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Garry Poluschkin

Priorisierung von Zielgruppen für Investitionen aus Deutschland

Die ukrainische Wirtschaft leidet unter erheblichen Zerstörungen durch den Krieg. Bereits im Januar 2024 lagen die direkten Schäden bei 155 Mrd. USD und der Bedarf für einen nachhaltigen Wiederaufbau bei 486 Mrd. USD. Vor dem Krieg war der Privatsektor ein wesentlicher Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Rolle soll der Sektor auch beim Wiederaufbau einnehmen. Die meisten Investoren kommen aus dem Inland. Jedoch beschleunigen ausländische Direktinvestitionen das Produktivitätswachstum und verbessern die Wachstumsaussichten. Deutschland gehört dabei zu den wichtigsten Partnern. Als Gastgeber der diesjährigen Wiederaufbaukonferenz (URC) legte Deutschland in einer der vier Hauptsäulen den Schwerpunkt auf Investitionen. Das zeigt, die Attrahierung privater Investitionen aus Deutschland ist ein wichtiger Bestandteil der ukrainischen Wirtschaftspolitik.

  • Ukraine
NL 192 | Oktober
Entwicklung des Privatsektors

Vor diesem Hintergrund überarbeitete und überprüfte das German Economic Team die Definition von Zielgruppen und Segmenten auf dem deutschen Markt und formulierte Empfehlungen zur gezielten Ansprache, die den sektoralen Bedürfnissen der Ukraine entsprechen. Im Rahmen der Analyse wurden neun Zielgruppen identifiziert, von denen fünf als Priorität eingestuft wurden. Die Ansprache sollte sich dabei auf Investoren konzentrieren, die mit den Bedingungen in der Ukraine vertraut sind, sowie auf KMU, die tendenziell weniger risikoavers sind als große börsennotierte Unternehmen. Ergänzend zu den Maßnahmen zur Gewinnung von Investoren würden Reformen des Geschäftsklimas dazu beitragen, die Ukraine als Investitionsstandort zu verbessern.

Hintergrund

Empirische Untersuchungen und praktische Erfahrungen zeigen, dass ein zielgerichteter Ansatz die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Attrahierung von Investitionen erhöht. Gleichzeitig ist das Definieren von Zielgruppen ein dynamischer Prozess, der einer regelmäßigen Überprüfung bedarf, insbesondere bei außergewöhnlichen Veränderungen im Investitionsumfeld. Das German Economic Team untersuchte 2021 in einem Policy Briefing Zielgruppen für deutsche Investitionen in der Ukraine. Dabei wurde empfohlen, den Blick auf die Branchen Automobil, Life Sciences, Elektronik und IT zu richten.

Der Krieg wirkt sich jedoch auf alle Bereiche ausländischer Direktinvestitionen aus. Daher überarbeitete das German Economic Team die Auswahl und die Empfehlungen unter Berücksichtigung der kriegsbedingten Herausforderungen.

Die Rolle deutscher Investitionen in der Ukraine

Deutschland ist nicht nur einer der wichtigsten Handelspartner der Ukraine – das bilaterale Handelsvolumen übertraf 2023 erstmals 10 Mrd. USD. Auch die Investitionstätigkeit trägt zu den engen Wirtschaftsbeziehungen bei. Im Jahr 2023 stammten 5% der gesamten ausländischen Direktinvestitionen in der Ukraine aus Deutschland. Damit belegte Deutschland Rang 4.

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Im Vergleich zu anderen Ländern konzentrieren sich deutsche Investoren auf das verarbeitende Gewerbe. Auch während des Krieges haben deutsche Unternehmen weiter investiert. Dazu zählen Unternehmen wie Bayer (Saatgutproduktion), Fixit (Baustoffe), Notus und Goldberg Solar (erneuerbare Energien) sowie Rheinmetall, Quantum und FFG (Rüstung). Darüber hinaus hält die Bundesregierung ihr öffentliches Garantieprogramm für deutsche Investitionen zur Absicherung gegen u.a. Kriegsschäden oder Enteignung offen. Seit Anfang 2023 wurden 29 neue Investitionsvorhaben abgesichert. Aus diesen Gründen war das Thema Investitionen eine der Hauptsäulen der diesjährigen URC in Berlin.

