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Veronika Movchan

Einfuhrstopp ukrainischer Landwirtschaftsgüter in die EU

Im April erlitten die ukrainischen Exporte von Agrar- und Nahrungsmittelprodukten einen schweren Rückschlag. Mitte April verboten Polen, Ungarn, die Slowakei und Bulgarien die Einfuhr von Getreide, Ölsaaten und vieler anderer Nahrungsmittel aus der Ukraine bis Ende Juni. Außerdem verbot Polen den Transit. Diese einseitigen Maßnahmen stehen im Widerspruch zum Assoziationsabkommen und den WTO-Normen.

  • Ukraine
NL 175 | Mai 2023
Agrarsektor und Ernährungswirtschaft
Außenhandel und regionale Integration

Nach zweiwöchigen Beratungen kündigte die Europäische Kommission an, diese einseitigen Verbote durch außergewöhnliche vorübergehende Schutzmaßnahmen der EU (bis zum 5. Juni) zu ersetzen und den Import von Weizen, Mais, Raps- und Sonnenblumenkernen in fünf EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Rumänien, zu verbieten, jedoch nicht den Transit. Das EU-Einfuhrverbot betrifft monatliche ukrainische Exporte im Wert von 0,4 Mrd. USD, deren Umorientierung auf andere Länder neue Verzögerungen und zusätzliche Kosten mit sich bringt. Die Maisexporte sind am stärksten betroffen.

Trotz dieser Entscheidung bleibt die weitere Entwicklungen ungewiss. Die fünf Länder haben bereits eine Ausweitung der Güter und der Dauer gefordert, während andere EU-Mitgliedstaaten Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den freien Warenhandel im EU-Binnenmarkt äußern.

Hintergrund

Am 15. April beschloss Polen ein einseitiges Import- und Transitverbot für Getreide, Ölsaaten und vieler anderer Agrar- und Nahrungsmittelprodukte aus der Ukraine. Das Verbot wurde vom 19. April bis zum 30. Juni verhängt. In den folgenden Tagen schlossen sich Ungarn, die Slowakei und Bulgarien dem Importverbot (aber nicht dem Transitverbot) an. Rumänien kündigte an, ein Verbot zu prüfen. Am 21. April wurde der Transit durch Polen wieder aufgenommen. Es wurden jedoch zusätzliche Anforderungen gestellt, darunter Konvois und GPS-Tracker. Die ukrainischen Exporteure berichteten von anhaltenden Verzögerungen beim Transit und langen Warteschlangen an der Grenze. Außerdem waren Exporte, die umgeladen werden mussten oder in den Häfen warten mussten, weiterhin kompliziert.

Gründe für das Einfuhrverbot

Der Vorwand für die Verbote waren Proteste von Landwirten und die vorgebliche Notwendigkeit, Marktstörungen und Schäden für Produzenten zu verhindern, die unter niedrigen Preisen im Zuge gestiegener ukrainischen Getreideexporte durch Liberalisierung im EU-Ukraine Handel und den EU-Solidaritätskorridor litten.

Tatsächlich verdoppelte sich das physische Volumen der EU-Importe von ukrainischem Getreide von 7,9 Mio. Tonnen 2021 auf 16,0 Mio. Tonnen 2022. Ein Drittel der zusätzlichen Importe ging in die fünf Nachbarländer, wobei Polen 2022 2,4 Mio. Tonnen mehr als 2021 importierte, gefolgt von Rumänien und Ungarn (jeweils +1,3 Mio. Tonnen).

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Die Auswirkungen auf die Märkte der Nachbarländer sind jedoch nicht unmittelbar erkennbar. Man würde erwarten, dass ein solches Überangebot zu einem starken Preisrückgang auf den heimischen Märkten führen würde, der über dem EU-Durchschnitt liegt. Die Marktpreise für Getreide folgten jedoch dem EU-Trend. Sie fielen in den ersten Monaten 2023 im Vergleich zum Höchststand im Frühjahr 2022, blieben jedoch über dem Vorkriegsniveau.

