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Dr. Hans Gutbrod

Vaziani – Ansichten über Tiflis‘ möglichen neuen Flughafen

Die georgische Regierung erwägt die Verlegung des Flughafens von Tiflis auf den Flugplatz Vaziani, der derzeit ein Militärgelände ist. Dieses ehrgeizige, 1,2 Mrd. USD teure Projekt, das von der Asiatischen Entwicklungsbank unterstützt wird, folgt einem neuen Masterplan, der darauf abzielt, die Kapazitätsengpässe des derzeitigen Flughafens zu beseitigen, der von schwierigen geografischen Gegebenheiten und privaten Grundstücken umgeben ist. Mit dem neuen Flughafen könnte die derzeitige Kapazität mehr als vervierfacht werden. Während die Vorarbeiten bereits 2025 beginnen könnten, bedeutet der Vertrag mit dem derzeitigen Betreiber TAV Georgia, dass die Verlegung erst 2028 abgeschlossen sein wird.

  • Georgien
NL 60 | September-Oktober
Entwicklung des Privatsektors

Kritiker stellen die ehrgeizigen Passagierprognosen in Frage und äußern Bedenken hinsichtlich der Entfernung und strategischer Aspekte. Andere hingegen verweisen auf die potenziellen Vorteile für den Tourismussektor und die Möglichkeit eines neuen Logistikzentrums. Trotz unterschiedlicher Ansichten wird die Notwendigkeit des Flughafenausbaus allgemein anerkannt.

Neuer Masterplan für den Flughafen von Tiflis

Eines der derzeit in Georgien diskutierten Megaprojekte ist die Verlegung des Flughafens von Tiflis vom derzeitigen Standort zum nahe gelegenen Flugplatz Vaziani, der derzeit als Militärflughafen genutzt wird. Mit geschätzten Kosten von über 1,2 Mrd. USD handelt es sich um ein Großprojekt.
Seit dem Frühjahr 2024 arbeitet die Regierung nun an einem neuen Masterplan für den neuen internationalen Flughafen von Tiflis. Dieser folgt auf die jüngste Entwicklung einer umfassenden Strategie für den georgischen Flughafensektor, die die internationalen Flughäfen Batumi und Kutaisi sowie eine Reihe kleinerer Flughäfen wie Mestia und Natakthtari im Norden von Tiflis umfasst. Diese Planung wird von der Asiatischen Entwicklungsbank unterstützt, einem der wichtigsten Partner der georgischen Regierung bei großen Infrastrukturprojekten im letzten Jahrzehnt.

Kapazitätsgrenzen und Geografie als Hindernisse

Für die Verlegung des internationalen Flughafens Schota Rustaweli Tiflis, wie er offiziell heißt, werden mehrere Gründe angeführt. Der derzeitige Standort muss erweitert werden. Zu den Stoßzeiten stößt der Flughafen an seine Kapazitätsgrenzen, die bei maximal 4,5 Mio. Fluggästen pro Jahr liegen. Durch eine Verlegung könnte die Kapazität mehr als vervierfacht werden.
Eine Erweiterung am derzeitigen Standort ist schwierig, da das angrenzende Gebiet von Schluchten umgeben ist, die umfangreiche Erdarbeiten erfordern. Die Grundstücke in der unmittelbaren Umgebung des Flughafens befinden sich in Privatbesitz und wären teuer zu erwerben. Ein möglicher Ausbau am jetzigen Standort, für den 900 Mio. USD veranschlagt werden, wäre zwar 300 Mio. USD billiger als ein Umzug nach Vaziani, könnte aber höchstens 15 Mio. Fluggäste abfertigen.

Vertrag mit TAV verzögert Verlegung bis 2028

Ein besonderes Hindernis für eine Erweiterung ist, dass das Unternehmen, das den Flughafen derzeit betreibt, TAV Georgia (eine Tochtergesellschaft der türkischen TAV), einen Vertrag bis 2027 hat und nicht direkt verpflichtet ist, vor Ablauf seines Vertrags an größeren Umbauten mitzuwirken. TAV betreibt u. a. den Flughafen Istanbul und gehört zur französischen Groupe ADP.
Das Verhältnis zwischen der Regierung und TAV gilt als etwas angespannt. TAV erhebt hohe Landegebühren, wodurch Flüge nach Tiflis deutlich teurer sind als zu vielen vergleichbaren Zielen. Von 2005 bis 2007 hatte TAV den jetzigen Flughafen gebaut und holt sich nun ihre Investitionen über diese Gebühren zurück. Der staatlich betriebene Flughafen von Kutaisi, ein Drehkreuz der ungarischen Billigfluggesellschaft Wizz, ist 250 km entfernt und die Straße führt über eine große Bergkette. Fahrten zu diesem Flughafen dauern in der Regel bis zu vier Stunden.

Die Regierung hat sich zwar verpflichtet, in einem Umkreis von 200 km um den bestehenden Flughafen keinen neuen Flughafen zu eröffnen, doch würde diese Verpflichtung mit dem Auslaufen des Vertrags enden, sodass in der Zwischenzeit der Bau neuer Einrichtungen in Vaziani möglich wäre. Die Vorarbeiten könnten bereits 2025 beginnen und die erste Phase der Verlegung würde bis 2028 abgeschlossen sein, womit eine Kapazität von 10 Mio. Passagieren erreicht würde. Diese soll dann in einer zweiten Phase in den folgenden zwei Jahrzehnten verdoppelt werden.

