Aktuelle Lage der ukrainischen Geflüchteten in Moldau
Moldau gehört zu den Ländern, die im Verhältnis zu ihrer eigenen Bevölkerung die meisten Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen haben. Die Gesamtzahl liegt zwischen 65.000 und 120.000 Personen oder zwischen 2,5% und 4,5% der moldauischen Bevölkerung, je nachdem, ob man die offiziellen, höheren Zahlen oder lokale Expertenschätzungen heranzieht. Dieser Unterschied verdeutlicht, wie wenig über die aktuelle Situation der ukrainischen Geflüchteten in Moldau bekannt ist. Abgesehen von grundlegenden demografischen Merkmalen und der Tatsache, dass die Mehrheit in den größeren Städten lebt, gibt es kaum zuverlässige Informationen. In Anbetracht der potenziell großen positiven wirtschaftlichen Auswirkungen, die Geflüchtete auf die moldauische Wirtschaft haben könnten, sollte diese Informationsbasis verbessert werden, um eine gute Politikgestaltung zu ermöglichen. Die Integration von ukrainischen Geflüchteten in den regulären Arbeitsmarkt wäre in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse.
Es ist daher empfehlenswert, die Qualität der derzeit erhobenen offiziellen Daten zu verbessern und die Informationsbasis durch Umfragen zu den finanziellen Ressourcen und Ausgaben der Geflüchteten zu erweitern.
Hintergrund
Bis 2022 war die Zahl der registrierten Geflüchteten in Moldau sehr gering und umfasste fast keine Personen aus der benachbarten Ukraine. Als die russische Invasion der Ukraine begann, änderte sich dies und eine große Zahl ukrainischer Geflüchteter kam in kurzer Zeit in Moldau an. Da die Zahl der Geflüchteten in der Vergangenheit gering war, waren die moldauischen Institutionen auf diesen Zustrom nicht vorbereitet. Neue Verfahren und Gesetze wurden innerhalb weniger Tage von der Notstandskommission verabschiedet, was zu erheblichen Problemen bei der Umsetzung führte, unter anderem bei der Frage, wie Informationen über Geflüchtete am besten erfasst werden können. Die Verfügbarkeit von Informationen über die Zahl der Geflüchteten und ihre Aktivitäten im Land ist jedoch sehr wichtig, um deren wirtschaftliche Auswirkungen zu verstehen und eine angemessene politische Reaktion zu entwickeln. Da Geflüchtete zum Konsum in ihren Gastländern beitragen, kann sich ihre Anwesenheit positiv auf die Wirtschaft auswirken. Zusätzliche positive Effekte können sich aus der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ergeben, insbesondere in Ländern wie Moldau, wo der Arbeitskräftemangel ein Wachstumshemmnis darstellt. Andererseits können Geflüchtete auch eine Belastung für den öffentlichen Haushalt darstellen, wenn sie vom Aufnahmeland finanziell unterstützt werden.
Anzahl der Geflüchteten in Moldau
Nach offiziellen Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) belief sich die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine in Moldau am 20. August 2023 auf 117.162, was 4,5% der moldauischen Bevölkerung entspricht. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die offiziellen Zahlen die tatsächliche Anzahl der Geflüchteten überschätzen. Hierfür gibt es insbesondere drei Gründe. Da die Zahl der Geflüchteten auf Basis der Grenzübertritte bestimmt wird, schließt sie auch diejenigen Ukrainer ein, die am Flüchtlingstransport zwischen der Ukraine und Moldau beteiligt sind und regelmäßig die Grenze überqueren, ohne sich für längere Zeit in Moldau aufzuhalten. Zweitens kann ein gewisser Anteil der offiziell gezählten Geflüchteten den so genannten „humanitären Touristen“ zugerechnet werden – ukrainischen Staatsbürgern, die in der Nähe der Grenze leben und nach Moldau kommen, um Hilfsleistungen zu erhalten, ohne als Geflüchtete in Moldau zu leben. Schließlich besitzt eine beträchtliche Anzahl von Einwohnern der Region Transnistrien ukrainische Pässe und kann daher fälschlicherweise als ukrainische Geflüchtete registriert werden, wenn sie über die ukrainische Grenze nach Moldau einreisen. Inoffizielle Schätzungen lokaler Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der ukrainischen Geflüchteten in Moldau im August 2023 eher bei 65.000 liegen könnte. Dies entspräche etwa 2,5% der moldauischen Bevölkerung, ähnlich wie in Polen, wo der Anteil der ukrainischen Geflüchteten an der Bevölkerung 2,6% beträgt, aber höher als in Deutschland (1,3% der Bevölkerung).
Charakteristika der Geflüchteten in Moldau
Daten über die geografische Verteilung der ukrainischen Geflüchteten in Moldau sowie über ihre sozioökonomischen Merkmale werden nicht systematisch und regelmäßig erhoben. Laut aktuellsten Informationen des UNHCR und eigenen Erhebungen lokaler Experten leben die meisten Geflüchteten in den städtischen Zentren Moldaus, wobei mehr als 60% in Chişinău leben. Ähnlich wie in anderen Aufnahmeländern handelt es sich bei den ukrainischen Geflüchteten mehrheitlich um Frauen und Kinder. Nach Schätzungen, die auf offiziellen Daten der moldauischen Grenzpolizei, des UNHCR und der IOM beruhen, sind 69% der erwachsenen Geflüchteten aus der Ukraine weiblich und ihr Durchschnittsalter beträgt 46,5 Jahre. Gleichzeitig sind 46% aller Geflüchteten minderjährig, mit durchschnittlich zwei Kindern pro Haushalt. Die meisten von ihnen lebten zuvor in der Region Odessa und anderen städtischen Zentren der Ukraine in der Nähe zu Moldau.
