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Garry Poluschkin, Robert Kirchner

Wirtschaftliche Erholung in einer
unsicheren Zeit

Die Ukraine verzeichnete 2021 eine moderate wirtschaftliche Erholung mit einem BIP-Wachstum von 3,2%. Ein starker privater Konsum sowie eine Rekordernete im Agrarsektor beeinflussten das Wachstum positiv; die Investitionen entwickelten sich allerdings eher schwach. Für 2022 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,3% prognostiziert.

  • Ukraine
NL 160 | Februar 2022
Makroökonomische Analysen und Prognosen
Zusammenfassung

Die Ukraine verzeichnete 2021 eine moderate wirtschaftliche Erholung mit einem BIPWachstum von 3,2%. Unterstützt wurde die Erholung durch einen starken privaten Konsum und eine Rekordernte, begrenzt durch geringe Investitionen. Für 2022 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,3% prognostiziert. Dieses Wachstum reicht jedoch nicht aus, um sich regionalen Vergleichsländern anzunähern, welche bereits 2021 das
Vorkrisenniveau wieder erreichten.
Ähnlich wie die Vergleichsländer erlebt die Ukraine eine hohe Inflation auf Grund wachsender Nahrungsmittelund Energiepreise. Aber es ist zu erwarten, dass die restriktive Geldpolitik der Nationalbank (NBU) die Inflation
2023 in den Zielkorridor zurückführt. Die hohen Preise wirkten sich auch auf die ukrainischen Exporte aus, die nominal stark stiegen (40%), aber real leicht zurückgin-
gen. Die Fiskalpolitik der Ukraine kehrt 2022 zurück auf einen Konsolidierungspfad mit einem moderaten Haushaltsdefizit von 3,5% des BIP und einer Schuldenquote
von unter 50%.
Obwohl der wirtschaftliche Einfluss des RusslandUkra-
ine Konfliktes bereits in den Finanzmarktindikatoren sichtbar ist, ist der Effekt auf die Realwirtschaft bisher begrenzt. Renditen von EurobondAnleihen auf den in-
ternationalen Märkten schossen in die Höhe und begrenzen für die Ukraine den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt. Ausländische Investoren verkauften lokale Anleihen und der Wechselkurs schwächte sich trotz FX Interventionen der NBU ab. Die makrofinanzielle Stabilität ist jedoch weiterhin gesichert, auch aufgrund der beträchtlichen finanziellen Unterstützung internationaler Partner.

Hintergrund: Begrenzte wirtschaftliche Erholung

Die Ukraine erlebte 2021 eine begrenzte wirtschaftliche Erholung mit einem BIPWachstum von 3,2%. Im Gegensatz zu regionalen Vergleichsländern erreichte die Ukraine 2021 allerdings nicht das Vorkrisenniveau auf Grund schwach wachsender Investitionen und gesunkener realer Exporte.

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Für 2022 prognostizieren wir ein Wirtschaftswachstum von 3,3%. Dies entspricht etwa dem mittelfristigen Wachstumspfad. Da diese Prognose keine schnelle Konvergenz mit den Vergleichsländer impliziert, benötigt die Ukraine weitere wirtschaftliche Reformen, um das Wachstum permanent zu steigern.

Wachsender Konsum, aber geringe Investitionen

Auf der Nachfrageseite ist der private Konsum der Haupttreiber, während die Investitionen weiterhin schwächeln. Nach einem Rückgang um 21% im Jahr 2020, konnte 2021 keine zweistellige Wachstumrate erreicht werden, auch für 2022 wird dies nicht erwartet. Auf der Angebotsseite unterstützt eine Rekordernte (81 Mio. t) im Landwirtschaftssektor die Erholung, wohingegen die Industrieund Transportsektoren aufgrund von Unterinvestitionen nur gering wachsen. Beide Sektoren werden voraussichtlich das Vorkrisenniveau auch Ende 2022 nicht erreicht haben. Wie auch in den Vergleichsländern war Ende 2021 eine hohe Inflation mit 10% in der Ukraine zu beobachten, die insbesondere mit der angespannten Situation bei Nahrungsmitteln und Energie zusammenhängt.

