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Dr. Hans Janus, Garry Poluschkin

Investitionsversicherungen in der Ukraine brauchen neue Ansätze

Investitionsversicherungen sind bewährte Instrumente zur Förderung und zum Schutz von Investitionen, sie sind aber auf die Deckung politischer Risiken beschränkt. Die ukrainische Wirtschaft erfordert jedoch neue Ansätze, um Investitionen anzulocken. Sowohl während des Krieges als auch während des Wiederaufbaus wird die Ukraine private Investitionen benötigen, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Produktivitätssteigerungen und einen grünen Wiederaufbau zu fördern. Dabei sind zwei Aspekte für die Ukraine und ihre Partnerländer von Bedeutung.

  • Ukraine
NL 168 | Oktober 2022
Entwicklung des Privatsektors

Erstens erhöht eine ehrgeizige rechtsstaatliche Reformagenda, die mit dem EU-Beitritt einhergehen kann, die Attraktivität für Investitionen. Zweitens wird das Sicherheitsrisiko auch nach Beendigung des Krieges nicht vollständig beseitigt sein. Daher werden Investitionen von Reformen und den verfügbaren Versicherungssystemen abhängen. Existierende Garantieoptionen reichen nicht aus, um in Zukunft private Investitionen in der Ukraine zu fördern. Aus diesem Grund sind Überlegungen zur Erweiterung von Optionen und zur Entwicklung neuer Ansätze gefragt.

Verfügbare Optionen für Investitionsversicherungen

Das rein kommerzielle Risiko ist generell ein Unternehmerisches, das nicht von einem Versicherer übernommen werden kann. Es gibt jedoch verschiedene öffentliche Institutionen wie Exportkreditagenturen, Export-Import-Banken und multilaterale Agenturen, die eine Versicherung für politische Risiken anbieten. Auch spezialisierte private Investitionsversicherer sind in diesen Markt eingetreten. Gedeckt werden dabei Enteignung, Zahlungsembargo oder Moratorium, Währungs- und Transferrisiko, Vertragsbruch sowie Krieg und zivile Unruhen, allerdings deckt der letzte Tatbestand zumeist ausschließlich kriegsbedingten Voll- oder Quasi-Vollverlust der Investition ab. Es besteht damit eine immense Lücke in der Versicherbarkeit von Produktionsunterbrechungen und Vermögenswerten gegen Zerstörungen, die durch einen Krieg ausgelöst werden.

Inländische Optionen

In verschiedenen Ländern wurden Vorschläge zur Absicherung von Investitionen gegen inländische politische Risiken betrachtet. Ein solches Versicherungskonzept könnte als eine Versicherung gegen „sich selbst“ bezeichnet werden. Das einzig existierende Beispiel ist der Iran. Das größte Problem bei dieser Art von Versicherungen ist das fehlende Vertrauen der Investoren in Systeme, die vom Gastland kontrolliert werden. Die ukrainische Exportkreditagentur ist nur berechtigt, Investitionen im Ausland zu versichern, nicht aber im Inland, und ist außerdem aufgrund geringen Eigenkapitals sowie dem verschlechterten Länderrating in ihrer Tätigkeitsausübung begrenzt. Generell ist in der Ukraine bei der derzeitigen Finanz- und Haushaltslage jede Art inländischer finanzieller Absicherung von Investitionen unmöglich. Die einzig mögliche Quelle für Investitionsversicherungen während des Krieges und – realistischer – in der Zeit des Wiederaufbaus sind ausländische Investitionsversicherungen. Es ist jedoch fraglich, ob bestehende Produkte den Herausforderungen gerecht werden.

Bilaterale und multilaterale Optionen

Die meisten Anbieter von Investitionsversicherungen verlangen bilaterale Investitionsschutzabkommen (BIT) oder ein gleichwertiges Schutzniveau durch das nationale Rechtssystem des Gastlandes. Die Ukraine verfügt über ein breites Netz von etwa 65 BITs und mehrere weitere, die unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert wurden. Alle für die Ukraine relevanten Investorenländer sind vertreten. Gewöhnlich umfasst die Investitionsversicherung Enteignung, Zahlungsembargo oder Moratorium, Währungs- und Transferrisiko, Vertragsbruch sowie Krieg und zivile Unruhen, jedoch nicht kriegsbedingte partielle Betriebsunterbrechungen. Die Laufzeit beträgt in der Regel bis zu 15 Jahre, und zusätzlich zu den Bearbeitungsgebühren ist eine jährliche Prämie zu entrichten, generell als jährlicher Prozentsatz des investierten und gedeckten Betrags (z. B. 0,5% p.a.). Zwischen Deutschland und der Ukraine besteht ein solches BIT, allerdings (noch) nicht zwischen der EU und der Ukraine. Bis die EU ein solches Abkommen abschließt, bleiben die bestehenden BITs der Mitgliedstaaten in Kraft.

