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Veronika Movchan

Entwicklung des Außenhandels seit der Invasion

Russlands Angriffskrieg hat einen starken negativen Einfluss auf den Außenhandel der Ukraine. Die Exporte gingen um 35% und die Importe um 26% zum Vorjahr zurück. Darüber hinaus veränderte sich die Struktur. Der Anteil des Handels mit der EU hat stark zugenommen und liegt jetzt bei 60% des Gesamthandels, insbesondere durch den gestiegenen Handel mit den EU-Nachbarländern. Auch die Rolle der Türkei stieg, während die Bedeutung Chinas abgenommen hat. Die Güterstruktur der Exporte hat sich stark durch den gestiegenen Anteil der Agrar- und Nahrungsmittelprodukte – aktuell 69% – und den gesunkenen Anteil der Metalle verändert. Die Aussetzung der EU-Zollkontingente und das „Getreideabkommen“ haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Gleichzeitig ist die Bedeutung von Treibstoffimporten gestiegen, da inländische Produktions- und Lagerkapazitäten zerstört wurden.

  • Ukraine
NL 170 | Dezember 2022
Außenhandel und regionale Integration

Auch die Handelslogistik hat sich verändert. Aufgrund der Blockade der Schwarzmeerhäfen durch Russland ist die Bedeutung des Schienen- und Straßentransports gestiegen. Dies führte zu physischen Beschränkungen und Kostenanstiegen, welche die Wettbewerbsfähigkeit der ukrainischen Exporte beeinträchtigen. Eine frühzeitige Entscheidung über die Verlängerung der Zollaussetzungen durch die EU und andere Partner würde dazu beitragen, die Exportaussichten der Ukraine im Jahr 2023 zu verbessern. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um die Transportkapazitäten auszubauen und die Blockade der Schwarzmeerhäfen aufzuheben. Angesichts der zunehmenden Rolle der EU in der Handelsstruktur sollte die kontinuierliche Umsetzung des Assoziierungsabkommens weiterhin im Mittelpunkt stehen, da diese den Weg zu einer weiteren wirtschaftlichen Integration ebnet.

Exporte und Importe gehen zurück

Russlands Angriffskrieg hat verheerende Auswirkungen auf den ukrainischen Warenhandel.

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Nach elf Monaten sind die Exporte um 35% und die Importe um 26% zum Vorjahr zurückgegangen. Sowohl die Exporte als auch die Importe brachen im März 2022 stark ein und erholten sich danach teilweise, allerdings mit unterschiedlichem Tempo. Während die Importe sich bereits im Juni dem Vorjahresniveau nährten – unterstützt durch eine Aussetzung von Importabgaben bis Ende Juni, blieben die Exporte deutlich darunter. Jedoch bedrohen Russlands gezielte Attacken auf die Energieinfrastruktur die weitere Erholung. Auch die anhaltenden logistischen Blockaden bleiben entscheidende Probleme für den Handel.

EU-Anteil stark gestiegen

Das Handelsvolumen zwischen der Ukraine und der EU blieb in den ersten acht Monaten 2022 auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahreszeitraum, während der Handel mit China um 45% zurückging. Diese Entwicklung stärkt die Rolle der EU als wichtigster Handelspartner. Am deutlichsten hat sich die Struktur der Exporte verändert. Der EU-Anteil stieg von etwa 40% im Januar auf 81% im April. Im weiteren Verlauf des Jahres hat sich der Anteil bei etwa zwei Drittel stabilisiert, da die Bedeutung der Türkei zugenommen hat. Gleichzeitig gehen die Exporte nach China drastisch zurück, während die nach Russland komplett eingestellt wurden.

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Bei den Importen ist die Veränderung weniger ausgeprägt.

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Der EU-Anteil stieg von 40% zu Beginn des Jahres auf 55% im Mai und hat sich seither stabilisiert. Die Anteile Chinas und der Türkei haben sich kaum verändert. Die Blockade der Seehäfen und die Abhängigkeit vom Schienenverkehr haben den Handel der Ukraine vor allem mit angrenzenden EU-Ländern angekurbelt. Die Exporte nach Polen, dem wichtigsten Exportziel, stiegen in den ersten acht Monaten 2022 um 32% zum Vorjahr. Das Wachstum der Exporte nach Rumänien betrug 122% und machte das Land damit zum zweitgrößten Handelspartner innerhalb der EU vor Deutschland. Die Exporte nach Ungarn stiegen um 47%, in die Slowakei um 51%. Auch die Importe aus den meisten angrenzenden EU-Ländern nahmen zu, unter anderem um 2% aus Polen, 55% aus Rumänien und 205% aus Bulgarien.

