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Dmitry Chervyakov

Was ist noch übrig nach dem Ende des armenischen „Goldrausches“?

Eine Änderung der Besteuerung russischer Goldexporte ermöglichte ein temporäres Geschäftsmodell, welches es russischen Goldproduzenten erlaubte, Steuern zu sparen, indem sie ihre Exporte über Armenien leiteten. Dies löste den so genannten „Goldrausch“ aus, der zu einem sprunghaften Anstieg im armenischen Gold- und Schmuckhandel führte.

  • Armenien
NL 20 | November-Dezember
Außenhandel und regionale Integration

Zwischen    Oktober 2023 und Mai 2024 – dem Zeitraum, in dem der russische Goldausfuhrzoll in Kraft war – wurden Gold und Schmuck im Wert von rund 6,9 Mrd. USD aus Armenien exportiert, hauptsächlich in die Vereinigten Arabischen Emirate. Obwohl dies ein sehr erheblicher Handelsschock war, blieb nicht viel davon in Armenien. Da hinter dem „Goldrausch“ keine nennenswerte Wertschöpfungskette stand, gab es – anders als bei den Reexporten von Autos – keine spürbaren wirtschaftlichen und steuerlichen Impulse.

Ursprung des „Goldrausches“

Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und den anschließenden westlichen Sanktionen mussten die russischen Goldproduzenten nach neuen Exportmärkten suchen, die sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten, China und Hongkong fanden. Darüber hinaus wurden sie ab Oktober 2023 mit der Einführung vorübergehender Ausfuhrzölle auf Gold für alle Exporte in Länder außerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) konfrontiert. Da die Zölle, die zwischen 4% und 7% (je nach Wechselkurs) lagen, ihre Gewinne weiter geschmälert hätten, bestand ein starker Anreiz, nach möglichen Umgehungen zu suchen. Um die Ausfuhrzölle zu vermeiden, begannen die russischen Produzenten, ihre Goldexporte über Armenien zu leiten – ein Mitglied der EAEU, das keine Ausfuhrzölle auf Gold erhebt. Dies war der Beginn des so genannten „Goldrausches“.

Boom im armenischen Gold- und Schmuckhandel

Ab Oktober 2023 begannen armenische Unternehmen damit, im großen Umfang Gold aus Russland zu importieren und es dann entweder direkt wieder zu exportieren oder es zunächst zu Schmuck zu verarbeiten. Infolgedessen stiegen die armenischen Importe und Exporte von Gold parallel an und erreichten 2023 beide einen Wert von 1,8 Mrd. USD, mit sieben- bzw. vierfachen Wachstumsraten im Vergleich zu 2022. Der „Goldrausch“ verstärkte sich 2024 weiter, wobei die Goldimporte und -exporte in 9M 2024 ein noch nie dagewesenes Niveau von 4,9 Mrd. USD bzw. 5,2 Mrd. USD erreichten. Was die Destinationen betrifft, so stammten alle Importe aus Russland, während etwa zwei Drittel des Goldes in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert wurden, während der Rest hauptsächlich nach Hongkong und China ging. Letztere entsprechen auch den neuen Zielmärkten, die russische Goldexporteure nach der jüngsten Verlagerung aufgrund der westlichen Sanktionen für sich entdeckt haben.

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Da Gold auch zu Schmuck verarbeitet wurde (z. B. in Form von massiven Goldketten), war auch ein deutlicher Anstieg der Schmuckexporte zu beobachten. Wenn auch in geringerem Umfang, erreichten die Schmuckexporte 2023 einen Wert von 500 Mio. USD und beliefen sich in 9M 2024 auf 776 Mio. USD. Hauptziel waren erneut die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Gegensatz zu Gold gab es jedoch keinen Anstieg der Importe.

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Es ist auch offensichtlich, dass der „Goldrausch“ seit Mai 2024 seine explosive Dynamik verloren hat. Grund dafür war die Ankündigung der russischen Regierung, die Ausfuhrzölle auf Gold ab Juni 2024 abzuschaffen. In der Praxis bedeutete dies das Ende des Geschäftsmodells hinter dem „Goldrausch“: Exporte über Armenien boten für russische Goldproduzenten keine steuerlichen Anreize mehr. Nichtsdestotrotz gehen die Gold- und Schmuckexporte über Armenien bis heute weiter, allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau – vermutlich aufgrund noch ausstehender Verträge.

