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Dmitry Chervyakov, Robert Kirchner

Aktuelle Wirtschaftslage im Kontext der Sanktionen

Im vergangenen Jahr ist die Wirtschaft von Belarus real um 2,3% gewachsen – trotz der verschiedenen Sanktionspakte des Westens. Diese Entwicklung kam jedoch nicht überraschend, da die Wirkung der 2021 beschlossenen Sanktionen eher mittelfristig angelegt war.

  • Belarus
NL 76 | Mai - Juni 2022
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Nach der russischen Invasion der Ukraine hat sich jedoch das Gesamtbild verschärft: Neue Sanktionen sind hinzugekommen, deren gesamte Wirkung sich nun deutlich und vor allem schneller zeigt. Das Land ist bereits in einer Rezession, die sich im Jahresverlauf noch weiter vertiefen wird. Das German Economic Team rechnet in seiner Prognose der Sanktionswirkungen mit einem BIP-Rückgang von 4,1% in diesem Jahr. Insbesondere die Nettoexporte sowie die Investitionen werden zu diesem negativen Ergebnis beitragen. Im kommenden Jahr wird die Wirtschaft um 0,6% expandieren, was jedoch eher als Stagnation zu bezeichnen ist. Zu betonen ist die hohe Unsicherheit, mit der die Prognosen behaftet sind. Mittelfristig fällt es im Umfeld der Sanktionen schwer, Wachstumstreiber für das Land zu identifizieren.

Wirtschaft rutscht in die Rezession

Das reale BIP-Wachstum betrug im vergangenen Jahr 2,3%, nach einem Rückgang von 0,9% im Coronajahr 2020. Dieser leicht positive Wert überraschte einige Beobachter, die aufgrund der im Jahr 2021 erlassenen Wirtschafts- und Finanzsanktionen des Westens gegenüber Belarus einen schlechteren Wert erwartet hatten.

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Hierzu muss gesagt werden, dass die Konstruktion der einzelnen Sanktionspakete so gewählt wurde, dass eher eine mittelfristige Wirkung beabsichtigt war, kurzfristige Effekte also nicht im Fokus standen.

Mit dem Beginn der russischen Invasion der Ukraine, und den daraus folgenden weiteren Sanktionspaketen gegenüber Russland und Belarus hat sich das Bild dann aber sehr schnell geändert. Die Wirtschaft befindet sich in den ersten vier Monaten des Jahres mit einem BIP-Rückgang von 2,1% klar in einer Rezession. Die meisten Sektoren der Wirtschaft schrumpfen aktuell; nur der IT-Sektor stellt mit einer Wachstumsrate von +9,1% hier weiter eine Ausnahme dar.

Die Entwicklung des Warenhandels spiegelt diese negative Entwicklung sehr deutlich wider. Gab es im Vorjahr noch ein starkes Wachstum der Ex- und Importe, so hat sich diese Entwicklung nun umgekehrt. Beide Kategorien schrumpften im März und April 2022, also nach Kriegsbeginn, mit Raten von etwa 25% gegenüber dem Vorjahr. Sanktionierte Waren sowie Logistik- und Finanzierungsprobleme bei nicht-sanktionierten Gütern sind hierfür als Gründe zu nennen.

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Sanktionen und ihre Auswirkungen

Der Krieg in der Ukraine und die gegen Belarus verhängten Sanktionen belasten die Wirtschaft erheblich. Während sich erste Wirkungen wie oben angemerkt bereits zeigen, bleibt die weitere Entwicklung sehr ungewiss. Anhand der verfügbaren Informationen und einer Reihe von Annahmen analysierte das German Economic Team die Wirkung der Sanktionen mithilfe eines makroökonomischen Modells.

Modellbasierte Analyse

Für die Schätzung der Wirkung der Sanktionen auf das BIP und seine Komponenten wurde ein strukturelles Modell verwendet. Dabei wurde das Grundmodell an die aktuellen Gegebenheiten angepasst, indem mehrere Schocks, die sich auf das Wirtschaftswachstum im Jahr 2022/2023 auswirken werden, bei der Modellierung berücksichtigt wurden. Eine saubere Trennung der Schocks ist dabei oft methodisch unmöglich, da ihre Wirkungskanäle eng miteinander verknüpft sind. Nichtsdestotrotz wurden insgesamt drei wichtige Schocks identifiziert:

1) Einschränkungen des internationalen Handels in einem Großteil der Sektoren durch Sanktionen und den Krieg in der Ukraine;

2) Deutliche Erschwerung der internationalen Refinanzierung bzw. Neuemission von Staatsschulden und insgesamt schwächere Position Russlands (als Kreditgeber der letzten Instanz);

3) Finanzsanktionen, die mit einer Abwertung des belarussischen Rubels und insgesamt einer signifikanten Verschlechterung des gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsumfelds einhergehen.

Auswirkungen auf das BIP

Die oben aufgelisteten Schocks beeinflussen über eine Reihe von verschiedenen Kanälen das BIP von Belarus. Das strukturelle Modell erlaubt es dabei, die Gesamtwirkung der Schocks in einer Prognose des realen BIP-Wachstums zusammenzufassen.

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Für 2022 prognostizieren wir einen BIP-Rückgang von insgesamt 4,1%. Wenig überraschend tragen dabei in erster Linie eine deutliche Reduktion der Nettoexporte und Investitionen zum Rückgang bei. Auch der öffentliche Konsum hat einen negativen Wachstumsbeitrag, während der private Konsum im Vergleich zu 2021 leicht abnimmt, aber immer noch positiv bleibt.

Im kommenden Jahr erwarten wir eine leichte Expansion der Wirtschaft in Höhe von 0,6%, welche jedoch eher als eine Stagnation zu bezeichnen ist. Weiterhin tragen die Nettoexporte negativ zum Wachstum bei, während der Konsum und die Investitionen stagnieren. Es ist dabei wahrscheinlich, dass die Investitionen ihren Tiefpunkt bereits 2022 erreichen werden, und es somit keinen weiteren Rückgang gibt.

Im Vergleich mit anderen Instituten, ist die Prognose des German Economic Team eher am weniger pessimistischen Rand der Vorhersagebandbreite von -6,5% bis -4,0% angesiedelt. Die hohe Unsicherheit – vor allem im Hinblick auf die Dauer des Krieges in der Ukraine – erschwert dabei eine verlässliche Einschätzung der zukünftigen Wirtschaftslage.

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Ausblick

Die belarussische Wirtschaft befindet sich aktuell erst am Anfang eine Rezession, die sich im weiteren Jahresverlauf fortsetzen und vertiefen wird. Vor allem der internationale Handel ist erheblich von Sanktionen und logistischen Problem getroffen. Auch wenn eine Reorientierung der belarussischen Handelsströme für viele wichtige Güter wie z.B. Kalidünger und Holz durchaus möglich erscheint, werden die Transportkosten um ein Vielfaches steigen und somit die sich überwiegend im staatlichen Besitz befindenden Unternehmen belasten. Es ist fraglich, mit wie viel Finanzierung aus Russland zu rechnen ist, dessen Wirtschaft sich aktuell ebenfalls in einer Restrukturierungsphase befindet und welches auch nach alternativen Märkten sucht. Vor allem das langjährige Subventionsmodell von billigem Rohöl aus Russland und dem Weiterkauf der Ölprodukte in die EU und die Ukraine erscheint in der Zukunft nicht mehr realistisch.

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