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Robert Kirchner, Garry Poluschkin

Endlich Fortschritte beim IWF-Programm

Die Genehmigung der zweiten Tranche des Programms durch den IWF-Exekutivrat sind für die Ukraine national wie international ein wichtiges Signal.

  • Ukraine
NL 158 | Dezember 2021
Makroökonomische Analysen und Prognosen
Zusammenfassung

Am 22. November genehmigte das IWF-Exekutivdirektorium die zweite Auszahlung in Höhe von 700 Mio. USD sowie eine Verlängerung des aktuellen Programms (Stand-by Arrangement; SBA) bis Juni 2022. Nach 16 Monaten ohne Fortschritt seit Unterzeichnung der Vereinbarung und Auszahlung der ersten Tranche im Juni 2020 wurde die erste Überprüfung nun erfolgreich abgeschlossen. Verzögerte Reformen, eine Schwächung der Unabhängigkeit der Nationalbank (NBU), Probleme bei der Governance von Staatsunternehmen und den Institutionen für Korruptionsbekämpfung waren die hauptsächlichen Gründe für die verspätete Überprüfung. Der jüngste Durchbruch war möglich, da Schritte zur Stärkung der Unabhängigkeit der NBU, der Wiederherstellung von Institutionen der Korruptionsbekämpfung sowie ein moderater Haushalt beschloßen wurden. Es verbleiben 2,2 Mrd. USD im verlängerten Programm, die in zwei weiteren Trancen ausgezahlt werden könnten, sofern weitere wichtige Strukturreformen umgesetzt werden. Der IWF ist ein wichtiger Anker für weitere Reformen, für günstige Kredite sowie für den Zugang zum internationalen Finanzmarkt und für Kreditvereinbarungen mit anderen internationalen Finanzinstitutionen. Aus diesem Grund sind die ersten Äußerungen ukrainischer Entscheidungsträger, die Zusammenarbeit mit dem IWF auch nach Ende des jetzigen Programmes zu verlängern, wichtige Signale.

Hintergrund: Vier IWF-Programme seit 2014

Im Juni 2020 vereinbarten der IWF und die Ukraine einen 18-monatigen Unterstützungskredit (SBA) – das vierte Programm für die Ukraine seit 2014. Dabei wurden die vereinbarten Volumina in keinem dieser Programme vollständig ausgezahlt.

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Verzögerte Reformen und Rückschritte über 16 Monate

Als das Programm im Juni 2020 vereinbart wurde, waren Überprüfungen für September und Dezember 2020 geplant. Während dieser Zeit allerdings wurden Rückschritte bei der Stärkung und Unabhängigkeit der NBU sowie der Institutionen für Korruptionsbekämpfung zu verzeichnen. Weitere Rückschritte bei der Governance von Staatsunternehmen und im Bereich Energiepolitik waren zusätzliche Gründe für den fehlenden Fortschritt im Programm. Ohne Finanzierung aus dem Programm war 2021 die Bedienung externer Schulden von 6,6 Mrd. USD (mit 3,1 Mrd. USD allein im September) herausfordernd, konnte allerdings durch akkumulierte internationale Reserven, die Hälfte (ca. 1,4 Mrd. USD) der globalen SZR-Allokation sowie 1,4 Mrd. USD durch die EU im Rahmen der Makrofinanzhilfe sichergestellt werden. 2022 wird die Ukraine einen externen Schuldendienst in ähnlicher und in den nachfolgenden Jahren in ansteigender Höhe zu bewerkstelligen haben.

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In diesem Kontext vermeldeten der IWF und die Ukraine am 18. Oktober, dass eine Vereinbarung (Staff-Level Agreement) für eine erfolgreiche Überprüfung erzielt werden konnte. Diese Vorbedingungen beinhalteten die rechtliche Stärkung der Unabhängigkeit der NBU und des nationalen Büros für Korruptionsbekämpfung (NABU), rechtliche Ergänzungen zum Einlagesicherungsfonds (DGF) sowie zur Bankenüberwachung, die Wiedereinsetzung der verpflichtenden Vermögenserklärung für hochrangige Beamte und Ergänzungen zum Gesetz des Hohen Richterrates (High Council of Justice; HCJ). Alle diese sechs Vorbedingungen sowie einige weitere strukturelle Reformen wurden nun umgesetzt. Als Ergebnis genehmigte das IWF-Exekutivdirektorium die zweite Auszahlung in Höhe von 700 Mio. USD und eine sechsmonatige Verlängerung des Programms bis Juni 2022, sodass zwei weitere Tranchen in Höhe von 700 Mio. USD bzw. 1,5 Mrd. USD offen bleiben.

Für die Ukraine ist dieser Fortschritt aus drei Gründen wichtig: Erstens bietet die Programmfinanzierung günstigere Zinskonditionen als die Ukraine auf dem internationalen Finanzmarkt erwarten kann. Zweitens agiert der IWF als Anker für den Zugang zu anderen Finanzierungsquellen, da die Zusammenarbeit mit dem IWF Vertrauen bei Investoren und Unterstützung durch weitere internationale Finanzinstitutionen sowie die EU sichert. Drittens und am wichtigsten ist der IWF bei der Unterstützung des Reformweges, der ohne Zweifel notwendig ist, um das Wachstum zu beschleunigen und gegenüber anderen Ländern aufzuholen. Aus diesem Grund ist die Verlängerung des Programms eine entscheidende Gelegenheit die Reformanstrengungen zu fokussieren.

Die nächsten Schritte

Für die kommenden Überprüfungen hat sich die Ukraine verpflichtet eine Zahl von Strukturreformen umzusetzen, wie die Tabelle unten zeigt.

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Andere wichtige Verpflichtungen beziehen sich auf Rechtsstaatlichkeit/Korruptionsbekämpfung sowie Reformen im Energiesektor. Dabei wird angenommen, dass keine Versuche unternommen werden, die Reformen zurückzudrehen – wie beispielsweise nach Verabschiedung des IWF-Programms im Juni 2020 geschehen. Aus diesem Grund ist es essentiell, dass die Entscheidungsträger die Verpflichtungen des Programms ernster nehmen als in der Vergangenheit.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die erfolgreich abgeschlossene Überprüfung und die gleichzeitige Verlängerung des Programms markieren einen wichtigen Meilenstein in der Kooperation zwischen dem IWF und der Ukraine. In einer Phase steigender geopolitischer Spannungen sowie unsicherer und schwächerer wirtschaftlicher Erholung nach dem ersten Jahr der Pandemie sind diese Signale der Kooperation ermutigend. Vorausschauend sind zwei Prioritäten für ukrainische Entscheidungsträger zu betonen. Erstens sind zwei weitere Überprüfungen in diesem Programm vorgesehen, die flüssiger umgesetzt werden sollten als die erste. Zweitens sollte die Ukraine über ein IWF-Folgeprogramm nachdenken, um die Strukturreformen zu verankern. Die genannte schwache Erholung und das relativ moderate mittelfristige reale Wirtschaftswachstum von knapp über 3% p.a. zeigen, dass Strukturreformen zur Beschleunigung des Wachstums mehr als jemals zuvor notwendig sind. Es wäre ein weiser Schachzug, diese Reformagenda durch ein neues mittelfristiges IWF-Programm zu flankieren

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