Grüner Wasserstoff in Armenien: Chancen und Herausforderungen
Armeniens bedeutendes Solarpotenzial und seine wirtschaftlichen Entwicklungsbestrebungen haben zu Diskussionen über die Möglichkeit der Produktion von grünem Wasserstoff im Land geführt. Das German Economic Team hat dies untersucht, sowie mögliche nachgelagerte Verwendungszwecke und Exportwege bewertet. Insgesamt würden sich die Gestehungskosten von grünem Wasserstoff in Armenien auf 3,4 USD/kg belaufen, was für eine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene spricht – insbesondere unter Berücksichtigung günstiger Zinssätze für den Bau von Solar-PV-Anlagen und Elektrolyseuren.
Es gibt jedoch zwei Hauptaspekte, welche die Attraktivität von grünem Wasserstoff in Armenien verringern. Erstens existieren derzeit kaum Anwendungsbereiche für die inländische Nutzung von grünem Wasserstoff. Angesichts der Wirtschaftsstruktur von Armenien könnte Potenzial in der Kupferschmelze und Düngemittelherstellung bestehen. Derzeit sind beide Sektoren jedoch nicht in Betrieb. Zweitens stellen Armeniens Binnenlage, sowie der derzeit schwierige regionale Kontext, Herausforderungen für den Export von grünem Wasserstoff nach Europa dar. Trotzdem könnte das Potenzial von grünem Wasserstoff in Armenien durch regionale Zusammenarbeit sowohl bei der industriellen Nutzung als auch beim gemeinsamen Aufbau einer Exportinfrastruktur verbessert werden.
Armenien verfügt über ein bedeutendes Solarpotenzial
Armenien verfügt im Westen des Landes über ein erhebliches Potenzial an Sonneneinstrahlung. Daher hat die armenische Regierung Pläne aufgestellt, um bis 2030 mehr als 1000 MW an installierter Photovoltaik Kapazität zu erreichen, was 15% der gesamten Stromerzeugung ausmachen würde. Der Ausbau erfolgt schnell: 2022 waren bereits fast 45% des Ziels erreicht und auch dieses Jahr werden neue Anlagen in Betrieb genommen.
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Am aktuelle Rand hat das hohe Solarpotenzial Armeniens auch Diskussionen über die Möglichkeit des Aufbaus eines einheimischen Sektors für grünen Wasserstoff angestoßen, der sowohl für die Dekarbonisierung der Wirtschaft als auch für den Export nach Europa genutzt werden könnte. Für letzteres stellt vor allem das von der EU angekündigte Importziel von 10 Mio. Tonnen bis 2030 eine bedeutende kommerzielle Chance dar.
Potenzial von grünem Wasserstoff in Armenien
Angesichts des steigenden Interesses und der Relevanz des Themas hat das German Economic Team eine wirtschaftliche Berechnung der Produktionskosten von grünem Wasserstoff in Armenien durchgeführt und sowohl das inländische Nutzungspotenzial in mehreren Sektoren als auch die Exportfähigkeit bewertet. Die Analyse wurde mit einem eigens entwickelten Modell für die Gestehungskosten der Produktion von grünem Wasserstoff durchgeführt, das einen netzunabhängigen Wasserstoff-Elektrolyseur mit eigenem Solar-PV-Park simuliert.
Aufgrund der hohen Bedeutung, die der Produktion von grünem Wasserstoff weltweit beigemessen wird, wurde in der Modellierung ein Zinssatz von 2% angenommen, der die Fähigkeit Armeniens widerspiegelt, sich günstige Zinssätze für Kredite zu sichern. Die Kosten und die Verfügbarkeit von Wasser wurden bei den Berechnungen nicht berücksichtigt. Andere Stromquellen, einschließlich Netzstrom und Kernkraft, wurden in Betracht gezogen, jedoch nicht weiter untersucht.
Produktionskosten auf wettbewerbsfähigem Niveau
Unter Berücksichtigung der Spezifikationen belaufen sich die Gestehungskosten für die Produktion von grünem Wasserstoff in Armenien auf 3,4 USD/kg. Strom für den Elektrolyseur stellt dabei den Großteil der Kosten dar. Im Vergleich zu anderen potenziellen Produzenten (u.a. Spanien und Kasachstan) steht Armenien damit aufgrund seines hohen Solarpotenzials gut da.
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Die geringen Produktionskosten von grünem Wasserstoff in Armenien lassen durchaus auf eine internationale Wettbewerbsfähigkeit schließen. Jedoch müssen auch das inländische Potenzial der Nutzung sowie das Exportpotenzial bewertet werden.