Integration in den moldauischen Arbeitsmarkt.
Offiziell sind nur 1.124 ukrainische Geflüchtete als Beschäftigte in Moldau registriert. Tatsächlich dürfte die Zahl der arbeitenden Geflüchteten aber deutlich höher sein, da viele informell beschäftigt sind. Die Gründe dafür sind teilweise Steuervermeidung durch Geflüchtete und Arbeitgeber, aber auch bürokratische Hürden. Um in Moldau offiziell beschäftigt werden zu können, müssen Geflüchtete den temporären Schutzstatus in Moldau erlangen. Aufgrund geringer Kapazitäten innerhalb der moldauischen Verwaltung lag die Zahl der Geflüchteten, die diesen Status erhalten haben, zum 21. August 2023 bei nur 13.258. Lokale Experten schätzen die Zahl aller erwerbstätigen Flüchtlinge in Moldau auf etwa 10.000. Ein weiteres Problem, das den Zugang von Ukrainern zum moldauischen Arbeitsmarkt erschwert, ist die begrenzte Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Schulen für Flüchtlingskinder. Die große Differenz zwischen den offiziellen Statistiken und den geschätzten Beschäftigungszahlen zeigt, dass die Qualität der Daten über die Beteiligung von Geflüchteten am Arbeitsmarkt verbessert werden muss, um eine angemessene Politik in diesem Bereich zu ermöglichen.
Finanzielle Ressourcen und Ausgaben
Um die Politikgestaltung zu verbessern und die potenziell positiven Auswirkungen der ukrainischen Geflüchteten auf die moldauische Wirtschaft zu kanalisieren, sind Informationen über die finanziellen Ressourcen und das Ausgabeverhalten der Geflüchteten von Bedeutung.
Finanzielle Ressourcen
Ukrainische Geflüchtete in Moldau erhalten finanzielle Unterstützung, die vom UNHCR verwaltet und von internationalen Gebern finanziert wird. Der durchschnittliche Flüchtlingshaushalt, der aus einem Erwachsenen und zwei Kindern besteht, erhält derzeit 6.600 MDL pro Monat, was etwa 340 EUR entspricht. Darüber hinaus verfügen die Geflüchteten möglicherweise über ein eigenes Arbeitseinkommen sowie über andere Finanzierungsquellen wie Geldüberweisungen oder Ersparnisse. Derzeit liegen keine Daten über derartige finanzielle Ressourcen von Geflüchteten vor.
Ukrainische Geflüchtete in Moldau erhalten finanzielle Unterstützung, die vom UNHCR verwaltet und von internationalen Gebern finanziert wird. Der durchschnittliche Flüchtlingshaushalt, der aus einem Erwachsenen und zwei Kindern besteht, erhält derzeit 6.600 MDL pro Monat, was etwa 340 EUR entspricht. Darüber hinaus verfügen die Geflüchteten möglicherweise über ein eigenes Arbeitseinkommen sowie über andere Finanzierungsquellen wie Geldüberweisungen oder Ersparnisse. Derzeit liegen keine Daten über derartige finanzielle Ressourcen von Geflüchteten vor.
Ausgaben
Viele Geflüchtete in Moldau erhalten von verschiedenen internationalen und moldauischen NROs Sachleistungen für Lebensmittel und grundlegende Haushaltsgegenstände. Die wichtigste Ausgabe für die meisten Geflüchteten ist daher die Miete. Während die Geflüchteten in Moldau die Möglichkeit haben, kostenlos in staatlichen Flüchtlingsunterkünften zu wohnen, entscheiden sich viele für privat angemietete Wohnungen. Schätzungen lokaler Experten zufolge wohnen etwa 60.000 ukrainische Geflüchtete in Moldau zur Miete.
Die Informationen über die finanziellen Mittel und die Ausgaben der Geflüchteten sind derzeit sehr begrenzt, was es schwierig macht, ihre Auswirkungen auf den moldauischen Wohnungsmarkt und andere Wirtschaftssektoren zu beurteilen.
Empfehlungen
Trotz der Diskrepanz zwischen offiziellen Statistiken und inoffiziellen Schätzungen ist die Zahl der ukrainischen Geflüchteten, die sich derzeit in Moldau aufhalten, beträchtlich, so dass diese Menschen wahrscheinlich einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft haben, da sie zum inländischen Konsum und zum moldauischen Arbeitsmarkt beitragen. Gleichzeitig ist die Belastung für den Haushalt sehr begrenzt, da die Unterstützung zu einem großen Teil von internationalen Gebern geleistet wird. Es sind jedoch bessere Informationen über die aktuelle Situation der Geflüchteten in Moldau erforderlich, um diese Dynamik zu verstehen und positive Auswirkungen durch politische Entscheidungen zu fördern. Insbesondere sollten die moldauischen Behörden die Zahl der im Lande befindlichen Geflüchteten und ihre geografische Verteilung genauer erfassen. Dies würde zum Beispiel gezielte Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Auch die Daten über die Beschäftigung von Geflüchteten sollten verbessert werden, u. a. durch die Erleichterung der Erlangung des vorübergehenden Schutzstatus für Geflüchtete, was sie ermutigen würde, sich um offizielle Arbeitsverträge zu bemühen. Schließlich sollten Informationen über die finanziellen Ressourcen und das Ausgabeverhalten von Geflüchteten in Moldau durch strukturierte Umfragen gesammelt werden.
Dieser Newsletter basiert auf Recherchen des lokalen Experten Alexandr Macuhin.
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