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Lukas Feldhaus, Julian Milek

Der Energiesektor des Kosovo:
Ein Neuanfang ist nötig

Steigende Nachfrage, stagnierende Erzeugung, veraltete Infrastruktur sowie die Nutzung weitgehend ineffizienter Elektroheizungen in Privathaushalten setzen dem kosovarischen Stromsystem zu. Die Regierung reagiert darauf mit einer neuen Energiestrategie.

  • Kosovo
NL 3 | Januar - Februar 2022
Energie und Klima
Zusammenfassung

Das Energiesystem des Kosovo steht vor einem doppelten Problem: erstens steigt die Energienachfrage und zweitens stagniert die Erzeugung, die zudem von einer veralteten Infrastruktur abhängt. In letzter Zeit ist besonders die Stromnachfrage aufgrund der ineffizienten Nutzung von Strom zum Heizen in Privathaushalten sprunghaft angestiegen.
Die Antwort auf dieses strukturelle Problem wird sich auch in der kommenden Energiestrategie der Regierung widerspiegeln. Sie wiraus Energieeffizienzmaßnahmen zur Senkung der Nachfrage und Verringerung der Verluste bestehen, sowie aus neuen Wärme- und Stromquellen aus erneuerbaren Energien (Wind, Sonne), Gas oder sogar Kohle. Dies wird unterstützt durch Importe aus Nachbarländern und liberalisierte Energiemärkte, um Anreize für Investitionen zu setzen

Wachsender Bedarf übersteigt das Energieangebot

Die Energienachfrage im Kosovo wächst. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Endenergieverbrauch des Landes ungefähr verdoppelt und wächst jährlich um ca. 4%. Energie wird hauptsächlich in Form von Öl, Holz und Strom verbraucht. Der Hauptenergieträger des Kosovo ist Kohle, mit der 97% des Stroms erzeugt werden.

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Der größte Energieverbraucher sind die Privathaushalte, die ca. 40% der verfügbaren Energie verbrauchen, hauptsächlich in Form von Strom. Da kaum Fernwärmekapazitäten zur Verfügung stehen und die Strompreise niedrig sind, verwenden viele Haushalte ineffiziente elektrische Heizkörper. Dies hat die derzeitige Energiekrise noch erheblich verschärft. Der Verkehrssektor verbraucht mit 30% den zweitgrößten Anteil der verfügbaren Endenergie, hauptsächlich in Form von Öl. Es folgen Industrie (19%) und die kommerziellen und öffentlichen Dienstleistungen (10%).

Im Durchschnitt ist der Energieverbrauch pro BIP doppelt so hoch wie in der EU, während der Pro-Kopf-Verbrauch weitaus niedriger ist: nur ein Drittel des EUDurchschnitts. Dies ist vor allem auf das niedrige ProKopf-BIP des Kosovo zurückzuführen, da die meiste
Energie im privaten Bereich (Wohnen und Verkehr) und nicht in der Industrie und im Dienstleistungssektor verbraucht wird und somit nicht zum BIP beiträgt. Die Nettoenergieeinfuhren (Gesamteinfuhren abzüglich Ausfuhren) sind in den letzten zehn Jahren sowohl absolut als auch relativ gesehen gestiegen. Inzwischen importiert Kosovo fast ein Drittel seines gesamten Primärenergiebedarfs (TPES).

