Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich
Die belarussische Wirtschaft verzeichnete 2024 ein solides Wachstum von 4,0%, das durch eine starke Binnennachfrage getragen wurde. Für 2025 prognostiziert der IWF ein geringeres Wachstum von 2,8%. Diese Einschätzung wird durch die Entwicklungen in den ersten Monaten des Jahres bestätigt und lässt sich auf fiskalische und industrielle Beschränkungen, Arbeitskräftemangel sowie auf westliche Sanktionen zurückführen. Die Inflation bleibt stabil und wird 5,5% erreichen. Allerdings verzerren Preiskontrollen die Entwicklung. Belarus weist weiterhin einen Budgetüberschuss aus, der jedoch auf die eingeschränkte Fähigkeit zurückzuführen ist, sich auf internationalen Finanzmärkten zu finanzieren. Dabei nimmt die Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung Russlands zu. Der Handel mit der EU ist weitgehend zum Erliegen gekommen, während die Handelsbeziehungen mit Russland stabil bleiben. Die wachsende Abhängigkeit von Russland zeigt sich darüber hinaus im Energiesektor: Die Versorgung basiert nahezu vollständig auf (importierten) fossilen Brennstoffen. Zudem verlagert sich die Stromproduktion von Erdgas zunehmend hin zur Kernenergie, was zu einem steigenden Bedarf an Importen von Kernbrennstoffen aus Russland führt. Insgesamt befindet sich die Wirtschaft in einer Phase der Stagnation, während die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland weiter zunimmt.
Solides Wachstum 2024, jedoch eingetrübter Ausblick
Die Wirtschaft wuchs 2024 um 4,0%. Triebfeder war der private Konsum, der um 12,6% zum Vj. zunahm. Diese Entwicklung wurde durch Lohnwachstum sowie eine Ausweitung der Konsumentenkredite begünstigt. Andere Bereiche der Nachfrageseite entwickelten sich weniger dynamisch: Die Investitionstätigkeit legte lediglich moderat zu, während die Staatsausgaben aufgrund eingeschränkter Verschuldungsmöglichkeiten weitgehend stagnierten.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
Von Januar bis April 2025 wuchs die belarussische Wirtschaft moderat um 2,8% zum Vj. und bestätigte damit die erwartete Abschwächung des Wirtschaftswachstums für das Gesamtjahr 2025.
Bauwirtschaft als treibender Sektor auf der Angebotsseite
Auf der Angebotsseite bleibt der Bausektor der wesentliche Wachstumstreiber und verzeichnete von Januar bis April 2025 ein kräftiges Plus von 11,4% zum Vorjahr. Diese Entwicklung ist vor allem auf staatlich initiierte Importsubstitutionsprogramme sowie auf Lieferkettenanpassungen infolge der verhängten Sanktionen zurückzuführen. Der IKT-Sektor zeigt Anzeichen einer Erholung mit einem Wachstum von 5,5% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zuvor war der Sektor 2023 um 14,2% eingebrochen und hatte 2024 lediglich ein geringes Wachstum von 1,8% verzeichnet.
Im Industriesektor wirken sich die Sanktionen, logistischen und arbeitsmarktbedingten Engpässe belastend aus. Nach einem kräftigen Produktionsanstieg 2024 betrug das Wachstum in den ersten vier Monaten 2025 nur noch 1,2%. Gleichzeitig nahm der Lageraufbau deutlich zu: Lagerbestände machten im Dezember 2024 50% der Industrieproduktion aus, im April 2025 66%. Dies ist weiteres Indiz für eine nachlassende Dynamik.
Preisregulierung kaschiert zunehmenden Kostendruck
Die amtlich ausgewiesene Inflation belief sich im April 2025 auf 6,5%. Unter Berücksichtigung der fortbestehenden Preisregulierungen schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut BEROC die tatsächliche Inflation jedoch auf etwa 10%. Die staatlichen Preisvorgaben verzerren Marktanreize, wirken sich nachteilig auf Handelsunternehmen und Produzenten aus, bieten jedoch eine gewisse Entlastung für Verbraucher.
