Kräftiger Aufschwung im Kontext zahlreicher Risiken
Die belarussische Wirtschaft wuchs im Jahr 2023 trotz des Krieges in der Ukraine und westlicher Sanktionen um 3,9% z. Vj. Das Wachstum bei Investitionen sowie die Erholung des Binnenkonsums trugen zu einer insgesamt soliden Wirtschaftsleistung nach einem starken Einbruch im Jahr 2022 bei. Nach den neuesten verfügbaren Daten setzt Belarus seinen Wachstumskurs fort, indem sich das BIP-Wachstum im Q1-2024 auf 4,1% z. Vj. beschleunigte. Niedrige Inflation (5,8% z. Vj. in 2023) trug zu einem starken Reallohnwachstum (11,0% z. Vj.) bei und stützte das BIP-Wachstum im Jahr 2023.
Im Bereich Außenhandel waren im Jahr 2023 drei wichtige Entwicklungen zu beobachten: eine weiter wachsende Konzentration der belarussischen Exporte auf den russischen Markt, die wachsende Abhängigkeit von russischer logistischer Unterstützung bei den Exporten in nicht-sanktionierte Märkte und ein zunehmendes Ungleichgewicht im Handel, das zu einem Handelsdefizit führte. Trotz der starken Erholung im Jahr 2023 und eines robusten Starts im Jahr 2024 zeichnen sich mittel- und langfristig mehrere Risiken für die belarussische Wirtschaft ab, die das Wachstum im Jahr 2024 auf 2,4% bremsen werden.
Wirtschaftswachstum
Nach einer tiefen Rezession im Jahr 2022 wuchs die belarussische Wirtschaft im Jahr 2023 um 3,9% z. Vj. Das Wachstum wurde primär von Investitionen und privatem Konsum auf der Nachfrageseite und Industrieproduktion auf der Angebotsseite getragen. Die niedrige Vergleichsbasis des Jahres 2022, als die belarussische Wirtschaft um -4,7% einbrach, trug mit zu der starken Wirtschaftsleistung im darauffolgenden Jahr bei. Mit einem BIP-Wachstum von 4,1% z. Vj. im Q1-2024 scheint Belarus auf dem Wachstumspfad zu bleiben.
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Trotz der aktuellen positiven Entwicklungen erwartet der IWF eine Verlangsamung des BIP-Wachstums in den Jahren 2024 (2,4% z. Vj.) und 2025 (1,1% z. Vj.). Zu den Hauptgründen gehören die anhaltende Abhängigkeit von fiskalischen und monetären Stimuli anstelle von nachhaltigen Wachstumsfaktoren bei der Ankurbelung der Wirtschaft sowie der verbleibende Sanktionsdruck auf Belarus, der auch zahlreiche negative Sekundäreffekte auf frühere Schlüsselsektoren wie IKT und Transport und Logistik umfasst.
Sektorale Dynamik
Der Groß- und Einzelhandel (12,7% z. Vj.), das Baugewerbe (11,1% z. Vj.) und das verarbeitende Gewerbe (9,2% z. Vj.) waren die am schnellsten wachsenden Sektoren im Jahr 2023. Das Wachstum der Reallöhne wirkte sich positiv auf die Expansion des Groß- und Einzelhandels (und des Konsums) aus. Der Bausektor wurde von der Regierung aktiv bei der Entwicklung neuer Wohnungsbauprojekte unterstützt, darunter auch vollelektrischer Häuser im Kontext eines wachsenden Stromproduktionsüberschusses nach der Inbetriebnahme des zweiten Reaktors des Kernkraftwerks in Astravets. Das verarbeitende Gewerbe wurde durch den Aufschwung in der Ölverarbeitung sowie durch das stetige Produktionswachstum im Automobilsektor getragen.
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Landwirtschaft, Transport und Logistik sowie der IKT-Sektor blieben dagegen in der Rezession. Infolge der Verlagerung von IT-Firmen und Arbeitskräften vor allem nach Polen und in geringerem Maße nach Litauen schrumpfte der IKT-Sektor am stärksten (-14,2% z. Vj.) und blieb damit die Hauptbremse für das belarussische BIP.