Multilaterale Anbieter wie die Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) als Teil der Weltbankgruppe oder die African Trade Insurance (ATI), die sich auf afrikanische Mitgliedsstaaten konzentriert, haben in den letzten Jahren von steigender Nachfrage profitiert. Sie bieten ähnliche Produkte an, die jedoch einzeln oder als Gesamtpaket ausgewählt werden können, wodurch das Angebot flexibler und kundenorientierter zugeschnitten ist als bilateralen Systeme europäischer Länder.

Private Versicherer gegen politische Investitionsrisiken

Auch die Rolle privater Versicherer, meist aus angelsächsischen Ländern, ist in den letzten 10 bis 20 Jahren gestiegen. Sie decken in der Regel die gleichen Risiken ab, ihr Ansatz ist ebenfalls flexibler und kundenorientierter. Die wachsende Rolle privater Anbieter folgt der von in diesem Bereich aktiven Versicherungsmarklern und einer wachsenden Risikobereitschaft globaler Rückversicherer.

Private Unternehmensversicherer

Die Nachfrage nach Versicherungsschutz für Kriegsrisiken wird derzeit nicht durch entsprechende Angebote privater Unternehmensversicherer befriedigt. Versicherer von Sach-, Betriebs-, Transportrisiken usw. sehen kriegsbedingte Schadensrisiken als unkalkulierbar, unkontrollierbar und damit nicht versicherbar an. Die Versicherungsprämien müssten extrem hoch sein, was das Produkt sowohl für Versicherer als auch für die Kunden vollkommen unattraktiv machen würde.

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Basierend auf Vereinbarungen auf dem Londoner Versicherungsmarkt in den 1930er Jahren sind bis heute Schäden, die direkt oder indirekt durch Kriegshandlungen verursacht werden, in allen relevanten Produkten der privaten Unternehmensversicherung von der Deckung ausgeschlossen. Eine teilweise Ausnahme besteht nur in der See- und Luftfahrtversicherung.

Versicherungslösungen für die Ukraine

Der Privatsektor spielt die zentrale Rolle in der ukrainischen Wirtschaft und machte 2020 79% der Bruttowertschöpfung, 76% der Beschäftigung und 65% der Investitionen aus. Somit werden private Investitionen eine entscheidende Rolle für die zukünftige Wirtschaftserholung und den Wiederaufbau spielen. Die Attrahierung von privaten Investitionen werden jedoch Versicherungslösungen erfordern. Die Ukraine hat in ihrem nationalen Wiederaufbauplan von Lugano dargelegt, dass sich der Bedarf an Investitionsversicherungen für Kriegsrisiken im Jahr 2022 auf etwa 500 Mio. USD und zwischen 2022 und 2032 auf ca. 3 Mrd. USD belaufen wird. Auch die EU hat in ihrem strategischen Wiederaufbauplan ‚RebuildUkraine‘ die Bedeutung von Investitionsversicherungen als Ergänzung zu öffentlichen Finanzhilfen hervorgehoben. Treten kriegsbedingte Schäden auf, die potenziell durch eine staatliche Investitionsgarantie oder eine private Versicherung gedeckt sind, müssen die Versicherer bisher im Einzelfall entscheiden, ob diese Schäden tatsächlich durch die Investitionsgarantien gedeckt sind. Eine grundsätzliche Lösung in der Versicherbarkeit wird sich nicht so einfach finden lassen, wenn der Krieg beendet ist und der Wiederaufbau beginnt.

Ausblick

Weder öffentliche noch private Versicherungen schützen Investitionen ausreichend gegen partielle Produktionsunterbrechungen oder Sachschäden durch Kriegshandlungen. Erweiterungsoptionen öffentlicher Institutionen können beispielsweise beschleunigte Entscheidungsprozesse oder Risikopooling zwischen Ländern enthalten, während private Versicherer durch die Aufnahme von kriegsbedingten Produktionsunterbrechungen zur Erweiterung beitragen können.

Was die Herausforderungen für den Wiederaufbau der Ukraine betrifft, so ist die Entwicklung neuer Instrumente von Bedeutung. Möglicherweise gibt es Optionen für koordinierte Maßnahmen oder Partnerschaften zwischen privaten Versicherungsunternehmen und Anbietern staatlicher Investitionsgarantien, eine Art Public-Private Partnership. Praktische Erfahrungen gibt es jedoch kaum. Solche Optionen können z.B. die Senkung der Versicherungsprämien und die Einbeziehung von Kriegsrisiken durch private Anbieter enthalten, die mit staatlicher Unterstützung gesichert werden. Eine weitere Option kann sich auf gezieltere und gut koordinierte öffentliche Systeme mit Risikopooling (z. B. innerhalb der EU) einschließlich privater Rückversicherung konzentrieren. Dennoch bleiben viele Fragen offen.

Alles in allem kann die Entwicklung von Public-Private Partnership in diesem Bereich eine wichtige wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine während des Krieges, der wirtschaftlichen Erholung und während des Wiederaufbaus darstellen.

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Dieser Newsletter basiert auf dem Policy Paper „Investment insurance for Ukraine: Enlarging the options“.