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Dmitry Chervyakov, Dr. Ricardo Giucci

Starke Aufwertung des Dram: Wirtschaftspolitische Implikationen

Der armenische Dram verzeichnete in den letzten Monaten eine starke und rasche Aufwertung gegenüber dem US-Dollar und dem Euro. Die Ursachen hierfür sind weitgehend auf die Ereignisse in Russland zurückzuführen. Insbesondere der Zustrom russischer IT-Spezialisten, aber auch gewöhnlicher Touristen, kurbelt die Dienstleistungsexporte aus und die Geldtransfers nach Armenien – die beiden Haupttreiber der Aufwertung – erheblich an.

  • Armenien
NL 08 | November - Dezember 2022
Finanzmärkte
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Bislang sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Aufwertung noch begrenzt. Aus makroökonomischer Sicht trägt die Aufwertung dazu bei, die Inflation in einer boomenden Wirtschaft unter Kontrolle zu halten. Allerdings könnten einige exportorientierte Sektoren aufgrund des schnellen Einsetzens des Schocks und des daraus resultierenden Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit Probleme bekommen. Während sich die Geldpolitik zu Recht auf die Eindämmung der Inflation konzentriert, könnte die Fiskalpolitik den Spielraum dafür haben, betroffene Unternehmen mit Krediten zu unterstützen. Da die Wechselkursvolatilität jedoch wahrscheinlich hoch bleiben wird, sollte der Fokus auf die Weiterentwicklung des Finanzmarktes und insbesondere auf Absicherungsinstrumente für den privaten Sektor gelegt werden.

Starke und schnelle Aufwertung des Dram

Trotz des anfänglichen Abwertungsdrucks unmittelbar nach Beginn des Krieges in der Ukraine ist der armenische Dram in den letzten Monaten stark aufgewertet. Bis Ende Okt-22 betrug die Aufwertung gegenüber dem US-Dollar 18,3% im Vergleich zur Vorkriegszeit. Gegenüber dem Euro war die Aufwertung mit 27,4% sogar noch stärker. In der realen effektiven Notierung ist der Dram bisher um insgesamt 18,8% aufgewertet (Sep-22 ggü. Feb-22).

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Darüber hinaus erfolgte der starke Wertzuwachs innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, so dass die Wirtschaft nur wenig Anpassungszeit hatte. Es könnten folglich einige makroökonomische und sektorale Probleme auftreten, die wirtschaftspolitische Interventionen rechtfertigen würden.

Aufwertung infolge der Ereignisse in Russland

Die Ursachen für die Aufwertung des armenischen Dram sind weitgehend mit den Ereignissen in Russland verbunden. Nach Beginn des Krieges erlebte Armenien einen erheblichen Zustrom junger Fachkräfte aus Russland – hauptsächlich aus dem IT-Sektor. Die Auswirkungen dieser Zuwanderung sind in der Zahlungs- und insbesondere der Leistungsbilanz deutlich sichtbar.

Das starke Wachstum der Dienstleistungsexporte (H1 2022: 108% z. Vj.) ist einer der Gründe für die Aufwertung. Hohe Einnahmen aus tourismusbezogenen Dienstleistungen (260%) und bedeutende Exporte von IKT-Dienstleistungen (40%) – die beiden wichtigsten Treiber – sind eng mit den Gegebenheiten in Russland verbunden.

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Ein zusätzlicher Treiber der Aufwertung sind die umfangreichen persönlichen Geldtransfers von Russen, die nach Armenien umgezogen sind. Die gesamten Nettozuflüsse von Geldtransfers stiegen um 156% z. Vj. (9M2022), während die Nettozuflüsse aus Russland um 482% zunahmen.

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Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Überweisungen zwischen Ausländern und insbesondere Bargeldtransfers in der Leistungsbilanz oft nicht vollständig erfasst werden und wahrscheinlich noch höher liegen. Dies zeigt sich auch im recht hohen Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen der armenischen Zahlungsbilanz.

