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Daniel Müller, Florian Schierhorn, Iliriana Miftari

Kosovo’s AFOLU Sektor: großes Potenzial für Emissionsminderung

Der AFOLU-Sektor (Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung) spielt eine Schlüsselrolle für die kosovarische Wirtschaft. Er ist eine Grundlage für Einkommen in ländlichen Regionen und stellt wichtige Ökosystemdienstleistungen bereit. Außerdem hat der Sektor ein hohes Potenzial zur Erreichung der Emissionsreduktionsziele des Landes beizutragen. Um die dem AFOLU-Sektor zuzuschreibenden Emissionen zu quantifizieren und erfolgsversprechende politische Maßnahmen zur Emissionsreduktion zu identifizieren, erstellte das German Economic Team eine nationale THG-Emissionsinventur.

  • Kosovo
NL 11 | Mai - Juni 2023
Agrarsektor und Ernährungswirtschaft
Energie und Klima

Deren Ergebnisse zeigen, dass der Sektor ein hohes Potenzial hat, zur Emissionsreduktion in Kosovo beizutragen. In sektoralen Gesetzen und Strategien bereits beschlossene Maßnahmen können die AFOLU-Senke weiter vergrößern. Darüber hinaus können insbesondere durch zusätzliche politische Maßnahmen im Forstsektor wesentlich höhere Emissionsreduzierungen erreicht werden.

Der AFOLU-Sektor in Kosovo

Der AFOLU-Sektor in Kosovo umfasst landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Tätigkeiten sowie sonstige Landnutzung, die eine wichtige Rolle in der Wirtschaft des Landes spielen: Die Landwirtschaft ist eine wichtige Einkommensquelle für ländliche Gemeinschaften, während die Forstwirtschaft wichtige Ökosystemleistungen wie z.B. Brennholz erbringt. Allerdings gefährden Herausforderungen wie z.B. Bodendegradation, Abwanderung aus ländlichen Gebieten und veraltete Anbaumethoden die langfristige Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit der Landwirtschaft. Somit stellt sich auch die Frage nach der aktuellen und künftigen Rolle des AFOLU-Sektors in Kosovo beim angestrebten Übergang des Landes zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.

THG-Emissionsinventar nach IPCC-Leitlinien

Um eine quantitative Grundlage für die Berechnung von Emissionsminderungspotenzialen zu schaffen, berechnete das Team die nationalen AFOLU-Emissionen anhand der in den IPCC-Leitlinien für nationale Treibhausgas (THG) Inventare von 2006 dargelegten Methoden. Um die sektoralen THG-Emissionen aus Landnutzung, landwirtschaftlichen Praktiken und Wäldern für das Basisjahr zu ermitteln, stützten wir uns auf offizielle statistische Daten. Auch die letzte nationale Waldinventur aus dem Jahr 2012 wurde zur Quantifizierung der Emissionen im Forstsektor verwendet, da eine Aktualisierung des Waldinventars zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch ausstand. Um die AFOLU-Emissionen bis 2030 zu prognostizieren, nutzten wir Regierungsstrategien und politische Dokumente und diskutierten mit lokalen Interessengruppen in Ministerien, Geberorganisationen und NGOs. Anhand dieser Informationen errechneten wir die Auswirkungen bestehender Politikmaßnahmen (WEM) auf die AFOLU-Emissionen bis 2030. Außerdem entwickelten wir ein Szenario mit zusätzlichen politischen Maßnahmen (WAM), um ehrgeizigere Optionen für die Emissionsreduktion bis 2030 zu ermitteln.

Wälder von grundlegender Bedeutung für CO2-Senke

Die Ergebnisse zeigen, dass das Wachstum der Biomasse in bewaldeten Gebieten den wichtigsten Beitrag zur THG-Senke im AFOLU-Sektor leistet. Der in den Wäldern Kosovos gebundene Kohlenstoff überkompensiert die Emissionen aus der Vieh- und Pflanzenproduktion. Insgesamt haben die Wälder im Jahr 2021 fast 3.000 Gigagramm Kohlendioxid-Äquivalente (Gg CO2äq) gebunden, trotz der Emissionen von fast 2.000 Gg CO2äq, die durch die Entnahme von Biomasse für Brennholz, der wichtigsten Energiequelle zum Heizen und Kochen in den meisten ländlichen Gebieten von Kosovo, verursacht wurden. Waldbrände, von denen 2021 rund 2.650 Hektar betroffen waren, verursachten weitere 170 Gg Co2äq. Methan (CH4)-Emissionen, die bei der Verdauung von Wiederkäuern, vor allem Rindern, entstehen, sind die Hauptemissionsquelle des kosovarischen Agrarsektors, gefolgt von Lachgas (N2O)-Emissionen, die vor allem durch den Einsatz von Stickstoffdüngern entstehen.

