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Garry Poluschkin

Die EU ruft zur Einreichung von Investitionsprojekten auf

Die EU hat ein Instrument aufgesetzt mit dem Ziel, 40 Mrd. EUR an Investitionen in der Ukraine zu mobilisieren. Investitionen in der Ukraine sind mit großen Unsicherheiten und hohen Finanzierungskosten behaftet. Bestehend aus Finanzmitteln in Höhe von bis zu 9,3 Mrd. EUR soll dieses Instrument diese Herausforderungen adressieren und dabei das Wirtschaftswachstum und Investitionen ankurbeln. Diese Unterstützung fällt unter die Säule II der Ukraine-Fazilität der EU – ein mit 50 Mrd. EUR ausgestattetes Programm für den Zeitraum 2024 bis 2027, das die wirtschaftliche Erholung der Ukraine insgesamt stärken soll.

Die EU ruft an Investitionen interessierte Unternehmen zur Einreichung von Investitionsvorhaben auf und bietet Zuschüsse, Darlehen und technische Unterstützung bei der Durchführung dieser Vorhaben an.

  • Ukraine
NL 194 | Dezember 2024
Entwicklung des Privatsektors
Hintergrund: die Ukraine-Fazilität der EU

Als Reaktion auf die makroökonomischen Herausforderungen der Ukraine hat die EU im März 2024 eine Ukraine-Fazilität eingerichtet, ein Unterstützungsinstrument mit einer Gesamtausstattung von 50 Mrd. EUR für den Zeitraum 2024 bis 2027. Diese besteht aus drei Säulen: der Haushaltsfinanzierung, dem Investitionsrahmen und der technischen Unterstützung für den EU-Beitritt.

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Bis November 2024 hat die EU bereits 16,3 Mrd. EUR im Rahmen der gesamten Fazilität ausgezahlt, von denen der Großteil als laufende Haushaltshilfe in Form von Zuschüssen und Darlehen bereitgestellt wurde. Die Grundlage bildet der „Ukraine-Plan“, der die Strategie der Ukraine für Reformen und wirtschaftliche Erholung während dieses Zeitraums definiert. Der Plan umreißt die Reformagenda sowie die Schlüsselsektoren, die als strategisch für die wirtschaftliche Entwicklung gelten.

Investitionen bilden das Herzstück der Säule II. Sie umfasst etwa 7 Mrd. EUR, die aus EU-Mitteln finanziert werden. Ein Teil davon (1,5 Mrd. EUR) wird durch EU-Zuschüsse bereitgestellt, während der verbleibende Betrag durch Garantien in Höhe von 70% für Darlehen internationaler Finanzinstitutionen (IFIs) abgesichert wird. Dadurch werden im Rahmen der Säule II bis zu 9,3 Mrd.  EUR für interessierte Unternehmen zur Verfügung gestellt.

Private Investitionen als Schlüssel

Die ukrainische Wirtschaft wurde vor dem Krieg maßgeblich durch den privaten Sektor getragen, weshalb auch die wirtschaftliche Erholung diesem Modell folgen soll. Während private inländische Investoren den Großteil der Investitionen ausmachen, sind ausländische Direktinvestitionen (FDI) ein wichtiger Motor, um die Produktivität zu beschleunigen und die Wachstumsperspektiven zu verbessern.

Bereits im Januar 2024 beliefen sich die geschätzten Wiederaufbaukosten auf 486 Mrd. USD. Um einen Verdrängungseffekt durch den öffentlichen Sektor zu vermeiden, werden private Investitionen eine zentrale Rolle einnehmen, um die Finanzierungsherausforderungen des Wiederaufbaus zu bewältigen. Allerdings birgt Russlands Krieg erhebliche Unsicherheiten für Investitionen. Aus diesem Grund bleibt die Finanzierung äußerst schwierig. Beispielsweise sind europäische Geschäftsbanken in ihren Ukraine-bezogenen Aktivitäten aufgrund des geringen Länderratings eingeschränkt. Gleichzeitig verlangen ukrainische Banken jährliche Zinssätze von etwa 20%, und ausländische Unternehmen sind besonders von den Kapitalverkehrskontrollen betroffen und haben keinen Zugang zum staatlichen Kreditsubventionsprogramm „5-7-9“. Obwohl es einzelne Investitionsgarantiesysteme gibt, fehlt ein umfassendes Garantiesystem für private ausländische und inländische Investitionen. Vor diesem Hintergrund richtete die EU die Säule II als Investitionsrahmen (UIF) ein.

