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Carolin Busch

Krieg in der Ukraine: Ökonomischer Schock für Moldau

Für die moldauische Volkswirtschaft bedeutet der Krieg in der Ukraine einen erheblichen Schock.

  • Moldau
NL 70 | März - April 2022
Makroökonomische Analysen und Prognosen
Zusammenfassung

Die moldauische Wirtschaft wird durch den Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland stark beeinträchtigt werden. Die Exporte nach Russland werden aufgrund der unterbrochenen Transportkorridore vermutlich um 190 Mio. USD (1,6% des BIP) zurückgehen. Gerade die wichtigsten Exporte nach Russland, Äpfel und Medikamente, können nicht ohne weiteres auf andere Märkte umgelenkt werden.

Ein weiterer Wirkungskanal sind Rücküberweisungen, die für die moldauische Wirtschaft eine große Rolle spielen. Die Überweisungen aus Russland sind zwar rückläufig, machen aber mit 2,7% des BIP immer noch einen erheblichen Anteil aus. Wir erwarten, dass die Rücküberweisungen 2022 um 129 Mio. USD (1% des BIP) zurückgehen werden.

Darüber hinaus ist Moldau vollständig von russischen Gasimporten abhängig. Der Krieg birgt das Risiko einer Unterbrechung des Gastransits durch die Ukraine. In einem solchen Szenario könnte es in Moldau zu beträchtlichen Stromengpässen kommen.

Darüber hinaus hat der Krieg die Lebensmittel- und Energiepreise in die Höhe getrieben, was die ohnehin schon hohe Inflation in Moldau weiter anheizen wird. Die Geldpolitik muss daher straff bleiben, was wenig Spielraum für die Unterstützung der Wirtschaft lässt. Dies wiederum wird den Staatshaushalt weiter belasten, der bereits durch den Flüchtlingszustrom und die Kompensationszahlungen im Energiesektor belastet ist. Daher wird die finanzielle Unterstützung durch externe Partner eine Schlüsselrolle für Moldau spielen.

Einleitung

Die russische Invasion der Ukraine wird nicht nur auf die beteiligten Länder, sondern auch auf den Rest der Region erhebliche Auswirkungen haben. Aufgrund der massiven Sanktionen gegen Russland wird erwartet, dass die russische Wirtschaft 2022 um 10% schrumpft und die Inflation auf 20% steigt. Dies wird sich in mehrfacher Hinsicht auf die moldauische Wirtschaft auswirken: Sowohl die moldauischen Exporte nach Russland als auch die Rücküberweisungen aus Russland nach Moldau werden wahrscheinlich erheblich zurückgehen.

Unterbrechung der Exporte nach Russland

Im Jahr 2021 hatte Russland einen Anteil von rund 8,8% an den moldauischen Exporten, was das Land zu einem wichtigen Handelspartner macht. Die wichtigsten Exporte sind Agrarprodukte, besonders Äpfel, aber auch andere Früchte und Medikamente. Die Exporte in die Ukraine werden voraussichtlich ebenfalls unterbrochen werden, aber da sie nur einen geringen Teil der moldauischen Exporte ausmachen, konzentriert sich unsere Analyse auf Russland.

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Wir analysieren die Auswirkungen, die eine vollständige Unterbrechung der Exporte nach Russland auf die moldauische Wirtschaft haben würde. Auch wenn das Ausmaß der Exportunterbrechungen von der Dauer des Krieges abhängen wird, ist das Szenario einer vollständigen Unterbrechung angesichts des Mangels an praktikablen Transportrouten wahrscheinlich. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Verluste in diesem Szenario auf 190 Mio. USD oder 1,6% des BIP für 2022 belaufen würden. Dies beinhaltet einen vollständigen Verlust bei den Ausfuhren von Äpfeln und Medikamenten, den beiden wichtigsten Exportprodukten, die kurzfristig nicht auf andere Märkte umgelenkt werden können. Bei den Exporten von Pflaumen, Tafeltrauben und Kirschen wäre eine vollständige Umorientierung auf die EU möglich, insbesondere wenn die derzeitigen EU-Zollkontingente für diese Produkte erhöht würden.