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 AFOLU’s Potential für Emissionsminderung

Insgesamt entzog der AFOLU-Sektor der Atmosphäre im Jahr 2021 etwa 51 Gg CO2äq, während sich die gesamten THG-Emissionen auf 8.916 Gg CO2äq beliefen. Im WEM-Szenario erhöhte sich die Senke auf 407 Gg CO2äq, verglichen mit einem nationalen Gesamtwert von 6.829 Gg CO2äq. Im WAM könnte die Senke auf 1.045 Gg CO2äq anwachsen, bei 5.772 Gg CO2äq nationalen Gesamtemissionen. AFOLU kann somit Wesentliches zu den nationalen Emissionsreduktionszielen beitragen. Die Vergrößerung der AFOLU-Senke im WEM- und WAM-Szenario für 2030 ist hauptsächlich auf die erhöhte Biomassespeicherung in Wäldern zurückzuführen. Gründe hierfür sind der Rückgang des Brennholzverbrauchs aufgrund des prognostizierten Rückgangs der Landbevölkerung und der erwarteten partiellen Umstellung auf alternative Energiequellen. Mit zusätzlichen Maßnahmen (WAM) könnte die CO2-Senke erheblich vergrößert werden. Bspw. könnten politische Maßnahmen, die eine weitere Verringerung des Brennholzverbrauchs fördern, im Vergleich zum WEM-Szenario ein stärkeres Nachwachsen von Biomasse in bewaldeten Gebieten ermöglichen. Eine Reduktion der von Waldbränden betroffenen Flächen, z.B. durch waldbauliche Verbesserungen, und Anreize zur Verringerung der Anzahl von Nutztieren tragen zur Emissionsreduzierung und damit zu einer größeren Senke im WAM-Szenario bei.

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Maßnahmen mit Fokus auf Forstsektor erforderlich

Die Umsetzung wirksamer Politikmaßnahmen im AFOLU-Sektor kann zu einer deutlich größeren CO2-Senke beitragen. Die folgenden Maßnahmen haben wir als besonders vielversprechend identifiziert: Die Förderung effizienter Koch- und Heizöfen, die Verhinderung unkontrollierter Beschaffung von Brennholz und die verstärkte Nutzung emissionsarmer Brennstoffe (z. B. Flüssiggas und Pellets). Diese Maßnahmen verringern die Nachfrage und damit auch die Entnahme von Brennholz, dem Hauptfaktor für Emissionen im AFOLU-Sektor. Zu den wichtigsten Engpässen bei der Vergrößerung der Kohlenstoffsenke im WAM gehören Budgetbeschränkungen für die Waldentwicklung, ein Rückgang der Einschreibungen in die forstliche Ausbildung, ein Mangel an technischen Fähigkeiten und Arbeitskräften sowie wenig Forschungsaktivitäten in der Forstwirtschaft. Die Umsetzung waldbaulicher Verbesserungen in den Wäldern stellt daher eine zentrale Herausforderung für die Nutzung des forstwirtschaftlichen Potenzials dar. Beschränkungen bei Verfügbarkeit und Qualität statistischer Daten, z.B. längerer Zeitreihen und subnationaler Daten, schränken Tiefe und Detailliertheit der Analyse ein. Räumlich detaillierte Daten über Veränderungen in land- und forstwirtschaftlicher Flächennutzung, z.B. mittels Erdbeobachtung, sind nicht verfügbar, was eine feinräumige Bewertung der Flächennutzungsemissionen einschränkt. Nicht vorhandene länderspezifischen Emissionsfaktoren schränken die Simulationen auf regionale oder globale Standardwerte ein, wodurch sich unsere Ergebnisse auf die nationale Ebene beschränken. Ohne subnationale räumliche Variationen sind lokal ausgerichtete Maßnahmen nur schwer umsetzbar.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der AFOLU-Sektor über großes Potenzial verfügt, zu Kosovo‘s Emissionsreduktionszielen beizutragen. Verschiedene Maßnahmen können helfen, die Ziele mit vergleichsweise geringem Aufwand zu erreichen und gleichzeitig positive Nebeneffekte zu erzielen, etwa für ländliche Einkommen, Lebensbedingungen und die Umwelt. Die Verringerung des Brennholzverbrauchs durch effizientere Öfen oder sauberere Energiequellen senkt bspw. nicht nur Emissionen, sondern verringert auch Luftverschmutzung in Innenräumen und setzt ländliche Arbeitskräfte für andere Tätigkeiten frei. Die Förderung der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion kann zu einer Win-Win-Situation führen, indem höhere Erträge und eine größere Rentabilität erzielt werden, gleichzeitig aber die Importabhängigkeit und die THG-Emissionen verringert werden. Die Verbesserung der Vegetationsbedeckung durch effizientes Rückstandsmanagement auf Ackerland, geringere Bodenbearbeitung und weite Fruchtfolgen verbessert die Kohlenstoffspeicherung im Boden und in der Vegetation, erhöht die Bodenfruchtbarkeit und den Wasserrückhalt im Boden, verringert die Erosion und erhöht somit Ernteerträge. Diese „low hanging fruits“ sollten bevorzugte politischen Optionen sein. Künftige agrarpolitische Programme sollten Landwirten Anreize bieten, z.B. durch nachhaltige Intensivierungsstrategien positive externe Effekte zu erzeugen und somit den Beitrag des Agrarsektors zur Erreichung der Emissionsminderungsziele zu erhöhen. Dies wird Kosovo wirtschaftlich zugutekommen und zur Entkopplung von wirtschaftlichem Nutzen und THG-Emissionen beitragen.

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Bild: ©Miha Creative-stock.adobe.com

Dieser Newsletter basiert auf der Technical Note “National Energy and Climate Plan (NECP) of the Republic of Kosovo: The AFOLU sector”