Agrarwirtschaft und Nahrungsmittel im Fokus

Auch die Warenzusammensetzung hat sich verändert, insbesondere bei den Exporten. Trotz des wert- und mengenmäßigen Rückgangs im Vergleich zum Vorjahr ist die Bedeutung der Agrar- und Nahrungsmittelexporte weiter gestiegen und erreichte im Oktober einen Anteil von 69%. Gleichzeitig ging der Anteil der Metalle auf 9% zurück, verglichen mit 21% im Januar.

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Die Auswirkungen des Krieges auf die Produktionskapazitäten, die Besonderheiten der Logistik und der Zugang zu den wichtigsten Märkten dominieren die strukturellen Veränderungen. Während die Metallindustrie mit erheblichen Zerstörungen von Produktionsanlagen konfrontiert ist, z. B. aufgrund der Zerstörungen in Mariupol und der Besetzung der Stadt, konnten die Kapazitäten in der Agrarwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion, die räumlich viel weiter verteilt sind, aufrechterhalten werden. Durch das Getreideabkommen zwischen der Ukraine, der UN, der Türkei und Russland vom Juli wurden die Schwarzmeerhäfen teilweise für Getreidelieferungen freigegeben, während die Exporte von Metallen und Eisenerzen weiterhin blockiert bleiben. Die Entscheidung der EU, die Zollkontingente für Exporte aus der Ukraine im Rahmen des vertieften und umfassende Freihandelsabkommens (DCFTA) vorübergehend auszusetzen, führte zu einem Anstieg der ukrainischen Lieferungen von Agrar- und Nahrungsmittel in die EU. Bemerkenswert ist, dass die vorübergehende Aufhebung der Schutzklausel für ukrainische Eisen- und Stahlerzeugnisse auf dem EU-Markt die Erholung der Metallexporte nicht vorangetrieben hat, was zeigt, dass physische Beschränkungen in der Produktion und Logistik eine viel größere Rolle spielen als politisch definierte Anreize oder Beschränkungen. Auf der Importseite ist der Anteil von Treibstoff gestiegen, da bei hoher Nachfrage die Verluste von Produktions- und Lagerkapazitäten ausgeglichen werden müssen. Die Blockade der Schwarzmeerhäfen hat zu erheblichen Verlagerungen der Logistik geführt. 2021 wurden etwa 38% des Handelsvolumens über den Seeweg abgewickelt, 35% auf Schienen und 19% auf Straßen. In den ersten neun Monaten 2022 verlagerte sich der Handel auf die Schiene (47%) und die Straße (24%), während die Bedeutung des Seeverkehrs auf 21% zurückging. Die Wettbewerbsfähigkeit der ukrainischen Exporte ist somit durch physische Beschränkungen der Volumina und Kostenanstiege beeinträchtigt.

Ausblick

Russlands Angriffskrieg führt zu zahlreichen strukturellen Veränderungen im Außenhandel der Ukraine. Die Rolle der EU als wichtigster Handelspartner hat weiter zugenommen, da logistische Beschränkungen eine Neuausrichtung des Handels begünstigen, insbesondere mit Rumänien und Polen als angrenzende EU-Länder. Die Auswirkungen des Krieges auf die Produktionskapazitäten, die Herausforderungen in der Logistik und der Zugang zu den wichtigsten Märkten führen zu einer Verlagerung der Exporte auf Agrar- und Nahrungsmittel und der Importe auf Treibstoff. Eine frühzeitige Entscheidung über die Verlängerung der Zollaussetzungen durch die EU und andere Partner würde dazu beitragen, die Exportaussichten der Ukraine 2023 zu verbessern. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um die Transportkapazitäten auszubauen, insbesondere durch Aufhebung der Hafenblockaden. Die kontinuierliche Umsetzung des Assoziierungsabkommens sollte weiterhin im Mittelpunkt stehen, da diese den Weg für eine weitere wirtschaftliche Integration mit der EU vor einem möglichen Beitritt ebnet.

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