Wirtschaftswachstum 2024/25: Besser wird’s nicht
Das ukrainische BIP wird 2024 und 2025 mit Raten von 3,6% bzw. 3,4% moderat wachsen. Angetrieben vor allem durch den privaten Konsum und teilweise durch Investitionen scheint dieses Wachstumsniveau die „neue Normalität“ angesichts der Herausforderungen des andauernden Krieges, insbesondere der Zerstörungen des Energiesystems und der Mobilisierung, zu sein.
Während diese Zahlen von Widerstandsfähigkeit zeu-gen, ist es auch klar, dass eine Erholung auf Vor-kriegsniveau noch in weiter Ferne liegt. Da wir uns langsam dem Jahr 2025 nähern, sind internationale Anstrengungen zur Aufrechterhaltung der wirtschaftli-chen Widerstandsfähigkeit, insbesondere in Form von Finanzhilfen, weiterhin von größter Bedeutung.
Abschwächung des Wachstums in 2024 und 2025
Nach einem Anstieg des realen BIP um 5,3% im Jahr 2023 verliert die Wirtschaft in 2024 mit einem prognostizierten Wachstum von 3,6% an Schwung. 2025 wird es sich weiter auf 3,4% abschwächen. Damit ist die Ukraine noch weit von einer nachhaltigen Erholung auf das Vorkriegsniveau entfernt. Die anhaltenden Zerstörungen im Energiesektor sowie die Auswirkungen der Mobilisierung auf die Unternehmen begrenzen die Wachstumsmöglichkeiten. Die wichtigsten Annahmen der Prognose sind die weitere Entwicklung des Krieges, dessen Intensität bis Mitte 2025 höchstwahrscheinlich abnehmen wird, sowie die Fortsetzung der umfangreichen externen finanziellen Unterstützung.
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Angebotsseite
Wir prognostizieren für 2025 eine leichte Wachstumsbeschleunigung (auf 3,4%) in der Landwirtschaft nach 2,1% im laufenden Jahr, da die Ernte besser ausfallen wird. Die Landwirte passen sich weiter an die „neue Normalität“ an, und die Exportlogistik verbessert sich. Der neue Exportkorridor hat das Exportvolumen gegenüber der „Schwarzmeer-Getreide-Initiative“ etwa verdoppelt.
Die Industrieproduktion (4,1% in 2024, mit einer Beschleunigung auf 5,1% in 2025) unterliegt divergierenden Trends. Die Situation im Stromsektor ist sehr fragil und insgesamt negativ für das Wachstum. Andererseits haben viele Unternehmen Investitionen getätigt, um ihre Aktivitäten vor den häufigen Stromausfällen zu schützen. Eine weitere Triebkraft des Wachstums ist der Verteidigungssektor, der jedoch aufgrund der (notwendigen) Klassifizierung der Daten schwer einzuschätzen ist.
Die Sektoren Handel (5,7% in 2025) und Verkehr (7,6% in 2025) werden weiterwachsen, da die Außenhandelskapazitäten dank der Wiedereröffnung der Häfen von Odessa zunehmen werden. Der Transportsektor wird zusätzlich durch wachsende Passagierströme, einschließlich der vorübergehenden Rückkehr von Binnenvertrieben, sowie durch steigenden E-Commerce unterstützt.
Nachfrageseite
Der reale private Konsum wird 2025 um 5,1% steigen (nach 4,1% in 2024), was auf steigende Reallöhne, die Indexierung der Sozialleistungen und das Auflösen hoher Ersparnisse, zurückzuführen ist. Investitionen werden ebenfalls zunehmen (8,8% in 2025 nach 18,8% in 2024), getrieben durch Verteidigungsaktivitäten sowie den Notfallwiederaufbau und den Reparaturbedarf im Energiesektor, werden sich aber in geringerem Maße auf das Wachstum auswirken. Die Sicherheitslage und das entsprechende Finanzierungsumfeld hemmen Investitionen nach wie vor, insbesondere die privaten.
