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Veronika Movchan, Dr. Ricardo Giucci

Neue EU-Zollkontingente für die Ukraine

Ende Juni 2025 schlossen die EU und die Ukraine die Verhandlungen über neue Zollkontingente (Tariff Rate Quotas, TRQs) für ukrainische Produkte auf Grundlage von Artikel 29 des Assoziierungsabkommens ab. Die neuen TRQs sollen im Herbst 2025 in Kraft treten.

Neue vs. alte TRQs. Im Vergleich zu den bis Juni 2022 im Rahmen des Assoziierungsabkommens geltenden TRQs beinhalten die neuen erhebliche Anpassungen. Vier TRQs werden abgeschafft und 26 erweitert, wobei die größten Veränderungen bei Honig, Zucker, Gerstengrieß und Kleie vorgesehen sind. Im Ergebnis führen die neuen Kontingente zu einer Exportsteigerung in die EU um bis zu 630 Mio. USD pro Jahr gegenüber der alten Regelung.

Neue TRQs vs. ATMs. Gleichwohl bleiben die neuen TRQs hinter dem zollfreien Zugang im Rahmen der kurzfristigen unilateralen Handelsmaßnahmen (Autonomous Trade Measures, ATMs) der EU zurück, die von Juni 2022 bis Juni 2025 galten. Unseren Berechnungen zufolge werden die ukrainischen Exporte in die EU gegenüber 2024 um 1.144 Mio. USD pro Jahr zurückgehen, wobei Weizen den größten Teil des Rückgangs ausmacht. Weitere betroffene Produkte sind Gerste, Geflügel, Eier, Zucker, Apfelsaft und Honig. Zwar könnten ukrainische Exporteure ihre Lieferungen auf Nicht-EU-Märkte umorientieren, dennoch schätzen wir, dass die Gesamtexporte aufgrund von Preis- und Transportkostendifferenzen zwischen der EU und Alternativmärkten um 253 Mio. USD pro Jahr sinken werden.

  • Ukraine
NL 200 | September-Oktober
Außenhandel und regionale Integration
Das neue TRQ-Regime

Das Auslaufen der ATMs im Juni 2025 veranlasste die EU und die Ukraine, die TRQs, die im Rahmen des Freihandelsabkommens vor mehr als einem Jahrzehnt vereinbart wurden, zu überarbeiten. Die Verhandlungen wurden Ende Juni 2025 zügig abgeschlossen. Nach Zustimmung des EU-Rates und des EU-Ukraine-Assoziationsausschusses treten die neuen TRQs im Herbst 2025 in Kraft. Die neuen TRQs beinhalten erhebliche Anpassungen im Vergleich zum alten Regime. Erstens wurden vier TRQs vollständig abgeschafft und der Anwendungsbereich weiterer sechs TRQs reduziert. Dadurch sind Exporte von Joghurt, Pilzen, Traubensaft, Proteinkonzentraten und weiteren überwiegend verarbeiteten Lebensmitteln dauerhaft zollfrei gestellt. Zweitens wurden 26 TRQs erweitert, teilweise auf Grundlage ihrer Handelsvolumina von 2022 bis 2024. Besonders umfangreiche Anpassungen betreffen Honig, Zucker, Gerstengrieß und Kleie. Drittens wurden Produkte zwischen TRQs umverteilt, um Verdrängungseffekte innerhalb einzelner Quoten zu vermeiden. Insbesondere wurde ein neues Zollkontingent für Mehl geschaffen, indem dieses Produkt aus den bestehenden „Getreide“-TRQs für Weizen, Gerste und Mais herausgelöst wurde. Zudem wurden mehrere TRQs zusammengeführt. Die einzigen TRQs ohne Änderungen betreffen Rind-, Schweine- und Lammfleisch, deren Lieferungen aufgrund lebensmittelrechtlicher Beschränkungen nicht erfolgen, sowie die TRQs für Zigarren und Zigaretten.