Zweifel an hohen Passagierprognosen

Nicht jeder ist von diesem Plan begeistert. Einige bezweifeln, dass die prognostizierten Passagierzahlen realistisch sind. Im vergangenen Jahr wurden weniger als 4 Mio. Reisende auf dem Flughafen abgefertigt. Die Berechnungen gehen von einem möglichen Passagieraufkommen von fast 20 Mio. Reisenden pro Jahr aus. Vergleichbare Flughäfen mit diesem Reiseaufkommen wären Berlin (23 Mio.), Brüssel (23 Mio.), Stockholm (21 Mio.) und Warschau (19 Mio.). Alle diese Länder und ihre jeweiligen Regionen haben ein Vielfaches der Bevölkerung Georgiens. Offiziellen Statistiken zufolge verzeichnete Georgien 2023 etwa 5,1 Mio. Besucher, während es in Kroatien etwa 19 Mio. waren. Angesichts dieser Zahlen halten viele die Prognosen für ehrgeizig, zumal auch die Zukunft des Flugverkehrs nicht gesichert ist.
Andere weisen darauf hin, dass sich die georgischen Touristenzahlen in der jüngsten Vergangenheit besser entwickelt haben als von vielen erwartet. Das anhaltende Wachstum im Nahen Osten und neue kosmopolitische Zentren wie die Vereinigten Arabischen Emirate könnten Georgien begünstigen. Schon jetzt ist der Kaukasus ein bevorzugtes Ziel für Filipinas, die in Katar arbeiten und zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee sehen wollen.
Auf jeden Fall wird der Flughafen von Tiflis zu klein bleiben, um eine Art Drehkreuz zu werden. Er wird nicht groß genug sein, um zu einem Flughafen zu werden, an dem man einen Anschlussflug nehmen kann. Mit Istanbul und Dubai verfügt die Region über zwei solche Flughäfen, die leicht zu erreichen sind.

Neuer Flughafen wäre weiter vom Zentrum entfernt

Die Verlegung des Flughafens nach Vaziani ist auch aus nicht-wirtschaftlichen Gründen umstritten. Der derzeitige Flughafen liegt 17 km oder zwanzig Minuten vom zentralen Freiheitsplatz in Tiflis entfernt. Die Verlegung des Flughafens würde die Reisezeit um einige Minuten verlängern, da er 10 km weiter östlich, in Richtung der Weinregion Kachetien, liegt. Während die bestehende Bahnlinie nie voll in Betrieb genommen wurde, kostet eine Fahrt ins Zentrum an dieser Stelle 15 USD im Taxi oder 1 GEL (ca. 0,35 USD) mit der Buslinie 337, die quer durch die Stadt fährt. Diese Kosten würden sich nicht wesentlich erhöhen, aber die Entfernung würde auf Kosten der Bequemlichkeit gehen.

Mögliche geopolitische Nachteile

Zumindest einige glauben, dass die Verlegung geopolitische Nachteile mit sich bringt. Auch wenn dies kein wirtschaftliches Argument ist, befürchten Sicherheitsexperten, dass die Aufgabe des wichtigsten strategischen Militärflugplatzes die Verteidigungskapazitäten des Landes schwächen würde. In der Nähe befindet sich ein Übungsplatz für Schießübungen. Es wurde viel in die militärische Infrastruktur investiert, unter anderem in das Gefechtsübungszentrum einer gemeinsamen Einrichtung von NATO und Georgien. Nach Angaben der Regierung werden die militärischen Einrichtungen den zivilen Flughafen nicht beeinträchtigen. Sicherheitsexperten bezweifeln jedoch, ob das möglich ist. Sollten für diese Einrichtungen neue Standorte erforderlich sein, würde dies die Umzugskosten noch erhöhen. Diese Befürchtungen werden noch dadurch verstärkt, dass der Botschafter Pekings in Tiflis sein Interesse an einer chinesi-schen Beteiligung an dem Projekt bekundet hat.

Ausblick

Wie auch immer man dazu stehen mag, man ist sich einig, dass eine Erweiterung notwendig ist. Teile des aktuellen Gebäudes, das 2007 fertiggestellt und 2017 erweitert wurde, sehen trist aus. Zu Stoßzeiten können die Warteschlangen bei der Einreise mehr als eine Stunde betragen. Tourismusunternehmen sagen, dass es für sie wenig Sinn macht, auf den europäischen Märkten für das Angebot Georgiens zu werben, wenn sie nicht über vernünftige und erschwingliche Möglichkeiten – Direktflüge – verfügen, um ihre Gäste in das Land zu bringen.
Die Zukunft des Projekts könnte auch von den nächsten Entwicklungen in Georgien abhängen, angesichts der allgemeinen Turbulenzen, die das Land gerade durchläuft. In einer Hinsicht könnte die Verlegung eine Chance sein. Seit Jahren stellt sich die Frage, wo das Logistikzentrum angesiedelt werden soll, das Tiflis so dringend braucht. Eine Verlegung nach Vaziani könnte die Möglichkeit bieten, dieses Logistikzentrum direkt am bestehenden Flughafen anzusiedeln, wo bereits eine umfangreiche Infrastruktur vorhanden ist.

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