Moderates Wachstum in einem schwierigen globalen Umfeld
Mit einer realen BIP-Wachstumsrate von nur 2,7% im Jahr 2022 verzeichnet die kosovarische Wirtschaft nach einem starken Aufschwung im Jahr 2021 nur ein mäßiges Wirtschaftswachstum. Diese mäßige Entwicklung ist das Ergebnis zweier Sets an wirtschaftlichen Faktoren, die in unterschiedliche Richtungen wirken: Einerseits wirkte sich ein massiver Anstieg der Warenimporte – infolge des Anstiegs der Weltmarktpreise für wichtige Güter – negativ auf die Wirtschaftsleistung von Kosovo aus. Aber auch der schwache Konsum aufgrund des inflationsbedingten Rückgangs der Realeinkommen sowie die rückläufigen Investitionen aufgrund der unzureichenden Ausführung öffentlicher Investitionen beeinträchtigten das Wirtschaftswachstum.
Andererseits wurden diese negativen Entwicklungen zumindest teilweise durch die starken wirtschaftlichen Aktivitäten der kosovarischen Diaspora aufgefangen: Zum einen trugen robuste Rücküberweisungsströme dazu bei, die negativen Auswirkungen auf den privaten Konsum etwas abzufedern. Zum anderen profitierten die Dienstleistungsexporte von einer starken Entwicklung des diasporabezogenen Tourismus, wodurch der Anstieg des Warenhandelsdefizits abgeschwächt wurde. Für das Jahr 2023 sind die Aussichten etwas günstiger, da sowohl für den Konsum als auch für die Investitionen eine Erholung prognostiziert wird, die auf eine erwartete Entspannung der weltweiten Güterpreise zurückzuführen ist. Die derzeitige Wirtschaftslage offenbart jedoch auch einige strukturelle Herausforderungen, die genau beobachtet werden müssen.
Hintergrund
Das Wirtschaftswachstum in Kosovo war im Jahr 2022 mit einem Anstieg des realen BIPs um lediglich 2,7% eher moderat. Dies ist auf einen nahezu stagnierenden Beitrag des Konsums zurückzuführen, bedingt durch inflationsbedingte Rückgänge der Realeinkommen. Darüber hinaus führte eine unzureichende Ausführung der öffentlichen Investitionen zu einem negativen Beitrag der Investitionen zum Wirtschaftswachstum. Die positive Dynamik im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Aktivitäten der kosovarischen Diaspora konnte diese negativen Einflüsse auf das Wachstum jedoch teilweise auffangen. Die wichtigsten Kanäle in dieser Hinsicht waren die Zunahme der Rücküberweisungen, die dazu beitrugen, die negativen Auswirkungen auf den privaten Konsum abzuschwächen, und die Einnahmen aus dem Diasporatourismus.
Wachstum des realen BIP in % z. Vorjahr
Inflation
Aufgrund des starken Anstiegs der Weltmarktpreise für Lebensmittel und Energie in Folge des Kriegs in der Ukraine erlebte Kosovo 2022 einen Inflationsschub. Mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 11,6% wies Kosovo eine der höchsten Inflationsraten in der Region auf. Diese überdurchschnittliche Anfälligkeit lässt sich auf die zentrale Rolle von Lebensmitteln und Energie im VPI-Warenkorb von Kosovo zurückführen, wobei Lebensmittel allein 46% des Warenkorbs ausmachen.
Inflation (VPI) in % z. Vorjahr
Öffentliche Finanzen
Trotz eines beträchtlichen Anstiegs der öffentlichen Ausgaben für Transfers und Subventionen (31,4% gegenüber 2021) zur Abfederung der Auswirkungen des Preisanstiegs bei wichtigen Gütern wurde 2022 kein neues Haushaltsdefizit generiert. Dies ist in erster Linie auf die unzureichende Ausführung öffentlicher Investitionen zurückzuführen, die sich aus Preisanstiegen bei wichtigen Inputs wie Baumaterialien und dem vorübergehenden Nichtfunktionieren der Prüfstelle für das öffentliche Auftragswesen ergab. In Bezug auf die Staatsverschuldung haben diese Entwicklungen zu einem starken Rückgang der Schuldenquote im Jahr 2022 geführt. Die geringe öffentliche Investitionstätigkeit ist jedoch auch problematisch, da sie das Wachstum der Wirtschaft und der von öffentlichen Investitionen abhängigen Unternehmen (z. B. im Bausektor) behindert.
Öffentliche Finanzen in % des BIP
Außenhandel
Neben den Rücküberweisungen spielen die wirtschaftlichen Aktivitäten der kosovarischen Emigranten auch eine wichtige Rolle für den Handel. In dieser Hinsicht war 2022 ein erheblicher Anstieg der Dienstleistungsexporte zu verzeichnen, der vor allem auf den Tourismus der Diaspora zurückzuführen ist. Tourismuseinnahmen allein machten 2022 20% des BIP aus. Dadurch hat sich der traditionelle Überschuss in der Dienstleistungsbilanz von Kosovo weiter erhöht. Diese Entwicklungen stehen im Gegensatz zu denen im Warenhandel, wo sich das traditionelle Defizit in der Handelsbilanz im Jahr 2022 weiter verschärfte. Dies ist auf einen massiven Anstieg der Warenimporte zurückzuführen, die sich auf 11% des BIP beliefen. Dieser massive Anstieg stand im Zusammenhang mit dem Anstieg der Weltmarktpreise für Lebensmittel und Energie, bei denen Kosovo ein Nettoimporteur ist und die Nachfrage unelastisch ist. Allein der Anstieg der Importe dieser Waren machte bereits 4,5% des BIP aus.
Lebensmittel- und Energieimporte in % des BIP
Ausblick
Für 2023 sind günstigere Wirtschaftsaussichten zu erwarten, da sich die Inflation und die Importpreise aufgrund der weltweit sinkenden Preise für Lebensmittel und Energie stabilisieren dürften. Vor allem der Verbrauch dürfte sich angesichts des geringeren Inflationsdrucks erholen. Auch das massive Handelsbilanzdefizit, das 2022 zu beobachten war, dürfte sich aufgrund niedrigerer Importpreise verringern. In diesem Zusammenhang werden die wirtschaftlichen Aktivitäten der kosovarischen Diaspora in Form von Rücküberweisungen zur Finanzierung von Konsum und Importen sowie der Tourismus weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen lassen jedoch auch strukturelle Herausforderungen erkennen, die genau beobachtet und angegangen werden müssen. Neben dem niedrigen Niveau der öffentlichen Investitionen, das hohe Risiken für von öffentlichen Investitionen abhängigen Sektoren birgt, stechen in diesem Zusammenhang die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Energiesystem und Warenexporten hervor.
Dieser Newsletter basiert auf der vierten Ausgabe des Wirtschaftsausblicks.