Potenzielle Rente des „Goldrausches“

Der sprunghafte Anstieg der Exporte zeigt, dass die russischen Goldproduzenten in der Lage waren, die sich ihnen bietende Gelegenheit zu nutzen. Betrachtet man den Gesamtumfang des „Goldrausches“, so sprechen wir von armenischen Schmuck- und Goldexporten im Wert von 6,9 Mrd. USD im Zeitraum zwischen Oktober 2023 und Mai 2024 (Gültigkeitsdauer der russischen Goldausfuhrzölle). Wären diese Exporte zum gleichen Satz wie in Russland besteuert worden (Durchschnittszollsatz von 5,3%), hätten die russischen Goldexporteure 352 Mio. USD zusätzlich zahlen müssen. Diese Zahl kann auch als „potenzielle Rente“ der Umleitung der Exporte über Armenien interpretiert werden. Ist etwas von diesem Geld in Armenien geblieben? Betrachtet man nur die Durchschnittspreise der Goldimporte und -exporte nach und aus Armenien, so betrug die Gewinnspanne im Goldhandel durchschnittlich 3,3%. Angesichts des Ausmaßes des „Goldrausches“ würde sich der Betrag auf 180 Mio. USD belaufen. Somit könnte knapp mehr als die Hälfte der potenziellen Rente auf armenischer Seite verblieben sein.

Wirtschaftliche und fiskalische Auswirkungen

Um die wirtschaftlichen und fiskalischen Auswirkungen auf Armenien zu analysieren, müssen sektorale Daten herangezogen werden. Auf der Grundlage von ausführlichen Interviews mit Beteiligten und investigativen Recherchen Dritter wurde deutlich, dass die meisten Unternehmen, die auf armenischer Seite am „Goldrausch“ beteiligt waren, in der Schmuckbranche registriert waren. Daher konzentriert sich unsere Analyse auf diesen Sektor.

Wirtschaftliche Aspekte

Der „Goldrausch“ hatte zwar ein beträchtliches Ausmaß, aber es stand keine wirkliche Wertschöpfungskette dahinter, auch wenn eine gewisse Verarbeitung in Armenien stattfand. Infolgedessen gab es weder positive Auswirkungen auf die Beschäftigung noch einen direkten Beitrag zum Wachstum. Dies steht im starken Gegensatz zu den jüngsten Reexporten von Autos, bei der ein Teil der Wertschöpfungskette in Armenien geschaffen wurde und somit positive Auswirkungen sowohl auf die Beschäftigung als auch auf das BIP zu verzeichnen waren. Darüber hinaus hat die Umklassifizierung der am „Goldrausch“ beteiligten Unternehmen von Schmuckherstellern zu Exporteuren von Metallen zu einer Abwärtskorrektur des BIP für 2023/2024 geführt. Dies lag technisch daran, dass die angenommene Wertschöpfung im Schmucksektor deutlich höher ist.

Fiskalische Aspekte

Der Umsatz der Unternehmen in der Schmuckbranche ist erheblich gestiegen. Dies hat sich jedoch noch nicht in nennenswerten zusätzlichen Steuereinnahmen niedergeschlagen. Wir gehen zwar davon aus, dass ein erheblicher Teil der potenziellen Rente in Armenien verbleibt, doch hat sich dies noch nicht in höheren Gewinnen der armenischen Unternehmen niedergeschlagen. Zur weiteren Untersuchung dieser Frage werden Daten für das gesamte Steuerjahr 2024 benötigt.

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Schlussfolgerungen

Nachdem das Geschäftsmodell des „Goldrausches“ zu Ende gegangen ist, bleibt die Frage, ob dieser große Handelsschock für Armenien signifikante Vorteile gebracht hat. Aus wirtschaftlicher Sicht erzeugte der „Goldrausch“ keine zusätzliche Wertschöpfung und hatte somit keine positiven Auswirkungen auf Beschäftigung und Wachstum. Gleichzeitig führte er zu erheblichen Reputationsrisiken und irreführenden BIP-Schätzungen. Und obwohl die beteiligten Unternehmen anscheinend Gewinne erzielen konnten, hat sich davon bisher nicht viel in Form von Steuereinnahmen bemerkbar gemacht. Der „Goldrausch“ hat jedoch einmal mehr gezeigt, wie schnell sich die armenischen Unternehmen an kreative Lösungen anpassen können. Um in Zukunft von solchen kurzlebigen Schocks profitieren zu können, sollte die Regierung Fälle wie den „Goldrausch“ sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Anpassungen in der Steuerpolitik vornehmen.

Dieser Newsletter basiert teilweise auf der Policy Study Armenia’s „gold rush“: reasons and economic implications.

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