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Felix Schwickert

Implikationen des ersten Kreditratings für Kosovo

Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes hat Kosovo ein Kreditrating erhalten. Die Ratingagentur Fitch hat dem Land im April dieses Jahres ein Emittentenrisiko-Rating (ERR) von BB- zugewiesen. Zuvor war Kosovo das einzige Land des West-Balkans ohne ein solches Rating, weshalb seine Erlangung einen wichtigen Meilenstein darstellt. Die Einstufung (BB-) ist wenig überraschend und unterscheidet sich nicht stark von den Ratings anderer West-Balkanländer. Nichtsdestotrotz enthält das Rating wichtige Implikationen.

  • Kosovo
NL 18 | Juli - August 2024
Finanzmärkte

Durch die Bewertung und Analyse verschiedener relevanter Aspekte der Wirtschaft und Verwaltung Kosovos reduziert das Kreditrating die Unsicherheit für Investoren. Dies erleichtert die Aufnahme neuer Schulden bei internationalen Finanzinstitutionen und senkt die Kosten für die Kreditaufnahme auf den internationalen Handelsmärkten. Obwohl es derzeit keine Pläne gibt, internationale Kredit-Märkte zu erschließen, bietet das Rating dem Land so mittelfristig zusätzliche fiskalische Flexibilität. Darüber hinaus trägt es zur Entwicklung des Finanzsektors in Kosovo bei und erleichtert die Anziehung ausländischer Direktinvestitionen (ADI).

Einleitung

Am 19. April dieses Jahres erhielt Kosovo nach einer entsprechenden Anfrage sein erstes Kreditrating. Fitch Ratings hat dem Land ein Emittentenrisiko-Rating für langfristige Titel in Fremdwährung (LTFC) von ‚BB-‚ mit stabilem Ausblick zugewiesen.

Dieser Newsletter erklärt, was das Rating bedeutet und welche Implikationen es mit sich bringt.

Emittentenrisiko-Ratings (ERR)

ERRs sind zukunftsorientierte Einschätzungen/Meinungen über die Wahrscheinlichkeit, dass ein Emittent von Wertpapieren in Zahlungsverzug gerät. Sie beziehen sich also nicht auf ein spezifisches Wertpapier, sondern auf einen Wertpapieremittenten, in diesem Fall die Republik Kosovo. Anstatt eine prozentuale Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls anzugeben, geben die Einstufungen im Rahmen eines ERRs Aufschluss über die relative Bonität eines Emittenten im Vergleich zu anderen Wertpapieremittenten.

Implikationen eines Ratings

Dass Kosovo nun über ein Kreditrating verfügt, bringt im Wesentlichen drei Implikationen für das Land mit sich. Erstens verbessert das Rating die Bedingungen für die Aufnahme von Schulden auf internationalen Handelsmärkten und erhöht damit die fiskalische Flexibilität.

Zweitens kann das Rating zur Entwicklung des Finanzsektors in Kosovo beitragen. Und nicht zuletzt ist zu erwarten, dass es durch das Rating einfacher für Kosovo wird, ausländische Direktinvestitionen (ADI) anzuziehen.

Zugang zu internationalen Kapitalmärkten

Es wird dringend empfohlen, vor der Ausgabe von Wertpapieren auf internationalen Handelsmärkten ein ERR anzufragen, da dies die Konditionen für die Ausgabe erheblich verbessert, wie zahlreiche Studien gezeigt haben.

Wertpapiere von Emittenten mit ERR werden in der Regel stärker nachgefragt als solche von Emittenten ohne ERR. Viele institutionelle Investoren haben Richtlinien, die es ihren Fondsmanagern untersagen, in Wertpapiere von unbewerteten Emittenten zu investieren.

Jene Investoren die Wertpapiere von unbewerteten Emittenten zeichnen, verlangen dafür in der Regel eine höhere Risikoprämie als für Wertpapiere von bewerteten Emittenten, um für die Inkaufnahme einer schlechteren Informationsgrundlage kompensiert zu werden.

Bisherige Schuldenstruktur

Da Kosovo bisher über kein Kreditrating verfügte, stützte sich das Land hauptsächlich auf Staatsanleihen für inländische Investoren, die 57% der Bestandsschulden im Jahr 2023 ausmachten. Die zweitgrößte Quelle für Fremdkapital sind Kredite von multilateralen Gläubigern (38% im Jahr 2023), hauptsächlich von der Weltbank.

Interessanterweise ist auch die kosovarische Diaspora eine Quelle für die Kreditaufnahme, wenn auch bisher von geringer Bedeutung. Auswanderer können in ihr Herkunftsland investieren, indem sie sogenannte Diaspora-Anleihen kaufen, die ausschließlich für im Ausland lebende kosovarische Staatsbürger erhältlich sind.

Kosovos Staatsanleihen für inländische Investoren werden von der Kosovarischen Zentralbank (CBK) im Auftrag des Finanzministeriums ausgegeben. Sie werden regelmäßig über Primärauktionen emittiert und hauptsächlich von lokalen Banken, dem Kosovo Pension Savings Trust und der Zentralbank selbst gehalten.