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Elektrizität: Die Nachfrage übersteigt die Erzeugung

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Stromnachfrage mehr als verdoppelt, was vor allem an privaten Verbrauchern liegt. Mit der Aussicht auf eine wachsende Bevölkerung und ein steigendes BIP wird die Stromnachfrage weiter zunehmen. Verschärft wird das
Problem dadurch, dass viele Haushalte ihre Häuser mit dem preislich gedeckelten und daher billigen Strom heizen, anstatt teurere Holzpellets zu verwenden. Eine weitere, eher strukturelle Herausforderung sind hohe Verluste: Mehr als 20% des produzierten Stroms
gehen auf dem Weg zum Endverbraucher verloren. Aufgrund dieser Ineffizienzen übersteigt die Nachfrage nach Strom im Kosovo das Angebot: Trotz eines großen Potenzials für die Stromproduktion aus fossilen und erneuerbaren Energien ist das Land auf teure Importe angewiesen, um die Nachfrage in Zeiten hohen Verbrauchs zu decken. Das Land exportiert auch Strom, allerdings hauptsächlich nachts, wenn die Preise niedrig sind. Obwohl die Netto-Stromimporte weniger als 5% des Stromverbrauchs ausmachen, ist das derzeitige
System der Importe in Zeiten hoher Preise und der Exporte in Zeiten niedriger Preise für die kosovarischen Energieversorger kostspielig. Die inländische Stromerzeugung des Kosovo stützt sich fast nur auf die großen Kohlevorkommen des Landes. Das Land erzeugt 97% seines Stroms aus Braunkohle in seinen beiden alten und emissionsintensiven Kohlekraftwerken „Kosovo A & B“. Die beiden Kraftwerke sind störanfällig (Kosovo A ist weniger als 40% der Zeit in Betrieb) und bedürfen der Reparatur oder der endgültigen Abschaltung. Ihre hohen Emissionswerte verstoßen gegen EU-Richtlinien, die das Kosovo als
Mitglied der Energiegemeinschaft der EU umsetzen muss. Das Land befindet sich derzeit in einem Streitbeilegungsverfahren mit der Energiegemeinschaft.

Ausblick: Neue Energiequellen und Marktliberalisierung

Da die inländische Stromversorgung des Kosovo der
steigenden Nachfrage nicht gerecht wird und strukturelle Reparaturen erforderlich sind, benötigt das Land rasch neue Energiequellen. Die Internationale Agentur
für erneuerbare Energien sieht ein Wind- und Solarpotenzial von fast 3.000 MW, das zusammen 4.600 GWh pro Jahr erzeugen könnte. In der folgenden Karte der
Solarressourcen sind die besten verfügbaren Standorte für Solarenergie dunkelrot eingefärbt.

Quelle: Weltbank – Global Solar Atlas

Dies würde theoretisch ausreichen, um den derzeitigen Strombedarf zu decken. Mittelfristig würde es jedoch nur ausreichen, wenn die Haushalte anfangen, effizientere Heiztechnologien zu verwenden und die Netzverluste auf ein Minimum reduziert werden. Hinzu kommt, dass erneuerbare Energiequellen oft nicht genau in dem Moment genutzt werden können, in dem sie erzeugt werden. Die Technologie, um sie zu
speichern, ist bereits vorhanden und erschwinglich. Der Aufbau eines sicheren Stromnetzes, das einen hohen Anteil an Wind- und Sonnenenergie verträgt, erfordert
jedoch eine detaillierte Planung und einen gut regulierten, aber offenen Markt, der Anreize für Investitionen genau dort schafft, wo sie benötigt werden. Die neue Energiestrategie, die derzeit von der Regierung entwickelt wird, entwirft genau einen solchen Plan. Das German Economic Team führt bereits eine Analyse potenzieller Energiespeichertechnologien durch und wird durch die Zusammenarbeit mit der Regierung bei der Energiestrategie die Planung des zukünftigen Energiesystems im Kosovo unterstützen. Die Liberalisierung des Strommarktes ist weit fortgeschritten, da die Verteilungs- und Übertragungsunternehmen entflochten wurden. Auf dem Einzelhandelsmarkt werden die Preise jedoch noch
künstlich gesenkt. Wenn in einem freien Markt die Preise steigen, sollten arme Haushalte unterstützt werden, um Energiearmut zu verhindern. Das German Economic Team wird kurzfristige Maßnahmen vorschlagen, um den Druck der Preiserhöhungen auf die Haushalte
zu mildern.

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