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Sebastian Staske

Drittes Jahr mit hohem Wachstum bei langsamer Abkühlung

Mit einem Wachstum von 7,5% verzeichnete Georgien 2023 das dritte Jahr in Folge ein sehr hohes Wachstum. Haupttreiber waren öffentliche Investitionen und ein starker Binnenkonsum. Der Dienstleistungssektor, insbesondere Tourismus, Transport und IT, spielte eine wichtige Rolle für das Wachstum. Für 2024 wird ein Wachstum von 5,7% erwartet. Die Aufwertung des Lari hat sich zwar verlangsamt, trug aber zur Verringerung der importierten Inflation bei und ermöglichte es der Nationalbank, den Leitzins zu senken.

  • Georgien
NL 58 | Mai - Juni 2024
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Die Handelsdynamik hat sich ebenfalls verlangsamt, aber die Importe und Reexporte von Kraftfahrzeugen sind deutlich gestiegen. In einem Umfeld hohen Wachstums verringerten sich das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung auf 2,8% bzw. 38,2% des BIP. Mit Blick auf die Zukunft ist die bevorstehende Parlamentswahl ein wichtiger Faktor für die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik.

Öffentliche Investitionen und Konsum als Haupttreiber

2023 wuchs die georgische Wirtschaft mit einer Wachstumsrate von 7,5% das dritte Jahr in Folge sehr stark. Haupttreiber waren die Investitionen (22,6% z. Vj.), die hauptsächlich vom öffentlichen Sektor getätigt wurden, und der weiterhin starke Binnenkonsum, der traditionell ein Hauptfaktor für das Wachstum ist. Die Investitionen spielten eine wichtige Rolle bei der Ankurbelung des Bausektors (17,2% z. Vj.).

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Der Dienstleistungssektor (9,8% z. Vj.) dominierte weiterhin die georgische Wirtschaft, mit bedeutenden Beiträgen von Tourismus-, Transport- und IT-Dienstleistungen. Die Auswirkungen externer Faktoren, wie die Zuwanderung von Menschen aus Russland und Belarus, begannen sich zu normalisieren: zwischen Q1-2023 und Q1-2024 kam es laut Grenzstatistik zu einer Nettoabwanderung von rund 40.000 Menschen aus Russland.

Der anfängliche Zustrom von Zugezogenen hatte den Konsum und die Konjunktur im Jahr 2022 kurzfristig angekurbelt und auch externe Zuflüsse wie Geldtransfers beeinflusst. Für 2024 liegt die Wachstumsschätzung bei rund 5,7%. Diese Prognose deutet auf eine Rückkehr zu typischeren Trendwachstumsraten hin, da sich die vorübergehenden Auswirkungen der externen Zuflüsse und Handelsanpassungen normalisieren. Das für 2024 prognostizierte Wachstum wird durch fortgesetzte öffentliche Investitionen und anhaltende Verbraucherausgaben gestützt. Mit seinem Wachstumsprofil gehört Georgien auch zu den Spitzenreitern in der Region.

Lari bleibt real aufgewertet

Der Lari wies in den letzten Monaten eine relativ geringe Volatilität auf: Zwischen Mitte 2023 und Apr-24 bewegte er sich die meiste Zeit in einem engen Band von etwa 2,60 bis 2,70 GEL/USD, nachdem er im Jahr 2022 und Anfang 2023 stark aufgewertet hatte.

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Die Aufwertung spiegelt mehrere Faktoren wider. Einer der Hauptgründe für diese Aufwertung war der Zustrom von Menschen aus Russland und Belarus seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Dieser Zustrom brachte erhebliche Devisen nach Georgien und stützte den Lari. Auch der Aufschwung des Tourismussektors spielte eine wichtige Rolle bei der Stützung der Währung. Obwohl viele Russen das Land inzwischen verlassen haben, hat dies nicht zu einem größeren Abfluss von Devisen geführt. Die Geldtransfers tendieren zwar ebenfalls zur Normalisierung, sind aber im Vergleich zur Vorkriegszeit nach wie vor hoch.

Obwohl sich der Trend zur realen Aufwertung 2023 verlangsamt hat, hat der Lari seit 2021 insgesamt real um rund 40% aufgewertet. Dies erleichtert den Import von Investitionsgütern und wirkt sich dämpfend auf die Inflation aus (da viele Güter importiert werden), belastet aber auch die Wettbewerbsfähigkeit.

Mit 4,8 Mrd. USD sind die internationalen Reserven im Vergleich zu den Vorjahren etwas höher. Allerdings sind sie seit der zweiten Jahreshälfte 2023 rückläufig. Im Mrz-24 kaufte die Nationalbank zum ersten Mal in ihrer Geschichte Gold (7t für 500 Mio. USD), das nun ca. 11% der Reserven ausmacht.

