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Pavel Bilek

Usbekistans Stromsystem in 2030: Eine Kostenanalyse

Die usbekische Regierung hat ambitionierte Pläne für das Stromsystem 2030 angekündigt, um die steigende Nachfrage zu decken. So sollen ein Nuklearkraftwerk, zusätzliche Gaskraftwerke, sowie Photovoltaik (PV)-, Wind-, und Wasserkraftwerke gebaut werden.

  • Usbekistan
NL 19 | Juli - August 2022
Energie und Klima

Eine kostenoptimierende Modellierung zeigt allerdings, dass die optimale Konfiguration des Stromsystems 2030 anders aussieht. In einem Szenario, wo das Nuklearkraftwerk nicht gebaut wird bzw. verspätet ans Netz geht und vermehrt Stromhandel mit den Nachbarstaaten Tadschikistan und Kirgisistan stattfindet, würde Usbekistan über 8,3 GW Wind- und 10,9 GW PV-Kapazität, sowie 3,1 GW Gasturbinen als Spitzenlast- und Reservekraftwerke benötigen. Im Vergleich zu den Plänen der Regierung würde ein solcher Kraftwerkspark jährlich 1,7 Mrd. Euro an Kosten (Rückgang um 14%) und 2 Mrd. m3 an Erdgas (Rückgang um 16%) einsparen. Zudem würden die Emissionen im Stromsektor um 18% sinken.

Hintergrund und Methodologie

Die usbekische Regierung rechnet mit einem deutlichen Anstieg der Stromnachfrage bis 2030, der durch die wachsende Bevölkerung und das prognostizierte Wirtschaftswachstum bedingt ist. Um diese Nachfrage zu decken, ist eine umfassende Überholung des Stromsystems erforderlich, um Stabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Im Rahmen einer Modellierung des Stromsystems wurden die Pläne der Regierung sowie kostenoptimierte Szenarien für das usbekische Stromsystem zur Erreichung der gesetzten Ziele untersucht.

Die Modellierung des Stromsystems wurde mit dem
Open-Source-Modell Calliope durchgeführt, wobei anschließende Analysen und Berechnungen die Gesamt- und Jahresinvestitionskosten, den Gasverbrauch, die Emissionen und andere Messgrößen bewerteten. Das Modell berücksichtigt alle Energieanlagen, die derzeit entweder am Netz sind oder sich im Bau befinden, sowie die Stilllegung alter, ineffizienter Anlagen, die bereits angekündigt wurde.

Es wurden vier Szenarien untersucht:

1) Zentrales Szenario, das den aktuellen Regierungsplänen sehr nahekommt,

2) Kostenoptimales Szenario,

3) Zentrales Szenario mit regionalem Handel

4) Kostenoptimales Szenario mit regionalem Handel.

Die Szenarien 1) und 4) werden in diesem Newsletter näher betrachtet.

Ergebnisse des Zentralen Szenarios

Im Zentralen Szenario, das den angekündigten Plänen der Regierung für 2030 sehr nahekommt, wird das Kernkraftwerk mit einer Leistung von 2,4 GW gebaut, die Wasserkraftkapazität auf 3,8 GW erhöht und die angekündigten 5 GW Solar- und 3 GW Windkraftanlagen errichtet. Einige veraltete und ineffiziente Kohlekraftwerke und alte Dampfturbinen werden außer Betrieb genommen. Zusätzlich zu den geplanten Kapazitätserweiterungen müsste die Regierung zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und Systemstabilität lediglich 200 MW an Gas- und Dampfturbinen (GuD) und 1600 MW an Gasturbinen (GT) hinzufügen, die als Spitzenlast- und Reservekraftwerke dienen. Bis 2030 würde dies dazu führen, dass 40 % der jährlichen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen. Die Gesamtinvestitionskosten würden sich auf 35 Mrd. EUR und die jährlichen Systemkosten auf 12 Mrd. EUR belaufen, wobei der Großteil der variablen Kosten auf den Gaskraftwerkssektor entfällt.

Ergebnisse des Kostenoptimalen Szenarios mit Handel

Die Analyse der kostenoptimalen Modellierung zeigt jedoch, dass die ideale Konfiguration des usbekischen Stromsystems im Jahr 2030 anders aussieht. Erstens sollte Usbekistan den Handel mit Tadschikistan und Kirgisistan ausweiten, um von den Vorteilen ihrer Wasserkraftprojekte zu profitieren, die bis 2030 abgeschlossen sein dürften. Dies würde Importe von billigerem Strom im Sommer ermöglichen, wenn die Wasserführung
höher ist.