Bisher wenige Bereiche für inländische Nutzung
Nach einer Analyse des armenischen Wirtschaftskontextes wurden drei potenzielle Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff identifiziert und bewertet: i) Kupferschmelze, ii) Düngemittelproduktion auf Ammoniakbasis und iii) der Transportsektor. Diese drei Bereiche sind sicherlich nicht allumfassend, stellen jedoch einige der wichtigsten potenziellen Anwendungen dar.
Die alte Kupferschmelze in Alaverdi ist geschlossen. Derzeit werden Machbarkeitsstudien für den Bau einer neuen Schmelze durchgeführt, die theoretisch grünen Wasserstoff anstelle von Gas verwenden könnte. Die Kapazität der Schmelze und deren potenzieller Bedarf an Wasserstoff sind jedoch noch unklar. Darüber hinaus könnten die Skaleneffekte der Schmelze möglicherweise nicht wettbewerbsfähig genug sein, weshalb ihre Kapazität allein eventuell zu gering wäre, um eine Wasserstoffproduktion im Inland zu rechtfertigen.
Angesichts des Düngemittelbedarfs Armeniens könnte ein potenzieller Bereich auch die Schaffung eines inländischen Sektors für die Herstellung von Düngemitteln auf Ammoniakbasis sein, der Wasserstoff als wichtigen Input nutzt. In Georgien gibt es bereits eine Düngemittelproduktion, so dass es zu einer Integration der beiden Sektoren und damit verbundenen Skaleneffekte führen könnte. Es sind jedoch tiefergehende Machbarkeitsanalysen erforderlich, um festzustellen, ob Armenien kostengünstige Düngemittel für inländische und internationale Märkte produzieren könnte.
Im Transportsektor könnte die Verwendung von Wasserstoff ebenfalls eine Option sein. Der größte Teil des Fuhrparks wird derzeit mit Erdgas betrieben, welches theoretisch durch Wasserstoff ersetzt werden könnte. Dies würde jedoch die Kosten erheblich erhöhen – insbesondere im Vergleich zur Umstellung auf effizientere Elektrofahrzeuge. Ein geringes Potenzial für den Einsatz von Wasserstoff besteht noch bei schweren Lastkraftwagen im Bergbau sowie bei Langstreckentransporten.
Exportpotenzial ist durch die Infrastruktur begrenzt
In der Theorie könnte der Export von grünem Wasserstoff für Armenien eine bedeutende wirtschaftliche Chance darstellen, insbesondere angesichts des erwarteten Nachfrageanstiegs in Europa in den kommenden Jahrzehnten. Der energie- und kosteneffektivste Weg, um Wasserstoff in die EU zu transportieren, wäre in komprimierter Form über Pipelines. Hier käme vor allem eine oberirdische Pipeline, die durch die Türkei führt, in Frage. Dies würde jedoch nicht nur erhebliche Verbesserungen der regionalen Beziehungen erfordern, sondern auch hohe Investitionen aufgrund der Binnenlage Armeniens. Zwar besitzt Armenien ein Gastransportnetzwerk, welches theoretisch für den Transport von Wasserstoff aufgerüstet werden könnte. Jedoch gehört das gesamte Netzwerk derzeit Gazprom, was die Möglichkeit einer Sanierung fraglich und von anderen nicht-wirtschaftlichen Überlegungen abhängig macht.
Als zweite Option könnte Armenien seinen produzierten Wasserstoff über georgische Häfen per Schiff exportieren, aber dies würde einige Umwandlungsverluste mit sich bringen, die die Gesamtkosten erhöhen würden. Zusätzlich bleibt der Zustand der Pipeline-Infrastruktur in Armenien relevant, da der Wasserstoff zunächst nach Georgien transportiert werden müsste.
Die Transportkosten könnten jedoch erheblich sinken, wenn regionale Netzwerke und Kooperationen entstehen. Die EU hat bereits Interesse an Importen von Wasserstoff aus Aserbaidschan, der Türkei und Kasachstan signalisiert. Armenien könnte somit eventuell zukünftig von neuen Transportwegen für grünen Wasserstoff nach Europa profitieren. Dies setzt jedoch erhebliche Verbesserungen der regionalen Beziehungen voraus.
Fazit
Die Produktion von grünem Wasserstoff in Armenien birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Die Produktionskosten könnten zwar niedriger sein als in anderen Ländern, jedoch stellen das fehlende inländische Nutzungspotenzial und die hohen Exportkosten Herausforderungen für Investitionen dar. Auch befindet sich der Sektor sowohl in Armenien als auch weltweit noch in einem frühen Stadium. Es sind weitere Analysen bezüglich der Verwendungszwecke und Exportwege, die auch eine verstärkte regionalen Zusammenarbeit berücksichtigen, erforderlich.
Dieser Newsletter basiert auf der Policy Study „Assessment of green hydrogen potential in Armenia“.
Bild: AdobeStock_96622127