Eine „DREAM “ Plattform für den Wiederaufbau
Es ist mehr als 17 Monate her, dass Russland in der Ukraine einmarschiert ist und den 2014 begonnenen Krieg eskalierte. Die Kampfhandlungen haben zu massiven Verlusten und menschlichem Leid in der Ukraine geführt: viele Tausende Menschen wurden getötet, Millionen von Menschen wurden im Inland oder ins Ausland vertrieben und Tausende von sozialen Infrastrukturobjekten wurden zerstört. Solange der Krieg andauert, muss der Schwerpunkt auf dem Überleben der Ukraine liegen. Es ist aber auch an der Zeit, umfassende Konzepte für den Wiederaufbau zu entwickeln, da der Aufwand enorm sein wird. Nachdem die Ukraine eine Wiederaufbauagentur eingerichtet hat, wurde auf der Londoner Konferenz eine neue digitale Lösung für die Durchführung von Wiederaufbauprojekten vorgestellt: „DREAM“.
Dieses System integriert verschiedene staatliche IT-Plattformen und zielt darauf ab, eine übergreifende und leicht zugängliche Projektanwendungs- und -umsetzungsplattform für die wichtigsten Akteure zu schaffen: die ukrainische Bevölkerung, Zivilgesellschaft, lokale Verwaltung, die Zentralregierung und internationale Partner.
Die Kosten für den Wiederaufbau steigen täglich
Jüngste Schätzungen der ukrainischen Regierung und internationaler Partnerinstitutionen beziffern die Kosten für den Wiederaufbau auf 411 Mrd. USD, davon 135 Mrd. USD als direkte Schäden (Stand: Februar 2023). Inzwischen sind die Schätzungen der direkten Schäden jedoch um mindestens weitere 15 Mrd. USD.
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Dabei wurden mehr als 168.000 Wohngebäude und mehr als 4.000 Bildungseinrichtungen beschädigt oder zerstört, was die humanitäre Komponente des Wiederaufbaus weiter unterstreicht.
Herausforderungen für den Wiederaufbau
Da die Kosten außerordentlich hoch sind, ist es von entscheidender Bedeutung, den Aufwand auf der Grundlage klarer Regeln und Grundsätze durchzuführen, u.a:
- Fortlaufende finanzielle Unterstützung zur Aufrechterhaltung der ukrainischen Wirtschaft während des Krieges
- Harmonisierung der Wiederaufbaubemühungen mit internationalen Standards
- Sicherstellung, dass der Wiederaufbau von der ukrainischen Bevölkerung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getragen und koordiniert wird
- Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht während des gesamten Prozesses
Außerdem ist dieser Prozess nicht nur eine Gelegenheit zur Instandsetzung, sondern auch zur Erneuerung nach dem Konzept „Build Back Better“. Da angesichts der Schäden Zehntausende von Projekten gleichzeitig durchgeführt werden müssen, kann der Wiederaufbau der Ukraine mit all seiner Komplexität nicht von einer einzigen „Backstein“-Institution mit einer „Papier“-Bürokratie bewältigt werden. Die Verwaltung und Bündelung von Finanzierungsquellen stellen dabei eine besondere Herausforderung dar.
Die DREAM-Plattform: Hauptziele
Das Ministerium für Wiederaufbau hat gemeinsam mit der Staatlichen Agentur für Wiederaufbau, Open Contracting Partnership, Transparency International Ukraine, dem Better Regulation Delivery Office und den wichtigsten NGOs der RISE Ukraine Koalition eine neue digitale Lösung für die Auflistung der Wiederaufbauprojekte entwickelt: „Dream„. DREAM ist ein Akronym für Digital Restoration Ecosystem for Accountable Management: ein System, das wichtige Datensätze integriert und Daten über Wiederaufbauprojekte veröffentlicht, die mit Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht koordiniert werden sollen, um Vertrauen zwischen Behörden, Bürgern, Unternehmen und Finanzinstituten aufzubauen. Bis Ende 2023 wird die Plattform die folgenden neun staatlichen IT-Lösungen integrieren, welche die Digitalisierung des gesamten Wiederaufbauprozesses ermöglichen.
(1) Register für beschädigtes und zerstörtes Eigentum
(2) GIS – Geoinformationssystem für die regionale Entwicklung (in Entwicklung)
(3) Einheitliches elektronisches System im Bausektor (e-Construction)
(4) Diia – Ein einheitliches Portal für öffentliche Dienstleistungen
(5) Verwaltungssystem für den Wiederaufbau der Infrastruktur
(6) Prozorro – Elektronisches System für das öffentliche Auftragswesen
(7) eContracting (in Entwicklung)
(8) Spending.gov.ua – Einheitliches Webportal für die Verwendung öffentlicher Mittel
(9) Einheitliches staatliches Register für juristische Personen
DREAM verfolgt ein Projekt von seiner Entstehung bis zu seiner Umsetzung. Auf diese Weise können Geber, Zivilgesellschaft, Regierung, Gemeinden und Unternehmen alle Beschaffungsvorgänge im Zusammenhang mit einem bestimmten Projekt über eine einzige Plattform verfolgen, was eine effizientere Koordinierung zwischen ihnen ermöglicht.
