Moldaus Energiesystem erlebt einen doppelten Schock
Moldau hat seine zweite Energiekrise innerhalb von drei Jahren erlebt, die durch einen doppelten Schock ausgelöst wurde. Zum einen stoppte Russland die Gaslieferungen in die transnistrische Region der Republik Moldau, was zu einem Rückgang der Stromproduktion im MGRES-Kraftwerk und damit zu einer Einstellung der Stromverkäufe an Moldau führte. Zum anderen trieben hohe Gaspreise auf dem internationalen Markt und eine verzögerte Beschaffung durch Moldau die Energiekosten für Verbraucher in die Höhe.
Obwohl die Regierung in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Stärkung der Energiesicherheit gemacht hat, hat die Krise erneut die hohe Verwundbarkeit des Landes und seine Abhängigkeit von ausländischer Hilfe offengelegt. Dennoch bietet sie Moldau die Chance, seine Energieversorgung weiter zu sichern und damit langfristige Stabilität und Wohlstand zu schaffen.
Russlands Gaszufuhrstopp in die transnistrische Region
Die transnistrische Region (TN-Region) erhielt jährlich etwa 2 Mrd. m³ kostenloses Erdgas aus Russland, das für die Versorgung ihrer energieintensiven Wirtschaft von entscheidender Bedeutung war. Ein großer Teil dieses Gases wurde vom MGRES-Kraftwerk zur kostengüns-tigen Stromerzeugung genutzt, sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Verkauf an das rechte Ufer Mol-daus (RB MDA), wodurch Einnahmen generiert wurden.
Am 1. Januar 2025 stoppte Russland die Gaslieferungen in die TN-Region und stürzte die Region in Dunkelheit. Alle Industrieanlagen wurden stillgelegt, und das verbleibende Gas wurde zum Heizen verwendet, um eine vollständige humanitäre Katastrophe zu verhindern. MGRES ging dazu über, auf schrumpfende Kohlereserven zurückgreifen, was zu einem Produktionsrückgang und der Einstellung aller Stromverkäufe an RB MDA führte.
Obwohl sich RB MDA zwischen 2022 und 2024 eindrucksvoll von direkten Gasimporten aus Russland befreite, machte der von MGRES bezogene Strom (der aus russischem Gas erzeugt wird) im Jahr 2024 immer noch 69% des Stromverbrauchs von RB MDA aus. Der Lieferstopp führte daher zu einer schnellen Umstellung auf teurere Importe, was die Stromtarife stark erhöhte.
Höhere Energiepreise und Beschaffungsverzögerungen
Trotz der erfolgreichen Diversifizierung der Gasversorgung und der gewonnenen Unabhängigkeit von russischem Gas war der Gassektor des RB MDA nicht optimal auf die sich abzeichnende Energieknappheit in dieser Heizperiode vorbereitet.
Im Idealfall kauft Energocom Gas für die kommende Heizperiode und verkauft es im Laufe des Jahres als Gasreserve an Moldovagaz. Diese Reserven stehen dann direkt für die Wärme- und Stromproduktion zur Verfügung. Durch diese zeitliche Streuung kann die Preisvolatilität reduziert werden.
Aber im Jahr 2024 begannen große Gaseinkäufe erst im Aug-24, wo die Preise bereits 29% höher waren als im Apr-24. Erst im Dez-24 erreichte Moldovagaz die notwendigen Reservemengen für die gesamte Heizperiode, indem es in einem Monat ca. 268 Mio. m3 Erdgas zu fast 70% höheren Preisen einkaufte.
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Die Auswirkungen des doppelten Schocks
Die Einstellung der Stromlieferungen von MGRES und die höheren Gasbeschaffungskosten hatten erhebliche Auswirkungen auf die Energietarife im RB MDA.
Da die direkten Kosten für Gas gestiegen sind, wurden die Tarife je nach Art des Gasanschlusses der Verbraucher um 16% bis 23% erhöht, obwohl die Regierung zuvor zugesichert hatte, dass dies nicht geschehen würde. Die beiden Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) in Chisinau und Balti erhöhten daraufhin die Wärmepreise, um die höheren Gaskosten einzupreisen, was zu einem Anstieg von 38% bzw. 17% führte. Die höheren KWK-Produktionskosten führten auch zu einem Anstieg der Strompreise und -tarife für die Endverbraucher
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Im Elektrizitätssektor wurde der durch die Einstellung der MGRES-Stromlieferungen entstandene Versorgungsengpass teilweise durch Importe von verschiedenen rumänischen Stromerzeugern, darunter Nuclearelectrica, Hydroelectrica und D.Trading, kompensiert. Dennoch reichte die gesamte inländische Erzeugungskapazität und die zugewiesene ENTSO-E-Grenze für die kommerzielle Übertragung von 315 MW (einschließlich der Importe aus Rumänien) nicht aus, um den Spitzenbedarf des RB MDA zu decken. Dies führte auch zu wesentlich teureren Notfallimporten. Der gewichtete durchschnittliche Großhandelspreis für Strom stieg von 90 EUR/MWh im Jahr 2024 auf über 130 EUR/MWh im Ja-nuar 2025, wobei die Tarife für die Endverbraucher noch stärker angehoben wurden.