Rückgang der Rücküberweisungen aus Russland

Rücküberweisungen sind ein wichtiger Faktor für die moldauische Wirtschaft und ein entscheidender Treiber des privaten Konsums. Obwohl der Anteil der Überweisungen aus Russland seit Jahren rückläufig ist, betrug er im Jahr 2020 immer noch rund 2,7% des BIP.

Rücküberweisungen aus Russland

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Wir schätzen, dass der Abschwung der russischen Wirtschaft und die Sanktionen gegen Russland die Überweisungen aus Russland nach Moldau 2022 um etwa 50% zurückgehen lassen könnten. Dies würde einen Gesamtrückgang der Rücküberweisungen um
129 Mio. USD oder 1% des BIP bedeuten.

Energieimporte aus Russland: ein Risikofaktor

Moldau ist in hohem Maße von Energieimporten abhängig. Besonders wichtig ist dabei Gas, das einen Anteil von 56% an der Energieversorgung hat und zu 100% aus Russland über die Ukraine importiert wird. Sollte der Gastransit durch die Ukraine aufgrund des Krieges unterbrochen werden, könnte Moldau Gas aus Rumänien importieren, wenn auch vermutlich zu höheren Preisen. Außerdem wären die Mengen nicht ausreichend für Verbrauchernachfrage und Stromerzeugung.

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Auch die Stromerzeugung ist von Gas abhängig. Strom wird derzeit zu 75% von dem in Transnistrien ansässigen MGRES Kraftwerk erzeugt. Aufgrund der Notfallsynchronisierung mit ENTSO-E am 16. März kann Moldau nun Strom nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Rumänien importieren, was die Stabilität des Systems erhöht. Falls jedoch die Gasversorgung unterbrochen würde, könnte es zu Stromengpässen kommen.

Zusätzlich zu diesen versorgungsbezogenen Risiken sind die weltweiten Öl- und Gaspreise seit Beginn des Krieges erheblich gestiegen. Aufgrund der Importabhängigkeit hat Moldau dadurch deutlich höhere Energiekosten zu tragen. Unter der Annahme, dass die Preise auf dem derzeitigen Niveau bleiben, schätzen wir, dass Moldau aufgrund des Anstiegs der Öl- und Gaspreise einen Zahlungsbilanzschock von 3,5% des BIP erleiden könnte.

Auswirkungen auf die Geld- und Fiskalpolitik

Diese negativen wirtschaftlichen Auswirkungen treffen Moldau in einer ohnehin schwierigen Zeit. Schon vor dem Krieg in der Ukraine lag die Inflation in Moldau im Februar 2022 mit 18,5% auf einem sehr hohen Niveau. Der Krieg hat zu einem weiteren Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise geführt. Da diese Posten einen großen Teil des moldauischen Warenkorbs ausmachen, dürfte der Inflationsdruck weiter zunehmen. Die Nationalbank hat daher ihre Inflationsprognose für 2022 auf 21,9% erhöht. In einem solchen Umfeld muss die Geldpolitik weiterhin straff bleiben, um die Inflation zu bekämpfen, und kann daher nicht zur Unterstützung der Wirtschaft eingesetzt werden.

Darüber hinaus wird die Aufrechterhaltung expansiver fiskalpolitischer Maßnahmen, wie die jüngsten Subventionen für höhere Energiepreise, schwieriger, da der Krieg den Haushalt belastet. Erstens wird die schwächere Wirtschaftsaktivität zu geringeren Einnahmen führen. Zweitens werden weitere Ausgaben im Zusammenhang mit der Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine erwartet. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, benötigt Moldau zusätzliche finanzielle Unterstützung von internationalen Partnern. Mehrere Geber, darunter der IWF, haben bereits zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Infolgedessen wird sich das Haushaltsdefizit der Republik Moldau im Jahr 2022 voraussichtlich auf 7,5% des BIP erhöhen.

Ausblick

Nach einer starken wirtschaftlichen Erholung im Jahr 2021 mit einem BIP-Wachstum von 13,9% wird die moldauische Wirtschaft durch den Krieg in der benachbarten Ukraine stark beeinträchtigt werden. Statt der vor dem Krieg prognostizierten Wachstumsrate von 4,5% wird Moldau voraussichtlich nur um 0,3% wachsen. Angesichts der derzeitigen Stagflation und des starken fiskalischen Drucks ist internationale Unterstützung dringend erforderlich.

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