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Dariia Mykhailyshyna

Ergebnisse einer Umfrage unter ukrainischen Geflüchteten

Millionen von Ukrainern mussten aufgrund der russischen Invasion ihre Heimat verlassen und ins Ausland ziehen. Allerdings gibt es bisher nur wenig Informationen über ihre Lebensbedingungen und Zukunftspläne. Um einen besseren Einblick zu erhalten und die Auswirkungen auf die ukrainische Wirtschaft zu quantifizieren, hat das Centre for Economic Strategy (CES) kürzlich eine Umfrage unter Flüchtlingen in Auftrag gegeben.

  • Ukraine
NL 173 | März 2023
Arbeitsmarkt und Migration

Aus der Erhebung lässt sich zwar nicht die genaue Zahl der Geflüchteten ableiten. Sie gibt aber Auskunft über Alter, Geschlecht, Beschäftigungs- und Bildungsstatus. Außerdem lassen sich vier Gruppen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Merkmalen unterscheiden. Insgesamt verlor die ukrainische Wirtschaft zwischen 2,6% und 7,7% ihres Vorkriegsniveaus auf Grund dieser Entwicklung.

Hintergrund

Nach Schätzungen des UNHCR und anderer Datenquellen sind seit dem Einmarsch Russlands zwischen 5,3 Mio. und 6,2 Mio. Ukrainer ins Ausland gezogen und halten sich noch immer dort auf. Die Gesamtzahl lässt sich nur schwer abschätzen, da die Anzahl in Russland nicht bekannt ist. Etwa 3,6 Mio. haben die Grenzen zu den EU-Nachbarn und zu Moldau überquert und sind bisher nicht zurückgekehrt.

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Während die meisten Flüchtlinge die Ukraine im Februar und März 2022 verlassen mussten, kehrten im Laufe des Sommers mehr Menschen zurück. Seitdem Russland ab Oktober angefangen hat, die Energieinfrastruktur gezielt anzugreifen, hat sich dieser Trend wieder umgekehrt.

Durchführung der Umfrage

Um ein genaueres Bild über die Merkmale der Geflüchteten zu erhalten, fand von November bis Dezember 2022 eine Online-Umfrage statt, die von CES in Auftrag gegeben und von dem ukrainischen Meinungsforschungsinstitut „Info Sapiens“ durchgeführt wurde. Befragt wurden 1003 ukrainische Erwachsene (ab 18 Jahren) aus allen ukrainischen Regionen, die im Ausland leben (mit Ausnahme von Russland und Belarus). Die meisten kamen aus Kyiv (rund 14 % der Stichprobe), gefolgt von den Regionen Dnipropetrivsk (12 %), Charkiw (11 %) und Saporischschja (9 %). Um die Repräsentativität der Umfrage zu gewährleisten, wurden Kunden von Kyivstar (dem größten ukrainischen Telekommunikationsunternehmen) zufällig ausgewählt, die sich zum Zeitpunkt der Umfrage im Ausland aufhielten, und es wurden dabei Quoten auf der Grundlage der Anzahl der ukrainischen Kyivstar-Kunden in den verschiedenen Ländern im Ausland festgelegt. Diejenigen, die ausgewählt wurden, erhielten eine SMS mit der Bitte an der Umfrage teilzunehmen. Insgesamt sind 83% der erwachsenen Flüchtlinge Frauen und die meisten von ihnen gehören zu der Altersgruppe unter 65 Jahren.

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Bildungsstatus

Rund 69 % der befragten ukrainischen Flüchtlinge haben einen Hochschulabschluss. Dieser Anteil ist extrem hoch, verglichen mit dem Anteil am ukrainischen Arbeitsmarkt von 29% und der EU von 33%. Darüber hinaus haben 20% der Flüchtlinge einen beruflichen, 9% einen allgemeinen und etwa 2% keinen Sekundarschulabschluss.

Beschäftigungsstatus

Der Umfrage zufolge arbeiten 20% der ukrainischen Flüchtlinge in Vollzeit und 12% in Teilzeit. Rund 9% der Flüchtlinge arbeiten darüber hinaus aus der Ferne für ein ukrainisches Unternehmen, und 26% sind auf der Suche nach einem Arbeitsplatz im Ausland. Von den Ländern mit den meisten ukrainischen Flüchtlingen hat Tschechien den höchsten Anteil von den im Ausland arbeitenden Ukrainern (47%), an zweiter Stelle steht Polen (41%), während der Anteil in Deutschland und Italien viel niedriger ist. Der Anteil der Flüchtlinge, die in einem ukrainischen Unternehmen arbeiten, ist in Polen (12%) wesentlich höher als in Deutschland (3%), Tschechien (4%) oder Italien (5%). Hier spielen vermutlich der Umfang der Sozialhilfe und die Bedingungen auf den lokalen Arbeitsmärkten eine wichtige Rolle. Insgesamt haben 73% der ukrainischen Flüchtlinge irgendeine Form von Sozialhilfe in ihrem Aufnahmeland erhalten.

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Ergebnisse einer Clusteranalyse

Die Ergebnisse der Umfrage ermöglichen auch eine Clusteranalyse durchzuführen, aus der sich vier Flüchtlingsgruppen ableiten lassen.

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Diese Gruppen unterscheiden sich vor allem durch den Grad der Anpassung an das Leben im Ausland und ihre Einstellung zur Beschäftigung. Ihre Bereitschaft zur Rückkehr ist jedoch ähnlich. In jeder Gruppe geben etwa 70% an, dass sie auf jeden Fall oder eher zurückkehren werden, während etwa 30% dieser Aussage nicht zustimmen.

Ausblick

Den Umfrageergebnissen zufolge könnten nach dem Krieg zwischen 0,9 und 2,7 Mio. Ukrainer im Ausland bleiben. Darüber hinaus könnten zwischen 100 und 700 Tsd. Ukrainer nach Kriegsende ausreisen, um sich wieder mit ihren Familien im Ausland zu vereinen. Jüngere und Menschen mit höherem Bildungsniveau sind relativ gesehen eher bereit, nach dem Krieg im Ausland zu bleiben. Die wichtigsten Faktoren, welche die Ukrainer zur Rückkehr bewegen könnte, ist das Ende des Krieges, der Raketenangriffe und der Kampfhandlungen in der Heimatregion (insgesamt 85%). Der geschätzte BIP-Verlust beträgt zwischen 2,6% und 7,7% des Vorkriegs-BIP und trug damit zwischen 9% und 26% zum Rückgang des BIP 2022 bei. Um sicherzustellen, dass mehr Ukrainer zurückkehren, müssen die durch den Krieg zerstörte Infrastruktur und Wohngebäude rasch wiederaufgebaut werden. In der Zwischenzeit sollte Menschen aus den am stärksten betroffenen Regionen Unterstützung angeboten werden: Entweder in Form von finanziellen Mitteln oder Wohnraum, die entweder von der ukrainischen Regierung oder von internationalen Organisationen bereitgestellt wird. Darüber hinaus könnten Umschulungsprogramme in relativ sicheren Regionen der Ukraine dazu beitragen, den Menschen neue Fähigkeiten zu vermitteln, die ihnen wiederum helfen würden, einen neuen, gut bezahlten Arbeitsplatz zu finden.

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Dariia Mykhailyshyna ist Non-resident Fellow beim Centre for Economic Strategy (CES) in Kyiv.

Dieser Newsletter basiert auf der Umfrage des Centre for Economic Strategy

Bild: Copyright: Adobe Stock\Bumann