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Krisenvorsorge zeigt gemischte Ergebnisse
RB MDA hat erhebliche Fortschritte bei der Stärkung seines Energiesystems erzielt, auch wenn weiterhin Herausforderungen bestehen. Die vollständige Unabhängigkeit von russischen Gasimporten hat die Verwundbarkeit verringert und die Energiesicherheit erhöht. Bereits im Vorfeld der aktuellen Winterperiode wurden ausreichende Gasmengen beschafft. Als MGRES die Stromlieferungen an RB MDA einstellte, bestanden bereits alternative Lieferverträge, die einen Teil des Stroms zu günstigen Preisen ersetzten. Zudem sorgte die erhöhte ENTSO-E Netztransferkapazität von 315 MW (und die Option, bei Verfügbarkeit mehr Kapazität aus der Ukraine zu beziehen) dafür, dass die Krise ohne Stromausfälle oder Unterbrechungen bewältigt werden konnte.
Gleichzeitig bleibt die Abhängigkeit von den MGRES, da seit 2022 nicht genug Fortschritte beim Ausbau der inländischen Erzeugungs- und Übertragungskapazitäten erzielt wurden. Die geplanten Auktionen für erneuerbare Energien sind zwar ein positiver Schritt, doch könnten flexiblere Kapazitäten und Speichersysteme dazu beitragen, die aktuellen Probleme besser abzufedern. Auch die höheren Gasbeschaffungskosten hätten möglicherweise besser abgesichert werden können, und die derzeitige Neuzuweisung von Kapazitäten des ukrainischen Moldova-NTC bietet keine vollständige Sicherheit.
MGRES und ukrainische Kohle – eine Chance?
Bei einem Treffen in Kyjiw Ende Januar diskutierten der ukrainische Präsident Zelenskyy und die moldauische Präsidentin Sandu über die Lieferung ukrainischer Kohle an MGRES. Dies könnte die Stromproduktion in der TN-Region steigern, die Stromlieferungen an RB MDA wieder aufnehmen und Exporte in die Ukraine ermöglichen. Da Russland viele der ukrainischen Kohleabbaugebiete besetzt hält, kann die Ukraine derzeit nur bituminöse Kohle liefern, während MGRES für Anthrazitkohle ausgelegt ist. Die Ukraine hat jedoch Erfahrung mit der Umrüstung von Kraftwerken auf bituminöse Kohle, darunter auch Anlagen des gleichen Typs wie MGRES. Präsident Zelenskyy sicherte Unterstützung und technische Hilfe für die Umrüstung zu.
Selbst unter Berücksichtigung der Umrüstungskosten und -zeiten sowie der Logistikkosten dürfte die Stromerzeugung aus Steinkohle deutlich kostengünstiger sein als der Import von Anthrazitkohle aus internationalen Märkten oder die Nutzung von Erdgas (die beide keine Umrüstung der Anlagen erfordern). Während dies kurz- bis mittelfristig zu einer Senkung der Systemkosten führen könnte, müssen aufgrund der wesentlich höheren Emissionen von Kohle auch umwelt- und energiepolitische Faktoren berücksichtigt werden.
Ausblick
Anfang Februar kündigte die EU ein Unterstützungspaket in Höhe von 250 Mio. EUR für Moldau an, dass auch 60 Mio. EUR zur Unterstützung der TN-Region bei den Energiekosten enthält. Zudem wurde Gas in die TN-Region geleitet, um die Energiekrise zu lindern, was zu einer allgemeinen Stabilisierung führte. Gleichzeitig zeigte die Lage erneut Moldaus anhaltende Abhängigkeit von günstigem Strom aus MGRES. Eine weitere große Schwäche ist die starke Abhängigkeit von internationaler Hilfe, die durch die Aussetzung der USAID-Finanzierung noch deutlicher wird.
Die Krise ermöglicht es Moldau jedoch, seine Energiesicherheit weiter zu verbessern, ein Prozess, der 2022 begonnen hat. Dazu gehören die Fertigstellung bestehen-der Netzverbundprojekte, der Ausbau der einheimischen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und der Aufbau flexiblerer Kapazitäten. Dies erfordert zwar Zeit und erhebliche Finanzmittel, ist aber der richtige Weg für die langfristige Energiesicherheit und den Wohlstand Moldaus.
Dieser Newsletter basiert auf unserem Policy Briefing ”A double shock to right-bank Moldova’s energy system”.