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Reaktion der EU

Die einseitigen Entscheidungen über Import- und Transitverbote standen nicht im Einklang mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine sowie nicht mit den Normen des Binnenmarktes und der WTO. Nach zweiwöchigen intensiven Beratungen gab die Europäische Kommission bekannt, dass die einseitigen Verbote durch außergewöhnliche vorübergehende Schutzmaßnahmen der EU ersetzt werden, die vom 2. Mai bis zum 5. Juni gelten sollen. Die Vereinbarung sieht ein Importverbot von Weizen, Mais, Raps- und Sonnenblumenkernen aus der Ukraine in die fünf Länder vor, wenn diese im Gegenzug die einseitigen Beschränkungen aufheben, wodurch der ukrainische Export aller anderen Waren wiederhergestellt und uneingeschränkte Exporte in andere EU-Mitgliedstaaten gewährleistet werden.

Wichtig ist, dass die EU nicht nur Einfuhrstopps für Weizen und Mais verhängt hat, die im Rahmen des Assoziierungsabkommens Zollkontingenten (TRQ) unterliegen. Diese Maßnahme gilt nun auch für Raps- und Sonnenblumenkerne, die schon seit Jahren zollfrei in die EU eingeführt werden können.

Handelseffekt für die Ukraine

Im März 2023 beliefen sich die ukrainischen Exporte von Weizen, Mais, Raps- und Sonnenblumenkernen in die betroffenen fünf EU-Länder auf 0,4 Mrd. USD, was ca. einem Drittel der Gesamtexporte der Ukraine dieser Waren entspricht. Die Exporte im März 2023 waren bereits niedriger als im Spitzenzeitraum August bis November 2022. Mais war dabei das wichtigste Gut, das in diese Länder geliefert wurde.

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Im April gingen die ukrainischen Agrar- und Nahrungsmittelexporte in die vier Länder, die Verbote verhängt haben, um 68% auf 0,1 Mrd. USD zurück.

Dennoch ist diese Entscheidung für die Ukraine wahrscheinlich „the best of the worst“. Die beste Situation wäre natürlich keine Verbote. Aber die derzeitige Vereinbarung erhält den Zugang zum Großteil des EU-Marktes und zu anderen Ländern durch Transitmöglichkeiten. Außerdem ist die Entscheidung explizit nur vorübergehend. Andererseits erfordert sie eine erhebliche Neuausrichtung, was zusätzliche Kosten für betroffene Exporteure bedeutet.

Ausblick

Nach Beginn des großangelegten Krieges und der Blockade der Seehäfen wurde die Entwicklung von Exportrouten auf dem Landweg gefördert und die Nachbarländer der Ukraine wurden zu einem wichtigen Ziel- und Transitort für Getreide und anderer Agrar- und Nahrungsmittelexporte, die zuvor auf dem Seeweg verschifft wurden. Die Auswirkungen der Handelsmaßnahmen der EU zeigen jedoch, dass sich die ukrainischen Agrarexporteure erneut auf andere Zielorte umorientieren müssen, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

Auch bestehen Zweifel hinsichtlich der Umsetzung der getroffenen Vereinbarung. Ungarn und die Slowakei haben die Aufhebung ihrer einseitigen Maßnahmen erst Mitte Mai vollzogen. Gleichzeitig forderten die fünf Nachbarländer bereits eine Ausweitung der Dauer der zeitlich begrenzten Maßnahmen und der Güter. Andere EU-Mitgliedstaaten äußerten dabei jedoch ernsthafte Bedenken über die Auswirkungen der Situation auf den freien Warenhandel im EU-Binnenmarkt und den Kompensationsmechanismus, über den Landwirte in diesen fünf Nachbarländern 100 Mio. EUR erhalten.

Die zukünftige Verfügbarkeit von Exportrouten bleibt damit ungewiss. Obwohl das Getreideabkommen, welches die wichtigste Route für die Verschiffung von Getreide, Saatgut und Ölen regelt, bis Juli verlängert wurde, leidet es unter erheblichen Defiziten. Auch die Donauhäfen sind nahezu voll ausgelastet. Daher ist ein zuverlässiger Landtransitkorridor ohne Hürden für die Ukraine sowie für die internationale Ernährungssicherheit von entscheidender Bedeutung. Schließlich wird diese politische Frage auch in den zukünftigen Beitrittsverhandlungen eine Rolle spielen.

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Bild: ©YARphotographer-stock.adobe.com