Größere Fiskalische Flexibilität

Laut dem IWF hat die kosovarische Regierung derzeit keine konkreten Pläne, Wertpapiere auf internationalen Märkten auszugeben. Dies ist wenig überraschend, da der inländische Markt bisher sehr günstige Kreditkonditionen ermöglicht hat. Die Renditen von Kosovos inländischen Anleihen sind deutlich niedriger als das, was internationale Investoren wahrscheinlich akzeptieren würden, geschätzt auf Grundlage der Renditen von Anleihen ähnlich bewerteter Länder, wie Albanien.

Dennoch schränkt die ausschließliche Abhängigkeit von inländischen Kreditgebern und internationalen Finanzinstitutionen Kosovos fiskalische Flexibilität langfristig ein. Die Schuldenquote des Landes ist im internationalen Vergleich sehr niedrig und lag im Jahr 2023 bei 17,4% des BIP. Dies liegt deutlich unter der gesetzlichen Obergrenze von 40 % des BIP, die sich das Land selbst gesetzt hat. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die inländische Nachfrage nach Staatsanleihen möglicherweise keine höheren Schuldenniveaus zulässt. Laut dem IWF ist es unwahrscheinlich, dass lokale Banken und der Kosovo Pension Savings Trust über ausreichende zusätzliche Nachfrage nach kosovarischen Staatsanleihen verfügen, um signifikant höhere öffentliche Schuldenniveaus zu ermöglichen.

Darüber hinaus erfordern viele internationale Finanzinstitutionen ein ERR, um größere Kredite zu genehmigen, was eine weitere Einschränkung der fiskalischen Flexibilität darstellt. Das neu erhaltene Kreditrating trägt dazu bei, beide fiskalischen Beschränkungen zu lockern.

Entwicklung des Finanzsektors

Eine weitere wichtige Implikation des neuen Kreditratings betrifft die Entwicklung des Finanzsektors in Kosovo.

Das Rating kann die Fähigkeit lokaler Finanzinstitute zur Finanzierung kosovarischer Unternehmen stärken. Erstens verbessert das neue Rating den Zugang kosovarischer Finanzinstitute zu internationalen Handelsmärkten, indem es die Informationsgrundlage für Investoren verbessert. Daher sind inländische Banken durch das neue Rating besser in der Lage eigene Wertpapiere international zu emittieren. Dies kann ihnen die notwendigen Mittel verschaffen, um die Finanzierung lokaler Unternehmen zu erhöhen.

Wenn der kosovarische Staat seine Gläubigerbasis diversifiziert, indem er Schulden international aufnimmt, wird er weniger auf Kredite von lokalen Finanzinstituten angewiesen sein. Eine verringerte Nachfrage seitens der Regierung schafft ebenfalls Anreize für heimische Kreditinstitute, ihre Kredite an lokale Unternehmen zu erhöhen. Entsprechend haben Luitel und Vanpée (2018) festgestellt, dass sich das Anlageportfolio lokaler Banken in der Regel in Folge eines staatlichen Kreditratings verändert. Im Schnitt vergeben Banken im Anschluss mehr Kredite an lokale Unternehmen.

Anziehung ausländischer Direktinvestitionen (ADI)

Eine weitere Erkenntnis von Luitel und Vanpée ist, dass der Erhalt eines Kreditratings typischerweise die ADI-Zuflüsse in das neubewertete Land erhöht. Ratings beziehen sich zwar ausschließlich auf die Fähigkeit und den Willen eines Landes Verpflichtungen gegenüber Gläubigern zu erfüllen, stellen aber trotzdem eine wichtige Informationsquelle für Direktinvestoren dar. Ratingagenturen prüfen viele Aspekte der Wirtschaft eines Landes, die auch für direkte Investitionen relevant sind. Unter anderem bieten Kreditratings eine unabhängige und übersichtliche Bewertung der Regierungsführung, der fiskalischen Lage und der Wachstumsaussichten eines Landes. Ein Rating als Referenzpunkt erleichtert somit die Entscheidungsfindung für potenzielle Investoren.

Das Rating im regionalen Vergleich

Wie bereits erwähnt, ordnen ERRs Emittenten ordinal im Vergleich zu anderen Emittenten ein. Mit dem BB- Rating betrachtet Fitch Kosovo als ein Land mit „erhöhter Anfälligkeit für Ausfallrisiken, insbesondere bei negativen Veränderungen der Geschäfts- oder Wirtschaftslage im Laufe der Zeit“.

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Die Bewertungen von Kosovos Nachbarstaaten auf dem Westbalkan unterscheiden sich nur geringfügig von der Kosovos. Insbesondere die Bonität Kosovos und Albaniens wird sehr ähnlich bewertet. Das Ausfallrisiko beider Länder gilt als etwas höher als das von Serbien und Nordmazedonien, und als etwas niedriger als das von Bosnien und Herzegowina und Montenegro.

Das Kreditrating Kosovos bringt somit für Kenner seiner Wirtschaft keine Überraschungen. Nichtsdestotrotz ist es für das Land vorteilhaft ein solches Rating zu haben.

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