Reallöhne stiegen in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Grund sind anhaltende Engpässe am Arbeitsmarkt und die niedrige offizielle Inflationsrate. Allerdings hat sich das Lohnwachstum zuletzt spürbar abgeschwächt.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
Haushalts- und Leistungsbilanz stabil
Belarus dürfte 2025 zum dritten Mal in Folge einen Haushaltsüberschuss erzielen: prognostiziert wird ein Plus von 0,2% des BIP. Diese scheinbar solide fiskalische Position ist jedoch als fragil einzuschätzen, da der Zugang zu internationalen Kapitalmärkten eingeschränkt bleibt. Infolgedessen steigt die Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung durch Russland sowie der Druck auf eine restriktive Fiskalpolitik im Inland.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
Die öffentliche Verschuldung wird kurzfristig stabil bei rund 43% des BIP verbleiben (IWF WEO, 2025).
Das Leistungsbilanzdefizit blieb stabil bei rund 2,5% des BIP 2024, dürfte jedoch 2025 auf 2,8% ansteigen. Treibender Faktor ist ein wachsendes Handelsbilanzdefizit. Der belarussische Rubel wertete im Zeitraum Januar bis Juni 2025 gegenüber dem US-Dollar um 14% auf, verlor jedoch gleichzeitig 10% gegenüber dem russischen Rubel. Die Devisenreserven wachsen auf 10,9 Mrd. US-Dollar (April 2025) aufgrund gestiegener Goldpreise, die 51% der Reserven ausmachen. Die Handlungsspielräume der Zentralbank bleiben jedoch aufgrund beste-hender Sanktionen stark eingeschränkt.
Außenhandel zunehmend mit Russland und China
Die Struktur des Warenhandels ist zunehmend auf Russland und China ausgerichtet, während die Bedeutung der EU und anderer Nicht-GUS-Märkte weiter abnimmt.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
2024 entfielen 93% des Außenhandels (Waren und Dienstleistungen) auf Russland und China – ein deutlicher Anstieg gegenüber 69% im Jahr 2021. Besonders auffällig ist der drastische Rückgang der Importe aus der EU, insbesondere bei Transportmitteln und Maschinen. Diese Entwicklung ist auf die verschärfte Durchsetzung der EU-Sanktionen sowie die bewusste Umlenkung von Handelsströmen über Russland zurückzuführen. Das gesamte Warenhandelsdefizit belief sich 2024 auf rund 8% des BIP und dürfte sich weiter ausweiten. Ursache hierfür ist eine Kombination aus stagnierenden Exporten bei gleichzeitig zunehmender Importnachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern.
Abhängigkeit auch im Energiesektor
Der Energiesektor ist weiterhin stark auf fossile Energieträger ausgerichtet, weist starke Ineffizienzen auf und ist in hohem Maße von Importen aus Russland abhängig. Im Jahr 2024 entfielen 83% der gesamten Primärenergieversorgung auf Erdgas und Erdöl. Der Anteil erneuerbarer Energien blieb mit lediglich 0,3% marginal, ein signifikanter Ausbau ist nicht absehbar.
Die stagnierende Energiepolitik zeigt sich auch in der unverändert hohen Energieintensität im internationalen Vergleich, die sich seit 2013 kaum verbessert hat. Eine Veränderung ist hingegen im Bereich der Stromerzeugung zu verzeichnen: Mit der Inbetriebnahme des zweiten Reaktorblocks des Kernkraftwerks Astravets erhöhte sich der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion auf 36%. Allerdings wird der hierfür benötigte Kernbrennstoff vollständig aus Russland bezogen, was die Abhängigkeit eher verstärkt.
Ausblick
Der private Konsum bildet die tragende Säule der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung. Das makroökonomische Umfeld wird jedoch zunehmend fragiler. Die Prognose des IWF von 2,8% Wachstum für 2025 stellt ein vergleichsweise optimistisches Szenario dar. Andere internationale Institutionen rechnen mit einem deutlich schwächeren Wachstum und sehen für 2026 bereits eine Verlangsamung auf unter 2,0% voraus.
Insgesamt besteht das Risiko, dass Belarus mittelfristig in einen Pfad mit geringem Wachstumspotenzial eintritt, bei gleichzeitig fortschreitender wirtschaftlicher Abhängigkeit von Russland.
Dieser Newsletter basiert auf dem „Wirtschaftsausblick Belarus“.