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Alina Kunde

Gagausien im Fokus: Langsamer wirtschaftlicher Fortschritt trotz steuerlicher Privilegien

Gagausien ist eine autonome Region im Süden Moldaus und trägt 2,3% zum moldauischen BIP bei. Die regionale Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf die Agrar- und Lebensmittelindustrie, was zur hohen Volatilität des BIP beiträgt. Im Gegensatz zu anderen Regionen in Moldau ist der Handel Gagausiens stärker auf die GUS-Staaten und die Türkei ausgerichtet, wobei die Exporte nach Russland stark zurückgegangen sind. Zu den wichtigsten Exportgütern gehören Wein, Strickwaren und landwirtschaftliche Erzeugnisse.

  • Moldau
NL 85 | September-Oktober

Zuletzt stand Gagausien wegen seines steuerlichen Sonderstatus, insbesondere der Möglichkeit, die Mehrwertsteuer vollständig einzubehalten im Mittelpunkt von Diskussionen. Aufgrund des Autonomiestatus kann Gagausien 100% der in der Region erhobenen staatlichen Steuereinnahmen behalten, was zu den höchsten Pro-Kopf-Einnahmen und Ausgaben in Moldau führt. Diese Steuervorteile haben jedoch nicht zu einer breiteren wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen, sodass Gagausien nach wie vor ein niedriges BIP pro Kopf aufweist.

Hintergrundinformation

Die Autonome Gebietseinheit (ATU) Gagausien wurde 1994 durch ein Organgesetz gegründet und besitzt eigene Exekutiv- und Legislativinstitutionen. Das Exekutivkomitee, geleitet vom für vier Jahre gewählten Gouverneur (Bashkan), ist für die Implementierung von Gesetzen und Verwaltung der sozioökonomischen Belange zuständig. Die 35-köpfige Volksversammlung (Halk Toplushu) übernimmt die Gesetzgebung und Regulierung regionale Aktivitäten.

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Wirtschaftlicher Überblick

Offizielle BIP-Schätzungen für Gagausien sind seit 2021 nicht mehr verfügbar. Allerdings schätzt das German Economic Team (GET) das regionale BIP im Jahr 2022 auf etwa 336 Mio. USD, was einem Pro-Kopf-BIP von 2.686 USD entspricht – dem niedrigsten im Land, jedoch vergleichbar mit anderen ländlichen Regionen außerhalb von Chișinău. Die Region trägt 2,3% zu Moldaus BIP bei und hat einen Anteil von 5% an der Bevölkerung des Landes.

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Die Landwirtschaft macht 27% des BIPs von Gagausien aus und liegt damit auf einem ähnlichen Niveau wie in anderen moldauischen Regionen außerhalb von Chisinau. Der verarbeitende Sektor, der sich hauptsächlich auf Getränke und die Lebensmittelverarbeitung konzentriert, trägt 16% bei, was die Bedeutung des starken Agrar- und Lebensmittelsektors widerspiegelt.

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Im Bereich des Außenhandels weist Gagausien mit seinem stärker auf die GUS-Staaten und die Türkei konzentrierten Handel strukturelle Unterschiede zum Rest Moldaus auf, dessen wichtigster Handelspartner die EU ist. Allerdings sind die Exporte nach Russland von 17% im Jahr 2019 auf nur 2% der Gesamtexporte im Jahr 2023 gesunken. Zu den wichtigsten Exportgütern gehören Wein (in die GUS-Staaten), Strickwaren (in die Türkei) und landwirtschaftliche Erzeugnisse (in die EU). Die Türkei ist der größte Importpartner Gagausiens, gefolgt von der EU und den GUS-Staaten.

Die Löhne in Gagausien sind in den letzten Jahren gestiegen, bleiben jedoch im Vergleich zu anderen Regionen niedrig, und die Kluft zu den schnell wachsenden Regionen vergrößert sich.

Fiskalautonomie

Der Haushalt Gagausiens setzt sich, ähnlich wie in anderen moldauischen Regionen, aus Steuern und Transfers der nationalen Regierung zusammen. Im Unterschied zu diesen genießt Gagausien jedoch eine deutlich größere fiskalische Autonomie, da es 100% der in der Region erhobenen Steuereinnahmen behält, einschließlich der Einkommenssteuer (PIT), der Körperschaftssteuer (CIT), der Mehrwertsteuer (MwSt.) und der Verbrauchssteuern. Im Vergleich dazu behalten Regionen wie Balti und Chisinau nur einen Teil der Einkommenssteuer und keine der Körperschaftssteuer, Mehrwertsteuer oder Verbrauchssteuern.

Gagausiens fiskalische Autonomie wird durch eine ungewöhnliche Regelung zur Mehrwertsteuer weiter gestärkt. Normalerweise ist die erhebende Stelle auch für die Rückerstattung zuständig. Im Fall Gagausiens übernimmt jedoch die nationale Regierung diese Aufgabe. Dadurch muss Gagausien keine eigenen Haushaltsmittel für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer an in der Region tätige Unternehmen aufwenden, wodurch mehr Mittel für lokale Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Eine Änderung des Steuergesetzes im Jahr 2023 sollte die Verwaltung der Mehrwertsteuer vereinheitlichen, indem Gagausien verpflichtet wurde, die Mehrwertsteuer an die nationale Regierung abzuführen. Diese Änderung wurde jedoch im März 2024 durch ein Urteil des Verfassungsgerichts aufgehoben, so dass Gagausien weiterhin die Mehrwertsteuer einbehalten kann, ohne die Erstattungen übernehmen zu müssen.

Haushaltseinnahmen und -ausgaben Gagausiens

Das Recht Gagausiens, die erhobenen Steuern zu behalten, führt zu den höchsten Pro-Kopf-Einnahmen und den höchsten öffentlichen Ausgaben pro Kopf in Moldau. Die Ursache dieser finanziellen Stärke sind die beschriebenen Steuervorteile, während Transfers durch die moldauische Zentralregierung nur eine untergeordnete Rolle spielen.

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Große Ausgabenposten sind Bildung, Sozialleistungen und Kultur. Zudem gibt Gagausien mehr für Personalausgaben aus als andere Regionen, was wahrscheinlich auf die erweiterten administrativen Aufgaben als autonome Einheit zurückzuführen ist. Darüber hinaus gewährt die Region höhere Sozialleistungen als der nationale Durchschnitt. Zusätzlich zu den Subventionen der nationalen Regierung gibt es in Gagausien mehrere lokale Fonds wie den Unternehmerfonds, landwirtschaftliche Subventionen und eine Subvention für den staatlichen Pferdezuchtbetrieb.

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Schlussfolgerung

Gagausiens finanzielle Autonomie, die es ermöglicht, 100% der Steuereinnahmen zu behalten und von einer äußerst vorteilhaften Mehrwertsteuerregelung zu profitieren, führt zu den höchsten Pro-Kopf-Einnahmen und öffentlichen Ausgaben in Moldau. Dies ermöglicht der Region größere Ressourcen für Sozialleistungen sowie lokale Subventionen bereitzustellen. Allerdings haben diese steuerlichen Vorteile sich jedoch nicht in einer breiteren wirtschaftlichen Entwicklung niedergeschlagen, wie man vielleicht erwarten könnte. Die Region hinkt nach wie vor hinterher, die Löhne bleiben niedriger als in anderen Regionen. Zudem haben Auseinandersetzungen mit der nationalen Regierung kein stabiles Investitionsumfeld geschaffen, das für künftiges Wachstum notwendig wäre.

Dieser Newsletter basiert auf unserem Economic Monitor Gagauzia.

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