Transport und Logistik, ein weiterer einstmals florierender Sektor in Belarus aufgrund seiner strategisch wichtigen Lage zwischen Russland, China und der EU, blieb ebenfalls in der Rezession und entwickelte sich sogar zu einem Bereich mit zusätzlicher Abhängigkeit von Russland.
Inflation und Löhne
Die seit Okt-22 durchgesetzten drastischen Preiskontrollen und die Stabilisierung des Wechselkurses haben dazu beigetragen, die Inflation von 12,8% z. Vj. im Jahr 2022 auf 5,8% z. Vj. im Jahr 2023 zu senken. Die niedrige Inflationsrate wirkte sich positiv auf die Reallohndynamik (11,0% z. Vj.) aus, die alle Wirtschaftssektoren betrifft.
Die belarussische Regierung will die Preisstabilität als Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik beibehalten und plant daher, auch im Jahr 2024 Preiskontrollen durchzuführen. Infolgedessen hat die belarussische Nationalbank ein Inflationsziel von höchstens 6,0% z. Vj. für das Jahr 2024 festgelegt. Der IWF geht jedoch davon aus, dass die Inflation aufgrund nachlassender Basiseffekte wieder anziehen wird und somit bis Ende dieses Jahres eine Rate von 6,8% z. Vj. erreicht.
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Entwicklungen im Außenhandel
Nach einem starken Rückgang des Außenhandels im Jahr 2022 sind sowohl die belarussischen Importe als auch die Exporte im Jahr 2023 wieder gewachsen. Aufgrund des starken Anstiegs der Importe (12,4% z. Vj.) bei zunehmender Inlandsnachfrage und Wirtschaftstätigkeit, und eines weniger starken Anstiegs der Exporte (4,7% z. Vj.) verzeichnete Belarus im Jahr 2023 ein Handelsdefizit von 2,4 Mrd. USD (3,3% des BIP).
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Die positive Entwicklung der belarussischen Exporte wurde durch die erfolgreiche Neuausrichtung des Handels mit den GUS-Ländern und insbesondere mit Russland vorangetrieben. Belarus ist es gelungen, einige der Nischen auf dem russischen Markt zu nutzen, die entstanden sind, nachdem westliche Unternehmen Russland aufgrund von Sanktionen und Compliance-Bedenken verlassen hatten. Die derzeitige Konzentration auf Exporte nach Russland birgt jedoch erhebliche Risiken für Belarus, darunter die direkte Abhängigkeit von den Entwicklungen auf dem russischen Markt, der von einer zunehmenden Konkurrenz durch chinesische und türkische Hersteller gekennzeichnet ist.
Darüber hinaus ist Belarus als Binnenland, das derzeit von der Exportinfrastruktur im Baltikum abgeschnitten ist, bei der Abwicklung seiner Exporte von wichtigen Waren wie Düngemitteln, petrochemischen Produkten und Produkten der holzverarbeitenden Industrie in nicht sanktionierte Märkte nun stark vom russischen Logistiknetz abhängig. Die Exporte dieser einst florierenden Produktgruppen werden durch die Sanktionen, aber auch durch die begrenzten physischen Kapazitäten des russischen Logistiknetzes behindert und verteuert.
Ausblick
Nach einem starken Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2022 erlebte die belarussische Wirtschaft im Jahr 2023 eine kräftige Erholung, die sich in Q1-2024 fortsetzte. Die aktuellen positiven Entwicklungen sollten jedoch vor dem Hintergrund der verbleibenden niedrigen Basiseffekte, der Abhängigkeit von Preiskontrollen zur Eindämmung der Inflation und der zunehmenden Abhängigkeit von Russland in den Bereichen Handel und Logistik betrachtet werden. All diese Aspekte, zusammen mit dem anhaltenden Rückgang des einstmals florierenden IKT-Sektors, stellen große Risikofaktoren für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Belarus in diesem und im kommenden Jahr dar.
Dieser Newsletter basiert auf der in Kürze erscheinenden 19. Ausgabe des Wirtschaftsausblicks Belarus.