Inflation bleibt niedrig, Geldpolitik wird gelockert

Die Aufwertung des Lari hat dazu beigetragen, die importierte Inflation abzuschwächen, da Importe billiger wurden. Die Inflation ging im Laufe des Jahres 2023 deutlich auf nahezu Null zurück und ist seitdem nur leicht gestiegen (Apr-24: 1,5% z. Vj.). Als Reaktion auf den verringerten Inflationsdruck hat die Nationalbank einen vorsichtigen Ansatz zur Lockerung der Geldpolitik gewählt. Sie senkte den Leitzins im Jahresverlauf 2023 und 2024 in sieben Schritten allmählich von 11% auf 8%.

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Normalisierung beim Handel, Autos als Haupttreiber

Die Handelsdynamik hat sich nach drei Ausnahmejahren normalisiert. Die Warenexporte und -importe stiegen um 9,1% bzw. 15,1% zum Vorjahr. Die Veränderungen sind weitgehend auf die Entwicklung der Reexporte zurückzuführen, wobei Kraftfahrzeuge (Reexporte: +135%, Importe: +95%) am stärksten zu diesem Anstieg beitrugen. Für 2024 wird eine Fortsetzung der allgemeinen Trends mit einem Anstieg der Warenexporte und -importe um 7,9% bzw. 7,2% prognostiziert.

Die Dienstleistungsexporte stiegen 2023 um 23,6%, ein moderater Anstieg im Vergleich zu den letzten drei Jahren, die von Sonderfaktoren geprägt waren. Die Umsätze im wichtigen Tourismussektor stiegen auf 4,1 Mrd. USD (17% z. Vj.). Auch die Sektoren Verkehr (23% z. Vj.) und IT (53% z. Vj.) zeigten, ausgehend von einer niedrigeren Basis, eine positive Dynamik und haben zunehmende Bedeutung für die Dienstleistungsexporte insgesamt. 2024 werden sie voraussichtlich um 7,9% zum Vorjahr steigen.

Haushaltsdefizit und Schuldenquote verringert

Das Haushaltsdefizit ging 2023 leicht auf 2,8% des BIP zurück. Auf den ersten Blick mag dies angesichts des starken Wachstumsumfelds hoch erscheinen, aber viele Ausgaben können auf Investitionskosten zurückgeführt werden. Wichtig ist, dass die Prognosen auch mittelfristig die Einhaltung der Fiskalregel (3% des BIP) erwarten lassen.

Das hohe Wachstum und die Aufwertung in den letzten Jahren haben zu einem starken Rückgang der öffentlichen Schuldenquote beigetragen. Lag sie im Jahr 2021 noch bei rund 50% des BIP, so liegt sie nun bei 38,2% des BIP. Wie beim Haushaltsdefizit wird auch für die Schuldenquote mittelfristig eine Stabilisierung um den aktuellen Wert erwartet.

Ausblick

Die georgische Wirtschaft hat in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnet und wird sich voraussichtlich auch weiterhin gut entwickeln. Ein wichtiger Faktor, auf den man achten sollte, sind die politischen Entwicklungen. Im Mai wurde das „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ verabschiedet, nach dem sich Nichtregierungsorganisationen und Medien, die mehr als 20% ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, registrieren müssen. Politisch hat das Gesetz zu breiten Protesten geführt und die Beziehungen zur EU verschlechtert. Am 27. Juni erklärte der Europäische Rat, dass das Gesetz „de facto zum Aussetzen des Beitrittsprozess führt“. Auf wirtschaftlicher Seite haben sich die Deutsche Wirtschaftsvereinigung, AmCham und andere gegen das Gesetz ausgesprochen, da sie negative Auswirkungen auf das Unternehmensklima befürchten. Auch wenn es für eine umfassende Bewertung noch zu früh ist, sind die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen bereits sichtbar: Der Lari hat an Wert verloren, wobei die Nationalbank die Währung mit Devisenverkäufen in Höhe von 168,7 Mio. USD stützte. Die Risikoprämie des georgischen Eurobonds im Vergleich zu US-Staatsanleihen hat sich erhöht. Es bleibt abzuwarten, ob diese Trends nur vorübergehend sind. Beobachter richten ihren Blick auf die bevorstehende Parlamentswahl im Oktober, die auch für die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik von entscheidender Bedeutung sein wird.

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Dieser Newsletter basiert auf der 19. Ausgabe unseres Wirtschaftsausblicks Georgien.