Devisenbeschränkungen werden weiter liberalisiert
Anfang Mai ging die Nationalbank der Ukraine (NBU) einen weiteren signifikanten Schritt bei der Liberalisierung des Devisenverkehrs. Die Maßnahmen betreffen sechs Bereiche und ermöglichen zum ersten Mal seit Kriegsbeginn eine begrenzte Rückführung von Dividenden. Diese Entscheidung wurde angekündigt, nachdem sich die Exportentwicklung verbessert hat und die USA ein Hilfspaket genehmigt hatten, das direkte Budgethilfen beinhaltet. Dadurch können die finanziellen Zusagen das für 2024 geschätzte Haushaltsdefizit abdecken.
Die NBU erwartet daher, dass der derzeitige Bestand an internationalen Reserven dieses Jahr stabil bleibt. Obwohl viele der seit Einführung des Kriegsrechts auferlegten Beschränkungen bestehen bleiben, werden die angekündigten Maßnahmen den Zugang zu Finanzierung verbessern. Die Maßnahmen sind daher ein wichtiges Signal für neue Auslandsinvestitionen, insbesondere im Vorfeld der bevorstehenden Wiederaufbaukonferenz in Berlin im Juni.
Hintergrund
Mit Ausbruch des Krieges sah sich die NBU gezwungen, strenge Devisenbeschränkungen einzuführen und den Wechselkurs zu fixieren. Beschränkt wurden unter anderem Dividenden- und Kreditrückzahlungen ins Ausland sowie Transaktionen mit Fremdwährungskonten. Die NBU hat bereits Erfahrung im Umgang mit makrofinanzieller Instabilität. Nachdem Russland 2014 die Krim und Teile der Regionen Donezk und Luhansk besetzte, hatte die NBU strenge Beschränkungen eingeführt. Diese wurden bis 2019 schrittweise gelockert. Als der finanzielle Stress mit Beginn des Krieges stark anstieg, musste die NBU auf diese Erfahrungen zurückgreifen.
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Strategie der NBU
Im Laufe des Krieges hat sich die Wirtschaft langsam vom ersten Schock erholt. Der Finanzstressindikator ist analog zurückgegangen, weshalb die NBU bereits ab 2022 erste Liberalisierungsschritte einleiten konnte. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die Rückkehr zu einem flexiblen (kontrollierten) Wechselkursregime. Im Juli 2023 veröffentlichte die NBU in Abstimmung mit dem IWF eine Strategie, die weitere Liberalisierungsschritte vorsieht. Darin werden drei Phasen definiert:
- Graduelle Erleichterungen bei Handelsgeschäften, Neuinvestitionen und Finanzierung, insbesondere durch neue Kredite und Dividenden. Diese Phase ist weiter im Gange.
- Die zweite Phase wurde im Mai 2024 eingeleitet. Sie sieht weitere Erleichterungen beim Fremdwährungskauf, bei ausstehenden Krediten und bei der Handelsfinanzierung vor.
- Die dritte Phase kann schließlich in Zukunft mehr Transaktionen für private Haushalte und Unternehmen ermöglichen, mit dem Ziel einer schrittweisen Rückkehr zum Vorkriegsniveau.
Worin bestehen die aktuellen Maßnahmen?
Anfang Mai kündigte die NBU mehrere Liberalisierungsmaßnahmen in insgesamt sechs Bereichen aus der ersten und zweiten Phase an, die spätestens am 13. Mai 2024 in Kraft getreten sind:
- Alle Beschränkungen für den Kauf und Transfer von Fremdwährungen ins Ausland für Importtätigkeiten und -dienstleistungen werden liberalisiert. Dies gilt auch für Bußgeldzahlungen, Hafen- und Flughafengebühren sowie Mitgliedsbeiträge.
- Die Rückführung von Dividenden ist auf Grundlage des Unternehmensergebnisses vom 1. Januar 2024 bis maximal 1 Mio. EUR pro Monat zulässig.