Die EU startet Investitionsaufrufe

Im Oktober startete die EU einen ersten Aufruf für Unternehmen im Rahmen des UIF. Der erste Aufruf, der für 12 Monate offenbleibt, umfasst eine indikative Summe von 2,75 Mrd. EUR und richtet sich an staatliche und nicht-kommerzielle halbstaatliche Institutionen, wobei der Energiesektor und Bereiche mit dem Fokus auf vulnerable Gruppen Priorität genießen. Dabei ist zu betonen, dass die Ukraine die IWF-Vorgaben für Reformen im Management öffentlicher Investitionen erfüllt hat, was die Auszahlung der Tranche der erweiterten Kreditfazilität (EFF) im Oktober ermöglicht hat.

Der zweite Aufruf wurde im Rahmen der Ukraine-Investitionskonferenz auf der ReBuild Ukraine in Warschau im November gestartet. Dieser richtete sich an europäische Unternehmen sowie an Joint Ventures und Konsortien, die sowohl Unternehmen aus der EU als auch der Ukraine umfassen können. Der dritte Aufruf konzentriert sich auf Quasi-Equity- und Equity-Investitionen in den relevanten Sektoren.

Säule II – UIF: Funktionsweise

Die technische Überwachung erfolgt durch die Europäische Kommission und wird in indirektem Management durch europäische und multilaterale Finanzinstitutionen wie der EBRD und der EIB umgesetzt. Über diese Institutionen stellt der Rahmen Zuschüsse, Darlehen, Risikodeckung und technische Unterstützung zur Verfügung.

Auf der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz (URC) in Berlin unterzeichnete die Europäische Kommission die ersten Investitionsvereinbarungen über Garantien und Zuschüsse in Höhe von 1,4 Mrd. EUR, darunter 1 Mrd. EUR an Darlehensgarantien und 400 Mio. EUR in Form von Mischfinanzierungszuschüssen. Teil dieser Maßnahmen ist die öffentliche Ankündigung der EBRD, ein Darlehen in Höhe von 60 Mrd. EUR, abgesichert durch finanzielle Garantien im Rahmen des UIF, an ein privates ukrainisches Unternehmen im Bereich Biokraftstoffe zu vergeben. Darüber hinaus wird die EIB eine zentrale Rolle bei Transaktionen mit staatlichen und nicht-kommerziellen halbstaatlichen Institutionen spielen.

Was sind die Ziele?

Während sich die EBRD-Transaktion auf den Energiesektor konzentrierte, hat das ukrainische Wirtschaftsministerium im Rahmen des Ukraine-Plans fünf weitere Schlüsselbereiche identifiziert:

  • Energiesektor
  • Agrarsektor
  • Transport und Logistik
  • Kritische Rohstoffe
  • Verarbeitende Industrie und Produktion
  • IT-Branche und Digitalisierung

Die Regierung der Ukraine hebt im Ukraine-Plan die Schlüsselrolle dieser Sektoren für die wirtschaftliche Erholung hervor. Daher haben die EU und die Ukraine diese Sektoren als strategische Orientierungen des UIF festgelegt.

Die Säule-II-Verordnung definiert zudem horizontale Zielvorgaben:

  • Mindestens 20% für grüne Investitionen
  • Mindestens 15% für Start-ups, Mikro-, kleine und mittlere Unternehmen
  • 25% für ukrainische staatliche und nicht-kommerzielle halbstaatliche Institutionen, die durch die EIB unterstützt werden sollen.

Das Gesamtziel besteht darin, mindestens 40 Mrd. EUR an Investitionen zu mobilisieren (~24% des ukrainischen BIP im Jahr 2023).

Zusammenfassung und Ausblick

Die Ukraine ist mit einem äußerst herausfordernden Investitionsklima konfrontiert. Kriegsrisiken und Finanzierungseinschränkungen stellen erhebliche Hindernisse für Investitionen dar. Gleichzeitig sind private Investitionen vor dem Hintergrund von Wiederaufbaukosten entsprechend „Build Back Better“-Konzept in Höhe von fast 500 Mrd. USD (Stand Jan-24 und täglich steigend) dringend erforderlich. Um das Wachstum zu beschleunigen, mit anderen Ländern gleichzuziehen und die Herausforderungen des Wiederaufbaus zu stemmen, wird die Ukraine erhebliche Investitionen benötigen, insbesondere aus dem privaten Sektor.

Während marktbasierte Finanzierung für Investitionen in der Ukraine derzeit sehr begrenzt sind, hat der UIF das Potenzial, eine wichtige Rolle bei der Überbrückung dieser Lücke zu spielen. Bei der Bewältigung des Wiederaufbaubedarfs ist der UIF jedoch kein Ersatz für andere Formen der Unterstützung, sondern ergänzt diese vielmehr.

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