und öffentliche Verwaltung
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Der Fokus auf die Verteidigung erhöhte jedoch die Staatsausgaben massiv. Infolgedessen ist ein sehr hohes Haushaltsdefizit entstanden, das hauptsächlich durch internationale Finanzhilfen in Form von Darlehen sowie durch monetäre Haushaltsfinanzierung beglichen wird. Letztere birgt jedoch Inflationsrisiken.

Auch der kürzlich verabschiedete Staatshaushalt für 2023 ist weiter durch den Krieg gekennzeichnet. Das Ministerkabinett rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von nur 3,2% zum Vorjahr und mit Einnahmen, die als Anteil am BIP unter dem Niveau von 2021 liegen. Die Dominanz der Verteidigungsausgaben mit 14% des BIP bleibt auch im nächsten Jahr bestehen. Folglich wird der Finanzierungsbedarf auf 38 Mrd. USD geschätzt. Dieser kann sich jedoch erhöhen, falls Russland seine Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur fortsetzt. Im Gegensatz zu 2022 wird die monetäre Haushaltsfinanzierung als Instrument nicht berücksichtigt, um die makrofinanzielle Stabilität zu gewährleisten. Aus diesem Grund setzt die Ukraine ausschließlich auf internationale Finanzhilfen. Da im Haushalt nicht mit Zuschüssen geplant wird, wird die Schuldenquote auf 100% des BIP ansteigen. Daher wäre auch 2023 jede finanzielle Unterstützung in Form von Zuschüssen gegenüber Darlehen vorzuziehen.

Makroökonomische Annahmen

Das Parlament hat den Staatshaushalt für 2023 am 3. November fristgerecht verabschiedet. Nach einem geschätzten BIP-Rückgang von 32% 2022 wird für 2023 ein Wachstum von nun 3,2% erwartet – statt 4,6% wie noch im ersten Haushaltsentwurf. Mit dieser Prognose liegt das BIP dann 30% unter dem Niveau von 2021.

Insbesondere die Binnennachfrage wird zum Wirtschaftswachstum beitragen. Unter der Annahme einer abnehmenden Intensität des Krieges wird davon ausgegangen, dass Ukrainer (teilweise) nach Hause zurückkehren können. Die durchschnittliche Inflation dürfte hoch bleiben und der Wechselkurs bei 42,2 UAH/USD liegen – eine Abwertung um 15% zum derzeitigen offiziellen Kurs. Insgesamt erscheint die makroökonomische Prognose realistisch. Jedoch sind die Annahmen mit großer Unsicherheit auf Grund des Krieges behaftet.

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Einnahmeseite

Der Plan für die Einnahmenseite 2023 basiert auf der aktuellen Steuergesetzgebung und wird voraussichtlich 1.329 Mrd. UAH betragen, was 21,2% des BIP entspricht und damit einen Rückgang gegenüber 23,8% des BIP 2021 darstellt, da mit geringeren Steuereinnahmen von 18,4% des BIP geplant wird (2021: 20,3%). Es wird erwartet, dass die Umsatzsteuer 2023 mit einem Anteil von 46,4% der Einnahmen der wichtigste Posten bleiben wird, während sonstige Einnahmen voraussichtlich unter denen von 2021 liegen werden.

Der Haushalt sieht für 2023 keine nennenswerten Finanzhilfen in Form von Zuschüssen vor, während sie 2022 bis November bei über 10 Mrd. USD lagen.

Zusätzlich wird ein Gewinn der Nationalbank in Höhe von 71 Mrd. UAH (1,7 Mrd. USD) geschätzt, der die Einnahmenseite erhöht.

Ausgabenseite

Die Ausgaben werden mit 2.581 Mrd. UAH oder 41,1% des BIP geplant. Insgesamt gibt es drei klare Prioritäten: Verteidigung, Schuldentilgung und Sozialpolitik.