- Unternehmen können Auslandsüberweisungen für Miet- und Pachtverträge tätigen.
- Die Beschränkungen für die Rückzahlung von neuen (ab 20. Juni 2023 aufgenommenen) Auslandskrediten werden weiter gelockert. Fremdwährungskäufe sind nun erlaubt für Tilgungszahlungen von Krediten mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr. Zudem sind Fremdwährungskäufe für die Tätigung von Zinszahlungen für Kredite erlaubt, unabhängig von deren Kreditlaufzeiten.
- Zahlungen ins Ausland werden erlaubt, um Zinsen für ausstehende Kredite zu zahlen, (Zinszahlungen fällig nach dem 24. Februar 2022). Pro Kreditvereinbarung dürfen die Zinszahlungen nicht 1 Mio. EUR pro Quartal übersteigen.
- Tochterunternehmen bestimmter Unternehmen (insbesondere internationaler Kartenzahlungssysteme) können Fremdwährungen kaufen und auf das Konto der Mutter im Ausland überweisen – monatliches Limit bei 5 Mio. EUR.
Makrofinanzielle Stabilität ist notwendige Bedingung
Diese Ankündigung erfolgte nachdem sich zwei entscheidende Faktoren zugunsten der Ukraine entwickelten. Erstens ist das Handelsbilanzdefizit in den ersten drei Monaten 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26% zurückgegangen. Dies ist vor allem auf die Etablierung eines neuen Schwarzmeerkorridors für Exporte zurückzuführen, der durch internationale Versicherungsabkommen unterstützt wird.
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Zweitens haben die USA eine Finanzhilfe in Höhe von 8 Mrd. USD als Teil eines großen Unterstützungspaketes von 61 Mrd. USD bewilligt. Nachdem die EU 16 Mrd. EUR im Rahmen der Ukraine-Fazilität Säule I genehmigt hat und auch weitere Partnerländer und -organisationen Unterstützungspakete genehmigt haben, ist die Haushaltslücke für dieses Jahr im Prinzip geschlossen.
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Die internationalen Reserven gingen in der zweiten Jahreshälfte 2023 zurück. Sie erholten sich jedoch wieder aufgrund dieser zwei positiven Entwicklungen. Im April beliefen sich die Reserven auf 42,4 Mrd. USD und deckten damit fast sechs Monate an Importen ab.
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Signal für Privatinvestitionen
Die nun angekündigten Liberalisierungsschritte sind ein klares Signal an ausländische Investoren. Zum einen wird die Fremdfinanzierung für grenzüberschreitende Kreditrückzahlungen erleichtert. Derzeit haben ausländische Unternehmen keinen Zugriff auf das „5-7-9“-Kreditsubventionsprogramm und sind auf marktübliche Unternehmenskredite mit Zinssätzen von rund 20% p.a. angewiesen. Zum anderen unternimmt die NBU erste Schritte zur Liberalisierung der Dividendenrückführung. Dieser Schritt betrifft unmittelbar Unternehmen, die bereits investiert haben. Dieser Schritt eröffnet aber gleichzeitig neuen Investoren die Möglichkeit für zukünftige Rückführungen. Dieses Signal ist von besonderem Interesse, da die „Business“ Dimension einer der Schwerpunkte der bevorstehenden Wiederaufbaukonferenz (URC) in Berlin ist.
Ausblick
Die derzeitigen Liberalisierungsschritte sind ein klares Ergebnis der finanziellen Zusagen und der positiven Exportentwicklungen. Auch zukünftige Schritte werden von der Fortsetzung dieser Faktoren und der Abwesenheit negativer Schocks abhängen.
Auch wenn dieses Signal für Investoren im Moment wichtig ist, sollte es nicht als hinreichend für die Attrahierung von Investitionen in Zukunft angesehen werden. Was langfristig zählt, sind ein stabiles und nachhaltiges Sicherheitsumfeld und Reformen in Richtung EU-Mitgliedschaft.