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Die NBU erhöhte den Leitzins schrittweise auf 10% p.a. und kündigte eine Fortsetzung der restriktiven Geldpolitik an, um die Inflation in ihren Zielkorridor (4% bis 6%) zu bringen. Es wird erwartet, dass eine straffe Geldpolitik und eine erneut starke Ernte, welche das Wachstum der Nahrungsmittelpreise begrenzen wird, die Inflation 2023 wieder in den Zielkorridor bringen werden. Preiseffekte wirkten sich auch auf den Außenhandel aus. Die Exporte wuchsen stark nominal und lagen über dem Niveau von 2019 aufgrund vorteilhafter Termsof Trade, die das Handelsdefizit reduzierten. Bezogen auf die Mengen verschiebt sich allerdings die Erholung der Exporte auf 2022, während die Erholung der Importe eher durch Mengeneffekte statt durch gestiegene Preise erfolgte.

Die Fiskalpolitik ist wieder auf Konsolidierungskurs

Trotz eines geplanten Haushaltsdefizits von 5,5% des BIP 2021 wird das tatsächliche Defizit aufgrund höherer Einnahmen aus der Umsatzsteuer etwa bei 3,8% des BIP liegen. Eine weitere Senkung ist für 2022 mit 3,5% des BIP geplant und mit dem IWF vereinbart. Diese Politik unterstützt den Rückgang der Schuldenquote auf unter 50%.
Da der Schuldendienst in Auslandswährung 2022 bei rund 10,6 Mrd. USD liegen wird, ist eine straffe Fiskalpolitik von großer Bedeutung.

Einfluss des RusslandUkraine Konfliktes

Auf Grund der massiven russischen Militäraktivitäten an der Grenze zur Ukraine nahmen seit Mitte November 2021 die geopolitischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine zu. Bisher ist deren Auswirkung vor allem in hochfrequenten Finanzmarktindikatoren zu beobachten. Ein beträchtlicher Anstieg der Renditen der staatlichen (und privaten) EurobondAnleihen ist zu beobachten, sodass ein Marktzugang zur weiteren Kreditaufnahme für die Ukraine sehr schwierig/teuer ist.

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Bis zu einem gewissen Grad werden diese Auswirkungen im lokalen Anleihemarkt gespiegelt, da ausländische Investoren sich dort entsprechend zurückziehen. Zwischen Mitte November und Ende Januar verkauften sie netto 15,1 Mrd. UAH (0,8 Mrd. USD); diese Verkäufe reduzierten im gleichen Zeitraum ihren Anteil von 9,7% auf 7,6%. Diese Entwicklung führte auch zu einer gewissen Abwertung der Hryvnia trotz FX Interventionen durch die NBU.

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Dennoch ist das derzeitige Niveau der Hryvnia und der internationalen Reserven auf einem vergleichbaren Niveau wie vor einem Jahr, was positiv ist.

Zusammenfassung und Ausblick


Die ukrainische Wirtschaft setzt ihre Erholung von der Pandemie fort, obwohl die Dynamik im regionalen Vergleich etwas zurückbleibt. Der jetzige RusslandUkraine Konflikt wirkt sich aktuell auf die Finanzindikatoren aus, die sich verschlechtern, jedoch sind bisher keine Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu beobachten. Die starke und rasch angekündigte Unterstützung internationaler Partner (u.a. EU, US, Deutschland) sowie von IFIs (IWF, WB) ist wichtig, um die Ukraine vor den Turbulenzen am internationalen Kapitalmarkt zu schützen und makrofinanzielle Stabilität zu sichern.
Der weitere Verlauf der wirtschaftlichen Erholung ist offenkundig abhängig von der Dauer und der Intensität des Konfliktes mit Russland, allerdings hat sich die ukrainische Wirtschaft bisher überraschend widerstandsfähig
gezeigt. Trotz dieser Herausforderungen sollte die Ukraine den Weg politischer und wirtschaftlicher Reformen fortschreiten, um das Unternehmensklima zu verbessern, welches Investitionen weiterhin bremst. Nur durch mehr Investitionen kann die Ukraine höhere Wachstumsraten erreichen, die wiederum wichtig für eine langfristige Annäherung an die regionalen Vergleichsländern ist.

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