Wie funktioniert DREAM?
Jedes DREAM-Projekt hat eine eigene ID, die es jedem Nutzer ermöglicht den Projektzyklus zu monitoren. Ein Beispiel: Eine Gemeinde in der Region Kharkiv möchte eine durch russischen Beschuss zerstörte Schule wiederaufbauen. DREAM ermöglicht es allen Stakeholdern alle wichtigen Schritte im Wiederaufbauprozess zu monitoren, da sie alle öffentlich zugänglich sind.
1) Die lokale Behörde erstellt eine neue Projekt-ID und lädt Details über die Schule in das Register für beschädigtes und zerstörtes Eigentum hoch
2) Danach erstellt die Behörde die Projektdokumentation, einschließlich der Kostenschätzung
3) Sobald das Projekt auf Grundlage der von der Weltbank und der ukrainischen Regierung gemeinsam entwickelten Prioritätskriterien ausgewählt ist, kann es durch die gesamte Durchführungsphase verfolgt werden.
4) Die Geldgeber bewerten die Kostenschätzung und stimmen das Projekt untereinander ab. Sobald ein Geldgeber die Verantwortung für die Schule übernimmt, findet eine öffentliche Ausschreibung über Prozorro statt.
5) Die ausgewählte Durchführungspartei wird auf der Grundlage der öffentlichen Ausschreibung ausgewählt und der Wiederaufbau der Schule beginnt
6) Alle Beteiligten: die ukrainische Bevölkerung, die lokale Zivilgesellschaft, die lokalen Behörden, die Landesregierung, der Geber und die ausführende Partei können alle diese Schritte bis zur Wiederinbetriebnahme der Schule überwachen
DREAM soll über Überwachungs- und Kontrollfunktionen verfügen, einschließlich Instrumenten für die Beteiligung der Öffentlichkeit (eDem) wie öffentliche Anhörungen oder Feedback zur Projektumsetzung. Ab 2024 werden Einwohner von Gemeinden die Möglichkeit haben, für Projekte zu stimmen, die sie unterstützen, oder ihre Ideen zur Umsetzung einzubringen. Dieses Modul für öffentliche Anhörungen soll in DREAM integriert werden und stellt eine wichtige Komponente im Entscheidungsprozess dar. Mit Instrumenten wie Business-Intelligence-Lösungen, Dashboads und Open Data kann jeder auf der Welt die Umsetzung geplanter Projekte einsehen.
Die derzeitige Rolle
Obwohl DREAM erst auf der Londoner Konferenz vorgestellt wurde, sind bereits Tausende von Projekten im System hochgeladen. Dabei handelt es sich um Projekte, die von internationalen Finanzinstitutionen und Gebern wie der Europäischen Investitionsbank, der Weltbank und USAID finanziert werden. Die Nutzung von DREAM ist auch für alle lokalen Behörden verpflichtend, die Finanzmittel aus dem Staatlichen Fonds zur Beseitigung der Folgen der russischen Aggression beantragen. Aus diesem Fond erhielten bis zum 16. August 2023 290 regionale und lokale Projekte 11,3 Mrd. UAH (ca. 300 Mio. USD), die bis 2024 umgesetzt werden sollen. Da alle Projekte öffentlich zugänglich sind, können durch die Plattform die Interessen von Investoren und Geberorganisationen mit den Bedürfnissen der Regionen und Gemeinden in Einklang gebracht werden.
Ausblick
Alle wichtigen Instrumente und Funktionen von DREAM werden im Laufe des Jahres 2023 entwickelt und implementiert, einschließlich des Dashboards und Instrumente für Geber, und der öffentlichen API. Einige der zusätzlichen Lösungen wie das Risikomanagementsystem und die eDem-Funktionalität sind für 2024 geplant, was DREAM zu einem komplexen und umfangreichen System für den Wiederaufbau und das Investitionsmanagement machen wird. Somit bietet DREAM eine wichtige transparente Plattform, um den Traum einer modernen, starken und wohlhabenden europäischen Ukraine zu verwirklichen.
Viktor Nestulia ist Leiter des DREAM-Projektbüros und Leiter der Ukraine-Unterstützung bei Open Contracting Partnership.
Tetiana Yashchuk ist Kommunikationsmanagerin beim Projektbüro DREAM.