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Oleksandra Betliy, Vitaliy Kravchuk, Garry Poluschkin

Stimulierung von wirtschaftlichen Aktivitäten während des Krieges

Russlands Invasion der Ukraine führt zu einer wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und humanitären Notlage. Die ukrainische Wirtschaft ging 2022 um 29% zurück und wird 2023 voraussichtlich zwar leicht wachsen, aber auf einem viel niedrigeren Niveau verharren als 2021. Aufgrund des kriegsbedingten exogenen Schocks steht der Unternehmenssektor vor gewaltigen Herausforderungen. Dabei spielt die Wirtschaftspolitik der Regierung eine wichtige Rolle bei der Abfederung dieses externen Schocks.

  • Ukraine
NL 176 | Juni 2023
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Eine in Kürze erscheinende Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung und Politikberatung (IER) und des German Economic Team (GET) konzentriert sich auf die staatlichen Maßnahmen zur Stimulierung der Unternehmenstätigkeit. In einem ersten Schritt werden in der Studie die sechs in aktuellen Umfragen am häufigsten genannten Herausforderungen für Unternehmen identifiziert. Zweitens werden die bereits umgesetzten Unterstützungsmaßnahmen insbesondere vor dem Hintergrund des begrenzten fiskalischen Spielraums bewertet, und drittens weitere Empfehlungen abgeleitet, um bestehende Lücken zu adressieren.

Der Umfang der Unternehmensaktivitäten

Die ukrainische Wirtschaft und der Unternehmenssektor wurden durch den Krieg stark beeinträchtigt. Allerdings hat der Staatliche Statistikdienst der Ukraine während des Krieges die Bereitstellung von einigen Wirtschaftsindikatoren eingestellt, so dass Umfragen zu einer wichtigen Informationsquelle wurden, um die Einschätzungen, Pläne und Erwartungen von Unternehmen zu verstehen. Das IER und die ukrainische Nationalbank (NBU) führen regelmäßig monatliche Unternehmensbefragungen durch und ermitteln die aktuelle wirtschaftliche und finanzielle Lage sowie Herausforderungen der Unternehmen.

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Ein wichtiges Ergebnis ist, dass sich der Anteil der Unternehmen, die die Lage als „schlecht“ einschätzen, zwischen dem ersten und dem zweiten Quartal 2022 mehr als verdoppelt hat, obwohl das erste Quartal bereits durch den Krieg beeinträchtigt war. Die Situation hat sich in letzter Zeit etwas verbessert. Dennoch schätzen weiterhin etwa 30% der Unternehmen ihre Lage als „schlecht“ und nur 11% als „gut“ ein.

Herausforderungen für den Unternehmenssektor

Darüber hinaus unterscheiden sich die meisten Herausforderungen sich von denen, die vor dem Krieg genannt wurden. Sechs von ihnen werden seit Beginn des Krieges am häufigsten genannt:

  • Gestiegene Preise für Rohstoffe, Güter und Energie
  • Transportbeschränkungen und Schäden aufgrund Russlands gezielter Angriffe auf die Infrastruktur und aufgrund von blockierten Seehäfen
  • Unterbrechungen in der Energieversorgung aufgrund Russlands gezielter Angriffe auf Ölraffinerien sowie Stromkraftwerke und -übertragungsnetze
  • Fehlendes Betriebskapital und Finanzmittel aufgrund reduzierter Kreditvergabe und hoher Risikoprämien durch Banken
  • Fachkräftemangel aufgrund der internen und externen Migration, Reallokation von Unternehmen und demographischen Veränderungen
  • Steuerpolitik, Regulierung und Korruption, da Reformen in diesen Bereichen nur langsam vorankommen.

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Bisher umgesetzte Maßnahmen

Die Regierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Unternehmensaktivitäten während des Krieges zu unterstützen. Das IER und das German Economic Team bewerteten die umgesetzten Maßnahmen und diskutierten Empfehlungen für zusätzliche Maßnahmenoptionen in unserer aktuellen Policy Study zu dem Thema.

