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Henriette Weser, Alina Kunde

Fortschritt bei Energiesicherheit, aber weitere Ziele stehen aus

Seit 2021 steht der moldauische Energiesektor vor großen Herausforderungen, die vor allem auf die Abhängigkeit von günstigem russischem Gas und der Stromversorgung aus der abtrünnigen transnistrischen Region zurückzuführen sind. Zwar bezieht der rechts-ufrige Teil Moldaus sein Erdgas nun zu Marktpreisen aus anderen Ländern, profitiert aber immer noch von vergleichsweise günstigem Strom. Dieser wird durch das Kraftwerk MGRES auf dem linken Ufer bereitgestellt wird, wobei für die Erzeugung effektiv kostenloses russisches Gas genutzt wird.

  • Moldau
NL 82| März-April 2024
Energie und Klima

Doch dies könnte sich ändern, wenn das Gastransitabkommen zwischen der Ukraine und Russland Ende 2024 ausläuft, was zu erheblichen Preiserhöhungen für Gas in der transnistrischen Region führen könnte. Um dieses Risiko zu mindern und die Abhängigkeit von MGRES zu verringern, erweitert Moldau seine Stromerzeugungskapazitäten durch die Förderung erneuerbarer Energien mittels Auktionen und diversifiziert die Stromversorgung durch eine engere Integration mit Nachbarländern.

Die Rolle von MGRES im Strommarkt

Moldau ist zur Deckung des Energiebedarfs stark auf importiertes Erdgas und Erdölprodukten angewiesen. Bis 2021 bezog es rund 95% seines Gases zu niedrigen Preisen über Langzeitverträge mit dem russischen Unternehmen Gazprom. Nachdem der Vertrag zwischen Moldovagaz und Gazprom 2021 auslief, begann der rechtsufrige Teil Moldaus, seine Erdgaslieferanten zu diversifizieren. Es wurden Verträge mit rumänischen, griechischen, ungarischen, polnischen, schweizerischen und österreichischen Unternehmen abgeschlossen und derzeit werden auch Verhandlungen mit der Türkei verfolgt. Trotz dieser Bemühungen ist die moldauische Stromversorgung nach wie vor von vergleichsweise relativ billigem Strom aus russischem Gas abhängig, der vom Kraftwerk MGRES in der transnistrischen Region erzeugt wird und zwischen 70% und 80% des jährlichen Strombedarfs des rechtsufrigen Teils Moldaus deckt. Die transnistrische Region erhält von Russland kostenloses Gas – eine implizite Subvention, die zwischen 2017 bis 2021 auf durchschnittlich etwa 360 Mio. EUR pro Jahr geschätzt wird. Dies ermöglicht es dem linksufrigen Teils Moldaus, Erdgas zu sehr niedrigen Tarifen an Haushalte und Industrien in der Region, darunter auch MGRES zu verkaufen. MGRES verwendet dieses nahezu kostenlose Gas, um zu geringen Kosten Strom zu erzeugen, den es dann zu einem unter dem Marktpreis liegendem Niveau an den rechtsufrigen Teils Moldaus verkauft.

Allerding läuft der Gastransitvertrag zwischen der Ukraine und Gazprom, der derzeit die kostenlose Gaslieferung ermöglicht, im Dezember 2024 aus. Mit der Ankündigung der Ukraine, den Vertrag eventuell nicht erneuern zu wollen, besteht die Möglichkeit einer Unterbrechung der Gasversorgung für den linksufrigen Teil Moldaus, was potenziell den Strommarkt in ganz Moldau beeinträchtigen könnte. Sollte der Transitvertrag endgültig auslaufen, müsste MGRES alternative Quellen suchen. Um die wirtschaftlichen Folgen zu analysieren, die sich ergeben würden, wenn MGRES Erdgas zu Marktpreisen kaufen müsste, hat das German Economic Team (GET) eine Szenarioanalyse durchgeführt, um die möglichen Auswirkungen auf die Strompreise sowohl im rechtsufrigen als auch im linksufrigen Teil Moldaus zu ermitteln.

Szenarioanalyse: Auswirkungen auf die Strompreise

Zur Bewertung der Auswirkungen auf die Strompreise für ganz Moldau wurden zwei Szenarien untersucht: Das Basisszenario, in dem das linke Ufer weiterhin nahezu kostenlos Gas aus Russland erhält, und das marktbasierte Szenario, in dem MGRES Gas zu europäischen Marktpreisen (monatliche Futures-Preise für 2024) bezieht. Im Basisszenario bleibt MGRES aufgrund seiner äußerst kosteneffizienten Produktion von 25-30 EUR/MWh der wichtigste Stromlieferant Moldaus.