Angesichts der hohen Baukosten für Kernkraftwerke bevorzugt das Modell in der kostenoptimalen Konfiguration den Ausbau erneuerbarer Energien sowie einiger zusätzlicher Gaskraftwerkskapazitäten. Das günstige meteorologische Potenzial Usbekistans in Verbindung mit den sinkenden Kosten für erneuerbare Energien führt zu einer kostenoptimalen Konfiguration mit der Installation von 10,9 GW Solar-PV- und 8,3 GW Windkraftkapazität.

Um die Versorgungssicherheit des Systems zu gewährleisten, insbesondere in Anbetracht der hohen Anzahl installierter variabler erneuerbarer Energiequellen, werden zusätzliche 3,1 GW an Gasturbinen benötigt, die als Spitzenlast- und Reservekraftwerke dienen.

Kosten, Gasverbrauch und CO2-Emissionen

Ein kostenoptimales System, bei dem Stromhandel mit Kirgisistan und Tadschikistan stattfindet, birgt erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Die jährlichen Einsparungen belaufen sich auf 1,7 Mrd. EUR im Vergleich zum Zentralen Szenario, was einer Verringerung von über 14% entspricht. Die Modellierung zeigt auch, dass aufgrund der Grenzpreise der verschiedenen Technologien die jährliche monetäre Stromhandelsbilanz Usbekistans positiv ausfällt; die Erträge der Exporte sind höher, obwohl physisch mehr Strom importiert als exportiert wird.

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Zudem führt das kostenoptimale System zu einer Verringerung der CO2-Emissionen und des Gasverbrauchs. Der Gasverbrauch ist im Kostenoptimalen Szenario mit regionalem Handel im Vergleich zum Zentralen Szenario um etwa 2 Mrd. m3 pro Jahr geringer, was es der usbekischen Regierung ermöglicht, das Gas entweder für inländische Weiterverarbeitung (z.B. in der neuen Gasverflüssigungsanlage) oder für Exporte über die bestehenden Pipelinesysteme nach China und in andere Länder umzuleiten. Bei den modellierten Preisen würde diese Reduktion jährlich über 820 Mio. EUR an Gas einsparen, wobei die Emissionen im Vergleich zum Zentralen Szenario um 17,5% sinken würden.

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Schlussfolgerungen und politische Implikationen

Die Ergebnisse der Modellierung und der Analyse zeigen, dass Usbekistan beim kostenoptimalen Weg nur sehr wenig zusätzliche GuD-Kapazität bauen müsste. Stattdessen sollte die Regierung einen stärkeren Ausbau der Solar- und Windenergie sowie den Bau weiterer GT-Kapazitäten zur Abdeckung von Spitzenlasten und als Reserve vorziehen und das Kernkraftwerk aufgrund der hohen Investitionskosten nicht bauen. Der Stromhandel mit den regionalen Nachbarn würde die Kosten, den Gasverbrauch und die Emissionen senken. Neue usbekische GuD- und GT-Kraftwerke sollten zudem für den Betrieb mit Wasserstoff ausgelegt werden, um für künftige Veränderungen in der Energieversorgung gerüstet zu sein, insbesondere für den Fall, dass die heimische Gasförderung zurückgeht.

Gleichzeitig müssen andere wichtige Probleme (die in künftigen Modellierungsarbeiten weiter untersucht werden) angegangen werden, wenn die Regierung ihre Ziele erreichen will. Der niedrige Druck in den Gaspipelines beeinträchtigt die Flexibilität und Effizienz der Gaskraftwerke erheblich. Das Stromnetz muss zudem modernisiert werden, um erneuerbare Energiequellen besser zu integrieren und einen reibungslosen Stromfluss zu gewährleisten. Darüber hinaus werden viele Kraftwerke derzeit im Rahmen von Take-or-pay-Verträgen betrieben, die einen optimalen Kraftwerkseinsatz verhindern und der Wirtschaft und Bevölkerung erhebliche Kosten verursachen könnten.

NL als PDF

Eine umfassendere Analyse bietet unsere Policy Study: How much gas power plant capacity does Uzbekistan need? A 2030 scenario analysis using the government’s electricity demand forecast