Neue vs. alte TRQs

Unseren Berechnungen nach würde sich bei vollständiger Ausschöpfung der neuen TRQs die potenzielle Ausweitung der zollfreien Exporte der Ukraine in die EU auf 630 Mio. USD pro Jahr belaufen. Dies entspricht einem Zuwachs von 35% gegenüber dem alten TRQ-Regime. Ukrainische Exporteure könnten dadurch pro Jahr bis zu 165 Mio. USD an zusätzlichen Einnahmen erzielen, da unter dem zollfreien Regime höhere Preise realisiert werden können. Darüber hinaus stellen die neuen TRQs im Gegensatz zu den ATMs, die jährlich verlängert werden mussten, die langfristige Vorhersehbarkeit des EU-Binnenmarktzugangs her. Damit beeinflussen sie nicht nur die kurzfristige Exportorientierung, sondern können auch langfristige Investitionsentscheidungen maßgeblich prägen.

Neue TRQs vs. ATMs

Gleichzeitig gilt: Obwohl die neuen TRQs eine deutliche Ausweitung gegenüber den alten Kontingenten darstellen, liegen sie für mehrere Produkte deutlich unter den tatsächlichen Exporten im Jahr 2024 während der ATMs. Unserer Schätzung nach führen sie zu einem Rückgang der Exporte in die EU auf 1.144 Mio. USD pro Jahr.

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Umorientierung der Exporte

Da die neuen TRQs nicht ausreichen, um das 2024 erreichte Niveau an Exporten in die EU für zentrale Produkte zu halten, nehmen wir an, dass eine Umorientierung von Exporten stattfinden wird. Daher schätzen wir das Potenzial der Exportumorientierung auf Nicht-EU-Märkte für die sieben genannten Produkte.

Unsere Schätzung beruht auf zwei Komponenten:
i. Preisunterschied: die Differenz zwischen dem Stückwert der Exporte in die EU und in Nicht-EU-Märkte.
ii. Transportkosten: die Differenz der Kosten für den Transport einer Tonne in das wichtigste Zielland in der EU und in das wichtigste Zielland außerhalb der EU.

Unsere Analyse stützt sich sowohl auf Desk Research als auch auf Interviews mit Exporteuren dieser Produkte. Auf dieser Basis kommen wir zu dem Ergebnis, dass der jährliche Rückgang der Exporte in die EU in Höhe von 1.144 Mio. USD teilweise durch eine Umorientierung von Exporten im Wert von 891 Mio. USD auf andere Märkte ausgeglichen werden kann. Somit beläuft sich der geschätzte jährliche Rückgang der Gesamtexporte (nominal) auf 253 Mio. USD, was 0,6% der ukrainischen Gesamtexporte im Jahr 2024 entspricht.

Die höheren Transportkosten für den Weizenexport erklären den größten Teil des Rückgangs, während für Geflügel, Zucker und Apfelsaft die niedrigeren Preise auf alternativen Märkten eine entscheidende Rolle spielen.

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Schlussfolgerungen

Die neuen TRQs werden die Auswirkungen des Auslaufens der ATMs für ukrainischen Exporte in die EU abmildern. Die TRQs werden weniger Produkte abdecken, sodass mehr Lebensmittel dauerhaft zollfrei exportiert werden können. Die verbleibenden TRQs wurden, mit wenigen Ausnahmen, erweitert, und Produkte wurden zwischen TRQs umverteilt, um Verdrängungseffekte zu reduzieren. Darüber hinaus erhöht das neue Handelsregime die langfristige Vorhersehbarkeit für die Exporte in den EU-Binnenmarkt.

Gleichzeitig bieten die neuen TRQs jedoch nicht denselben Marktzugang wie die ATMs. Für sieben Produkte, nämlich Weizen, Gerste, Geflügel, Eier, Zucker, Apfelsaft und Honig, liegen die neuen TRQs deutlich unter den Exportvolumina von 2024. Dabei ist zu erwarten, dass ukrainische Exporteure die Mengen, die nicht mehr in die EU verkauft werden können, auf anderen Märkten verkaufen. Somit führt das Ende der ATMs und die gleichzeitige Revision der TRQs voraussichtlich nur zu einem moderaten Rückgang der gesamten ukrainischen Exporte im Vergleich zu 2024.

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Veronika Movchan ist Forschungsdirektorin am Institut für Wirtschaftsforschung und Politikberatung in Kyjiw

 Dieser Newsletter basiert auf der Policy Study „New EU tariff rate quotas for Ukrainian products: effect on exports.