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Sebastian Staske

Energiethemen im Kontext des Kriegs in der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die weltweiten Energiemärkte betreffen auch Georgien als Nettoimporteur mit wachsendem Energiebedarf. Zu den wichtigsten Auswirkungen gehört der starke Anstieg der Öl- und Gaspreise, der zu einem Anstieg der Importe um rund 3% des BIP geführt hat.

  • Georgien
NL 49 | November - Dezember 2022
Energie und Klima

Die Energiesicherheit ist nicht gefährdet. Der russische Anteil an den Ölimporten hat jedoch stark zugenommen und erreichte in 9M2022 44%. Gas wird weiterhin über einen langfristigen Vertrag mit Aserbaidschan geliefert. Auch auf dem Strommarkt zeigen sich Auswirkungen, da der Krieg indirekt zum Preisverfall von Bitcoin beigetragen hat. Der dadurch ausgelöste Rückgang des Stromverbrauchs beim Kryptomining hat die Volatilität der Nachfrage verdeutlicht und im Sommer zu den höchsten Stromexporten seit 2010 beigetragen.

Überblick: steigender Energieverbrauch und Importe

Von 2013 bis 2020 (dem letzten Jahr, für das diese Daten verfügbar sind) ist der Energieverbrauch Georgiens um 19% gestiegen. Etwa 80% der Energie wird durch Erdölprodukte und Erdgas gedeckt, welche fast vollständig importiert werden. Auf Erdöl (8%) und Erdgas (3%) entfällt ein erheblicher Teil der Gesamtimporte, so dass Preisänderungen auch die Leistungsbilanz beeinflussen. Vor diesem Hintergrund betreffen der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die globalen Energiemärkte auch Georgien in hohem Maße.

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Öl: Preisanstieg und höherer Anteil russischer Importe

In Bezug auf Öl sind zwei Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu beobachten: 1) ein Preisanstieg und 2) eine Veränderung der Importstruktur. Der starke Preisanstieg (67% zum Vj. in 9M2022) war die Hauptursache für den deutlichen Anstieg der Ölimporte. Insgesamt erreichten sie in 9M2022 rund 1,0 Mrd. USD (77% zum Vj.). Vor Beginn des Krieges waren die Ölimporte gut diversifiziert, in 9M2021 entfielen 18% des Gesamtvolumens auf Russland. Das Gesamtimportvolumen blieb in 9M2022 relativ stabil (6% zum Vj.). Das Angebot aus anderen Ländern, insbesondere Aserbaidschan, ging jedoch im Laufe des Jahres 2022 deutlich zurück. Zusätzliche Importe aus Russland füllten diese Lücke, auch aufgrund des günstigeren Preises. Dadurch stieg der russische Anteil an den Ölimporten deutlich auf 44% in 9M2022. Ein Teil der Lücke wurde auch durch Importe aus Rumänien (mit einem Anstieg des Anteils von 14% auf 20%) geschlossen.

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Gas: Preiserhöhung, aber langfristiger Vertrag

In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Erdgas in der Energieversorgung zugenommen, da die Regierung ein Gasifizierungsprogramm aufgelegt hat, durch das Brennholz in ländlichen Gebieten schrittweise ersetzt wurde. Die Erdgasversorgung erfolgt hauptsächlich über einen langfristigen Vertrag mit Aserbaidschan; der Rest wird aus Russland bezogen. Im Jahr 2021 entfielen (trotz vorübergehender Unterbrechungen der Gaslieferungen) 85% der Importe auf Aserbaidschan. Insgesamt wird die Versorgungssicherheit durch den Krieg in der Ukraine also nicht beeinträchtigt. Der Krieg wirkt vor allem in Form von Preiserhöhungen: Insgesamt stiegen die Erdgasimporte in 9M2022 um 45% relativ zu 9M2021.

Strom: starker Rückgang beim Kryptomining

Angezogen von niedrigen Strompreisen und einem unternehmensfreundlichen Umfeld hat sich Georgien in den letzten Jahren zu einem Zentrum für Kryptomining entwickelt. Im Jahr 2021 verbrauchte der Sektor durchschnittlich gut 6% des gesamten Stroms in Georgien (ohne Abchasien). Aus der Sicht eines Kryptominers gab es im Laufe dieses Jahres zwei negative Entwicklungen. Zum einen fiel der Bitcoin-Preis von rund 46.000 USD zum Jahresstart bis Ende September um etwa 60% auf unter 20.000 USD. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat indirekt zu dieser Entwicklung beigetragen: Er hat nicht nur für Unsicherheit und eine ungünstige Marktstimmung gesorgt, sondern auch die weltweite Inflation (weiter) verschärft und damit zu Zinserhöhungen der Zentralbanken geführt. Gleichzeitig ist die Rechenleistung im Bitcoin-Netzwerk (die ein Maß für den Wettbewerb auf dem Markt ist) trotzdem um rund 32% gestiegen. Beide Entwicklungen drücken die Gewinne.