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Das Leistungsbilanzdefizit wird sich den Projektionen zufolge schrittweise auf 6,9% des BIP in 2025 ausweiten. Darin spiegeln sich die steigenden Warenimporte (im Einklang mit der wachsenden Inlandsnachfrage) wider, während die Exporte nominal stagnieren. Die Exporte profitierten mengenmäßig von der verbesserten Exportlogistik, litten aber gleichzeitig unter den niedrigeren Preisen. Weitere Komponenten der Leistungsbilanz sind die Ausgaben von Geflüchteten im Ausland (die etwas sinken werden) sowie die Überweisungen und Rücküberweisungen. Insbesondere die ausl. Haushaltszuschüsse (Sekundäreinkommen) sind schwer präzise zu prognostizieren. Insgesamt rechnen wir mit einem Rückgang der Überweisungen und Rücküberweisungen von 28,2 Mrd. USD 2024 auf 25,4 Mrd. USD 2025.
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In Anbetracht dessen ist es nicht überraschend, dass der Wechselkurs eine Abschwächungstendenz aufwies. Die Nationalbank lässt seit Ende 2023 mehr Flexibilität zu, ein Trend, der sich unserer Meinung nach fortsetzen wird. Gleichzeitig ist sie bereit, auf dem Markt zu intervenieren, wenn eine ungünstige Wechselkursdynamik beobachtet wird. Die derzeitigen Devisenreserven in Höhe von 42 Mrd. USD, die durch Finanzhilfen aufgestockt wurden, scheinen dafür ausreichend zu sein.
Die Inflation zieht wieder an
Die Inflation erreichte im April ihren Tiefpunkt (3,2%) und steigt aktuell auf 7,5%, was über dem Zielwert liegt.
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Steigende Stromtarife, Lebensmittelpreise sowie die oben erwähnte Abwertung sind Gründe für diese Entwicklung. Wir rechnen zwar mit einem leichten Rückgang der Inflation auf 6,5% Ende 2025, gehen aber davon aus, dass die Nationalbank ihre Zinssätze unverändert lassen wird.
Finanzierung des Haushaltsdefizits ist entscheidend
Die Haushaltslage wird sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr schwierig bleiben. Um die Situation zu verbessern, hat die Regierung eine Änderung der Abgabenordnung auf den Weg gebracht, die vom Parlament unterstützt wurde, allerdings in einem engeren Rahmen. Der Gesetzesentwurf wird noch erörtert, aber es ist wahrscheinlich, dass der Körperschaftssteuersatz für Banken auf 50% (derzeit 25%) festgesetzt wird. Auf eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes konnten sich Regierung und Parlament jedoch noch nicht einigen.
So sieht das revidierte Haushaltsgesetz für 2024 einen starken Anstieg der inländischen Kreditaufnahme vor, der nur schwer zu erreichen sein dürfte. Die Koordinierung von Geld- und Fiskalpolitik sollte hier Abhilfe schaffen: Die NBU hat kürzlich den Banken erlaubt, mehr inl. Staatsanleihen zu erwerben.
Insgesamt dürfte das konsolidierte Haushaltsdefizit von 23,5% des BIP in 2024 auf 20,3% des BIP in 2025 sinken (Zuschüsse werden hier nicht als Einnahmen verbucht). Die Finanzierung des Defizits wird durch externe Unterstützung erfolgen. Während die Finanzierung für 2024 recht gesichert erscheint, einschließlich der erfolgreichen Umschuldung, bestehen für 2025 noch Risiken.
Weniger als die Hälfte der im Entwurf des Haushaltsgesetzes für 2025 vorgesehenen externen Finanzierung in Höhe von 38,8 Mrd. USD ist derzeit gesichert, wobei 13,3 Mrd. EUR im Rahmen der Ukraine-Fazilität von der EU erwartet werden. Eine weitere IWF-Tranche ist in Aussicht gestellt, wenn die Ukraine sich an das Programm hält. Daher ist die jüngste Ankündigung der Europäischen Kommission über die Bereitstellung eines Darlehens in Höhe von 35 Mrd. EUR (als Teil eines umfassenderen G7-Darlehens in Höhe von 50 Mrd. USD an die Ukraine, das durch die Erlöse aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten gesichert ist) sehr wichtig. Tatsächlich wird die Ukraine einen Teil dieses Geldes bereits Anfang 2025 dringend benötigen, um andere prioritäre Ausgaben neben Verteidigung und Sicherheit zu finanzieren.
Nach unserer Schätzung könnte die Staatsverschuldung bereits im Jahr 2025 bei 100% des BIP liegen. Wenn die Finanzhilfe der EU jedoch (teilweise) in Form von Zuschüssen erfolgt, wird dieser Wert niedriger sein.
Dieser Newsletter basiert auf der 20. Ausgabe unseres Wirtschaftsausblicks Ukraine.