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Etwa 33,8% der Ausgaben sollen für die Verteidigung aufgewendet werden (13,9% des BIP), verglichen mit 8,6% (2,3%) 2021. Die Ausgaben für Sozialpolitik werden auf 15,9% der Ausgaben festgesetzt, wodurch der Mindestlohn und die Mindestrente auf dem Niveau von Dezember 2022 gehalten werden, real jedoch deutlich zurückgehen. Gleichzeitig soll die Unterstützung für sozial schwache Haushalte durch direkte Transferzahlungen („Household Utility Subsidy“) abgedeckt werden, während die Tarife unverändert bleiben sollen.

Außerdem sind 11,2% der Ausgaben für Sicherheitsposten (z. B. Polizei, Grenzschutz und Justiz) vorgesehen.

Die Schuldentilgung wird trotz einer Vereinbarung über die Aussetzung eines Teils der Schuldenzahlungen auf 13% der Ausgaben ansteigen. Dabei wird mit einer jährlichen Kuponrückzahlung für Kriegsanleihen gerechnet, die direkt von der NBU erworben wurden (bisher 340 Mrd. UAH aus 2022). Auch sieht das Kabinett keine substanziellen Finanzmittel für den Wiederaufbau vor, hat aber 35,5 Mrd. UAH (ca. 840 Mio. USD) für die Finanzierung eines Programms für den Wiederaufbau von Gebäuden, Infrastruktur, den Kauf von Wohnungen und Schulbussen usw., vorgesehen.

Internationale Finanzhilfe essenziell

Niedrige Einnahmen und hohe Ausgaben führen zu einer Defizitplanung von 1.251 Mrd. UAH oder 19,9% des BIP.

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Die externe Kreditaufnahme wird mit 1.612 Mrd. UAH (= 38 Mrd. USD) geplant, deren Finanzierung zu gleichen Teilen hauptsächlich durch die USA und die EU in Form von günstigen Darlehen, nicht Zuschüssen sichergestellt werden soll.

Der IWF ist derzeit nicht bereit, der Ukraine ein umfangreiches Programm zur Verfügung zu stellen, sondern hat stattdessen ein „Program Monitoring with Board involvement“ (PMB) eingeführt, das zur Ausarbeitung eines makropolitischen Rahmens führen soll, um die Unterstützung der Geber zu katalysieren, und das perspektivisch den Weg für ein vollwertiges IWF-Programm ebnen könnte.

Die inländische Finanzierung im Jahr 2023 dürfte mit nur 90,7 Mrd. UAH (2,1 Mrd. USD) nicht sehr hoch ausfallen, was aber ein wichtiger Schritt zur Gewährleistung der makrofinanziellen Stabilität wäre. Die Privatisierung soll laut Plan mit 6,0 Mrd. UAH (142 Mio. USD) nur eine marginale Rolle spielen.

Schlussfolgerung und Ausblick

Das Haushaltsgesetz enthält mehrere Herausforderungen, die bereits seit 2022 andauern. Die wichtigste betrifft den Krieg: Sollte er länger andauern, mit intensiven Kämpfen und weiteren Schäden an der Energie- und sonstigen Infrastruktur, wird der Haushalt wahrscheinlich stärker durch noch niedrigere Steuereinnahmen und die Notwendigkeit, höhere Ausgaben zu finanzieren, negativ beeinflusst werden. Ein weiteres Risiko ist der Zufluss internationaler Hilfe, der sich im Jahr 2022 als unregelmäßig und unvorhersehbar erwies. Ein koordiniertes und besser geplantes Vorgehen wird essenziell sein.

Bislang wird im Haushaltsgesetz davon ausgegangen, dass sich der monatliche Finanzierungsbedarf 2023 auf 3 Mrd. USD verringern wird. In diesem Betrag ist jedoch der dringende Wiederaufbaubedarf in Höhe von geschätzt 17 Mrd. USD nicht enthalten, den die Regierung bei der Herbsttagung von IWF und Weltbank, sowie der Wiederaufbaukonferenz in Berlin nannte. Die Schuldenquote wird voraussichtlich auf 100% des BIP ansteigen. Daher wäre jede Unterstützung in Form von Zuschüssen statt Darlehen – trotz günstiger Konditionen – für die zukünftige Schuldentragfähigkeit wichtig.

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