Makroökonomische Implikationen

Eine der wichtigsten Fragen ist, ob die starke und rasche Aufwertung des Dram eine Gefahr für die armenische Wirtschaft darstellt. Aus makroökonomischer Sicht scheint die Aufwertung bisher unproblematisch zu sein.

Der Index der Wirtschaftsaktivität, ein guter Indikator für das Wachstum, deutet derzeit auf ein BIP-Wachstum von 14,1% (9M2022) hin. Dies liegt deutlich über dem Produktionspotenzial von 4-5% (laut IWF) und könnte ein Zeichen für eine überhitzte Wirtschaft sein. Die Aufwertung des Dram ist hier jedoch eher eine Begleiterscheinung als die Ursache. Zusätzlich hilft die Aufwertung (neben der Zinspolitik) auch bei der Bekämpfung der hohen Inflation (Okt-22: 9,5%).

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Während die makroökonomische Situation insgesamt recht gut aussieht, könnten dennoch einige exportorientierte Sektoren durch den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der (realen effektiven) Aufwertung des Dram negativ betroffen sein.

Sollte die Regierung einzelne Sektoren unterstützen?

Generell sollten politische Entscheidungsträger bei der Unterstützung bestimmter Sektoren vorsichtig sein und Fragen wie die folgende berücksichtigen: Braucht der besagte Sektor wirklich Unterstützung oder war er nur besonders erfolgreich in seiner Lobbyarbeit? Sobald die Regierung einen Sektor unterstützt, werden andere ihre Lobbying-Bemühungen verstärken, um ebenfalls Vorteile zu erlangen. Außerdem ist zu erwarten, dass Unternehmen, die Wechselkursschwankungen ausgesetzt sind, sich gegen diese absichern. Hier hat der Staat die wichtige Aufgabe, die Entwicklung solcher Instrumente und des Finanzmarktes im Allgemeinen zu fördern. Dies wiederum würde den Druck auf die Zentralbank verringern, den Wechselkurs zu monitoren, und es ihr somit erlauben, sich weiterhin auf das Einhalten des Inflationszieles zu konzentrieren.

Nichtsdestotrotz könnte es genug Spielraum geben, gesunde Unternehmen, die aufgrund des schnellen Auftretens des Schocks ihr Geschäftsmodell nicht rechtzeitig anpassen konnten, finanziell zu unterstützen. Hier könnten subventionierte Darlehen mit strengen Kriterien eine Maßnahme sein, um den Unternehmen genügend Zeit zu geben sich an das neue Umfeld anzupassen.

Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen

Die Aufwertung des Dram hängt weitgehend mit den Ereignissen in Russland zusammen: Der starke Zustrom von Migranten sowie von traditionellen Touristen aus Russland bringt Devisen in das Land und kurbelt den Export von Dienstleistungen an. Da die mittelfristigen Aussichten für Russland nach wie vor sehr unklar sind, sollte man davon ausgehen, dass der Dram noch für längere Zeit volatil bleiben wird.

Kurzfristig sollte die Regierung dafür sorgen, dass die Absicherungsinstrumente gut entwickelt sind und die finanzielle Allgemeinbildung der Unternehmen hoch genug ist, um die Vorteile solcher Instrumente zu verstehen. Gleichzeitig sollte die Zentralbank ihre Bemühungen auf die Kontrolle der Inflation in der überhitzten armenischen Wirtschaft konzentrieren. Die Fiskalpolitik könnte die makroökonomische Anpassung durch das Angebot von subventionierten Krediten unterstützen. Dies würde den Unternehmen, die zuvor finanziell stabil und wettbewerbsfähig waren, genügend Zeit geben, ihre Geschäftsmodelle an die neue wirtschaftliche Lage anzupassen.

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Dieser Newsletter basiert teilweise auf dem Policy Briefing   “Economic implications of the recent appreciation of the Armenian dram”.