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Vor diesem Hintergrund ging der Stromverbrauch durch Kryptomining in Georgien im Sommer erheblich zurück: von rund 6% des Gesamtverbrauchs im Januar erreichte er im August einen Tiefstand von 0,5%. Insgesamt lag der Verbrauch in 9M2022 im Durchschnitt bei 3,6%. Vergleichbare Werte wurden zuletzt 2020 erreicht.

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Strom: höchste Exporte im Sommer seit 2010

Diese Entwicklungen haben sich auch auf den georgischen Stromhandel ausgewirkt. Während Georgien im Jahresdurchschnitt ein Nettoimporteur ist, wird es im späten Frühjahr und im Sommer, wenn die Wasserkraftwerke am besten genutzt werden können, in der Regel zu einem Nettoexporteur von Strom. In diesem Jahr erreichten die Nettoexporte den höchsten Wert seit 2010 und beliefen sich von Mai bis September auf insgesamt 958 Mio. kWh (177% zum Vj.). Der Anstieg der Exporte ist zwar hauptsächlich auf eine höhere Erzeugung zurückzuführen, ein Gedankenexperiment verdeutlicht jedoch die Rolle des Rückgangs beim Kryptomining: Hätte der Sektor ähnlich viel verbraucht wie im vergangenen Jahr, hätte der Stromüberschuss unter sonst gleichen Bedingungen nur zusätzliche Exporte von rund 410 Mio. kWh ermöglicht. Stattdessen verbrauchte der Kryptomining-Sektor in diesem Zeitraum rund 200 Mio. kWh weniger Strom, der ebenfalls exportiert werden konnte. Dies bedeutet, dass etwa ein Drittel des Anstiegs der Exporte auf den Rückgang des Kryptominings zurückzuführen ist. Fast der gesamte Strom wird in die Türkei exportiert. Bemerkenswert ist, dass die Exportpreise deutlich auf rund 87 USD pro MWh gestiegen sind (+124% zum Vj.). Insgesamt beliefen sich die Nettoexporte zwischen Mai und September auf 84 Mio. USD.

Ausblick

Der Krieg in der Ukraine hat die Importabhängigkeit Georgiens deutlich gemacht. Die Erdöl- und Erdgasimporte stiegen um rund 530 Mio. USD (3,1% des BIP). Dies wirkt sich negativ auf die georgische Leistungsbilanz aus und war ein Treiber für den Anstieg der Inflation. Positiv zu vermerken ist, dass die Energiesicherheit nicht gefährdet ist. Der starke Anstieg der Ölimporte aus Russland sollte genau beobachtet werden. Es handelt sich dabei jedoch um eine Reaktion auf die Preisentwicklung und Georgien könnte bei Bedarf wahrscheinlich (wieder) diversifizieren. Der langfristige Vertrag mit Aserbaidschan begrenzt die Auswirkungen beim Erdgas. Da Europa mehr Gas aus Aserbaidschan importieren möchte, könnte Georgien als Transitland mittelfristig sogar profitieren. Die Unvorhersehbarkeit des Bitcoin-Preises wird eine potenzielle Quelle für Nachfrageschwankungen beim Strom bleiben. Zwar ist die Stabilität des Stromnetzes derzeit nicht gefährdet; Berichte aus anderen Ländern mit starkem Kryptomining-Sektor, in denen ein plötzlicher Anstieg der Nachfrage wahrscheinlich zu Stromausfällen beigetragen hat, sollten aber als warnendes Beispiel dienen. Auch die positiven Auswirkungen auf den Stromhandel könnten nur von kurzer Dauer sein: Ein Preisanstieg des Bitcoins im Winter und anschließender Nachfrageschub des Sektors würden schnell zu einem Anstieg der Importe führen. Als Nettoimporteur von Energie wird Georgien anfällig für ungünstige Entwicklungen auf den Weltmärkten bleiben. Allerdings ist der Energieverbrauch im Verhältnis zum BIP relativ hoch, sodass hier noch ungenutztes Einsparpotenzial besteht. Die weitere Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen könnte daher einen großen Beitrag zur Stärkung der Energieresilienz leisten.

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Mehr Informationen zur Bedeutung von Kryptomining für Georgien finden Sie in unser Policy Study „Development of cryptomining in Georgia 2018-2021“.