Der Preisanstieg bei Rohstoffen, Güter und Energie wurde hauptsächlich durch eine Senkung der Mehrwertsteuer für bestimmte importierte Güter begrenzt. Diese Politik hatte jedoch negative Auswirkungen auf den Haushalt und zu Marktverzerrungen geführt. Daher war anschließend die Rückkehr zur Vorkriegsbesteuerung wichtig.

Zur Bewältigung der am zweithäufigsten genannten Herausforderung waren zudem internationale Verhandlungen ein wichtiges Instrument, die beispielsweise zum Solidaritätskorridor oder dem Getreideabkommen geführt haben.

Drittens wurden die Unterbrechungen der Energieversorgung durch weitere internationale Verhandlungen, einschließlich sofortiger ENTSO-E-Integration, durch Importe von Generatoren und Fortschritte bei der Energiedezentralisierung recht erfolgreich überwunden. Um den Mangel an Betriebskapitel oder Finanzierung zu beheben, waren die Ausweitung des Kreditsubventionsprogramms „5-7-9“ und verschiedene weitere direkte Unterstützungsregelungen wichtig. Diese Maßnahmen erforderten jedoch umfangreiche Fiskalressourcen. Die Liberalisierung des Arbeitsrechts, subventionierte Löhne und die Verknüpfung zwischen dem „5-7-9-Programm“ und der Schaffung von Arbeitsplätzen waren wichtig, aber sie konzentrieren sich eher auf die Nachfrageseite, während die Angebotsseite bisher kaum unterstützt wird.

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Schließlich hat die Regierung im Rahmen des vereinfachten Steuersystems Befreiungen für Unternehmen eingeführt, um deren Steuer- und Regulierungsaufwand zu verringern. Diese Politik steht allerdings im Widerspruch zur Mobilisierung von Steuereinnahmen. Die starke und erweiterte Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen bleibt jedoch ein wichtiges Instrument.

Empfehlungen für weitere Instrumente

Insgesamt haben die ukrainische Regierung und ihre Partner als Reaktion auf diese schwierige Situation wichtige Unterstützungsmaßnahmen eingeleitet. Vor allem die Maßnahmen zur Überwindung der Transportbeschränkungen und der Unterbrechungen der Energieversorgung werden positiv bewertet. Für die anderen genannten Herausforderungen sind jedoch weitere wirtschaftspolitische Instrumente zu empfehlen, zum Beispiel:

  • Gezielte Unterstützung anstelle von Preisregulierung oder allgemeinen Rabatten
  • Verbesserung der Logistik, einschließlich der weiteren Zusammenarbeit mit angrenzenden Ländern
  • Verbesserung des Wettbewerbs auf dem heimischen Energiemarkt und weitere Schritte zur Dezentralisierung der Energieversorgung
  • Garantiesysteme für ausländische und inländische Investitionen, die auch als Sicherheit für Banken dienen können, um sie in die Lage zu bringen, Risikoprämien bei der Kreditvergabe zu reduzieren
  • Fokus auf die Angebotsseite des Arbeitsmarktes: Ausweitung der Aus-, Fortbildung und der Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt
  • Vereinfachung, aber keine Verringerung der Steuerlast, rechtsstaatliche Reformen und weitere Digitalisierung

Da der Unternehmenssektor das dynamische Fundament der Wirtschaft darstellt, sind die bereits umgesetzten und vorgeschlagenen Unterstützungsmaßnahmen von zentraler Bedeutung für die Ankurbelung der Wirtschaft in dem Kriegsumfeld, in welchem sich die Ukraine zurzeit befindet.

Dieser Newsletter basiert auf der einer demnächst erscheinenden Policy Study “Challenges and instruments to stimulate Ukraine’s business sector during the war“.

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