Methode

Kurz vor der Konferenz überarbeitete das German Economic Team ihre Zielgruppenanalyse unter Berücksichtigung der kriegsbedingten Herausforderung. Dabei wurden zum einen bestehende Regierungsstrategien (z.B. der Ukraine-Plan) und Investitionsklimaberichte ausgewertet. Dies führte zu einer Vorauswahl der Zielgruppen. In einem zweiten Schritt wurden Interviews (30 bis 60 Minuten) mit bestehenden Investoren, Handelskammern, Verbänden und Branchenexperten geführt. Dieser Schritt diente der Überprüfung der Zielgruppenauswahl, der Analyse spezifischer Investitionspotenziale, der Investitionschancen und -herausforderungen sowie deren wirtschafts-, umwelt- und sozialpolitischen Auswirkungen. Daraus wurden schließlich Handlungsempfehlungen zur Ansprache von Investoren abgeleitet.

Priorisierung von Zielgruppen

Es wurden neun Zielgruppen identifiziert. Fünf davon wurden als prioritär eingestuft und für eine gezielte Ansprache empfohlen.

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Die aufgeführten Zielgruppen sind stark vom Krieg betroffen. Der Energie- und Bausektor leidet beispielsweise unter erheblichen Schäden, die nicht nur schnelle Reparatur, sondern einen nachhaltigen Wiederaufbau entsprechend Energieeffizienzstandards und grüner Technologien erfordern. Daher können sich kurz- von mittelfristigen Segmenten unterscheiden. Für die gezielte Ansprache können dabei insbesondere relevante Branchenmessen und -verbände empfohlen werden.

Darüber hinaus wurden als zweite Priotiät drei Zielgruppen identifiziert, für die zunächst eine systematische Marktbeobachtung empfohlen wird. Basierend auf den Ergebnissen sollte eine gezielte Ansprache in Betracht gezogen werden. Für die Zielgruppe IT / Digitalisierung wurde keine gesonderte Ansprache empfohlen. Relevante Segmente an der Schnittstelle zum IT-Sektor (z.B. AgriTech, DefenceTech, HealthTech), sollten in die Ansprache anderer Zielgruppen integriert werden.

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Empfehlungen und Ausblick

Im Hinblick auf die kriegsbedingte Unsicherheit sollte sich die Ansprache auf Unternehmen konzentrieren, die bereits Erfahrung mit Investitionen oder zumindest Handelsbeziehungen mit der Ukraine haben. Darüber hinaus sollten kleine und mittlere Unternehmen angesprochen werden, die tendenziell weniger risikoscheu sind als beispielsweise große börsennotierte Unternehmen. Im Vordergrund sollte eine sehr gezielte Ansprache potenzieller Investoren stehen. Insgesamt geht es bei der Ansprache darum, potenzielle Investoren zu identifizieren und individuell zu kontaktieren.

Die befragten Interviewpartner betonten in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Intermediären (Kammern, Verbände, bestehende Investoren). Gleichzeitig sollten ergänzende Reformen des Geschäftsklimas erfolgen. Beispielsweise sollten wichtige Investitionshindernisse im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Korruption beseitigt werden. Darüber hinaus sollten Versicherungs- und Anreizsysteme für private Investitionen weiter bedarfsgerecht ausgeweitet werden. Insgesamt wären gezielte Zielgruppenansprache und ergänzende Reformen des Geschäftsklimas wichtige Schritte zur Beschleunigung der wirtschaftlichen Erho-lung durch private Investitionen.

Dieser Newsletter basiert auf der Policy Study “Reviewing the target group selection for attracting German investment to Ukraine

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