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Im marktbasierten Szenario, in dem MGRES gezwungen ist, Gas zu Marktpreisen zu kaufen aufgrund des Endes der günstigen Gasversorgung, würden die Kosten für MGRES erheblich steigen. Dies würde das Stromerzeugungsprofil Moldaus erheblich verändern, wobei Importe aus Rumänien im Vergleich zu MGRES in allen Monaten wettbewerbsfähiger wären. MGRES würde dann vorrangig als Spitzenlastkraftwerk dienen, wenn die Übertragungskapazität ausgeschöpft ist.

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Diese Verschiebung würde zu erheblichen Erhöhungen der Stromtarife führen: Die Tarife für Privathaushalte würden im rechtsufrigen Teil Moldaus um 27% steigen und im linksufrigen Teil um 362% (allerdings von einem extrem niedrigen Niveau aus). Die Tarife für die Industrie würden im linksufrigen Teil um 412% steigen und damit potenziell die Schwerindustrie in der Region gefährden. Insgesamt würden die jährlichen Stromkosten des Landes um 333 Mio. EUR (61%) im Vergleich zum Basisszenario steigen. Die Auswirkungen auf den rechtsufrigen Teil Moldaus wären vergleichsweise geringer aufgrund der anfänglich höheren Tarife.

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Während eine vollständige Einstellung der Versorgung mit russischem Gas ein Extremszenario darstellt, sollten Alternativen wie die Neuverhandlung von Transitverträgen durch die Ukraine, wobei Moldau möglicherweise die damit verbundenen Gebühren trägt, in Betracht gezogen werden. Dies könnte tendenziell geringere Auswirkungen auf die Tarife haben.

Schritte zur widerstandsfähigeren Stromversorgung

Moldau erweitert seine Erzeugungs- und Übertragungskapazität, um die Abhängigkeit von MGRES zu verringern. Ein Schlüsselprojekt ist der Bau der Übertragungsleitung Vulcănești – Chișinău, die direkte Stromimporte aus Rumänien ermöglichen wird. Dies steigert nicht nur die Übertragungskapazität, sondern umgeht auch die transnistrische Region, anders als bestehende Übertragungsleitungen. Allerdings könnte sich die Fertigstellung über das ursprünglich geplante Jahr 2025 hinaus verzögern. Darüber hinaus soll die Übertragungsleitung Bălți-Suceava, welche die Konnektivität zwischen Moldau und Rumänien verbessern soll, bis Ende 2027 fertiggestellt werden. Neben der Verbesserung der Übertragungsinfrastruktur verfügt Moldau auch über erhebliches Potenzial für erneuerbare Energien aus Wind- und Solarenergiequellen. Im Jahr 2024 wird die Regierung ein ausschreibungsbasierte Auktionssystem für 165 MW erneuerbarer Kapazität einführen, mit Spielraum für eine weitere Expansion. Die effektive Integration dieser Kapazität erfordert jedoch den Ausbau der Infrastruktur zum Ausgleich von Ungleichgewichten im Stromnetz im rechtsufrigen Teil Moldaus, um die Abhängigkeit von dem unvorhersehbaren Energieimporten mit Nachbarländern zu minimieren.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Trotz jüngster Fortschritte bei der Stabilisierung des moldauischen Energiesektors führt das Ende des Gastransitvertrags zwischen der Ukraine und Russland zu Unsicherheiten. Im Extremszenario könnte der Wegfall des günstigen russischen Gases zu einem erheblichen Anstieg der Strompreise in Moldau führen. Daher ist die Stärkung der Energieresilienz weiterhin von entscheidender Bedeutung, wobei der Schwerpunkt auf dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Verbesserung der Übertragungsinfrastruktur liegt. Mit dem Ziel Moldaus, der EU beizutreten, nimmt die Bedeutung regionaler Integration und erneuerbarer Energien zu, nicht nur hinsichtlich der Energiesicherheit, sondern auch zur Einhaltung der EU-Vorschriften. Die Anwendung von EU-Mechanismen zur Bepreisung von Kohlenstoff, wie dem Emissionshandelssystem (ETS) und dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), wird für die Zukunft des moldauischen Energiesektors und der Umwelt von entscheidender Bedeutung sein.

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Dieser Newsletter basiert auf unserem Policy Briefing “Energy Monitor Moldova”