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Dmitry Chervyakov

Abklingen positiver externer Schocks dämpft die Konjunktur

Mit dem allmählichen Abklingen der positiven externen Schocks kühlt sich die armenische Wirtschaft weiter ab. Das reale BIP-Wachstum wird für 2024 auf 6,0% im Vergleich z. Vj. prognostiziert und verlangsamt sich weiter auf 4,9% im Jahr 2025. Der Konsum bleibt die wichtigste Stütze des Wachstums, während der Beitrag der Nettoexporte ins Negative umgeschlagen ist. Die Inflation ist nach wie vor niedrig und dürfte trotz eines langsamen Anstiegs bis Ende 2024 deutlich unter dem Inflationsziel von 4,0% bleiben. Auf der Seite der öffentlichen Finanzen wird die Lockerung fortgesetzt, da zusätzliche Ausgaben für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Berg-Karabach und die Einführung eines universellen Krankenversicherungssystems das Haushaltsdefizit vergrößern und die Staatsverschuldung erhöhen.

  • Armenien
NL 19 | September-Oktober
Makroökonomische Analysen und Prognosen

Der armenische Dram und die Währungsreserven haben sich stabilisiert, während sich das Leistungsbilanzdefizit aufgrund der schwachen Auslandsnachfrage vergrößert. Insgesamt bleibt die Wirtschaft in einer guten Verfassung, insbesondere vor dem Hintergrund der hohen geopolitischen Unsicherheit. Neue Wachstumsimpulse könnten von einer Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarländern ausgehen.

Wirtschaftswachstum lässt nach, bleibt aber robust

Nach zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit einem deutlichen Wachstum über dem Potenzial kühlt sich die Wirtschaft allmählich ab. Hauptgrund hierfür ist das Abklingen positiver externer Schocks, die das Wachstum in den vergangenen Jahren angetrieben haben – insbesondere der Zustrom russischer Migranten. Allerdings gab es auch keine abrupte Umkehrung der damit verbundenen Trends, sodass das Wachstum selbst in einem Umfeld mit hoher geopolitischer Unsicherheit robust blieb. Für 2024 wird ein reales BIP-Wachstum von 6,0% z. Vj. prognostiziert, das sich bis 2025 auf 4,9% abschwächt.

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Während der Konsum die Hauptstütze des Wachstums bleiben wird, hat die Verlangsamung der Auslandsnachfrage den Beitrag der Nettoexporte ins Negative gedreht. Aus sektoraler Sicht gibt es immer noch ein erhebliches Wachstum in Sektoren wie Finanzen, Immobilien, Handel und Konsum, die alle noch von den positiven externen Schocks profitieren. Allerdings wird das Ausklingen dieser Schocks deutlich, wenn man den IKT-Sektor betrachtet, der in der ersten Hälfte des Jahres 2024 um 10% geschrumpft ist, nachdem er in den Jahren 2023 und 2022 um 37% bzw. 51% gewachsen war.

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Inflation zieht langsam an

Die Inflation ist in der jüngsten Vergangenheit deutlich zurückgegangen, da der vom externen Sektor ausgehende Inflationsdruck nachließ. Darüber hinaus blieb der armenische Dram, abgesehen von der kurzen Phase der Abschwächung nach der Eskalation in Berg-Karabach, weiterhin stark und hielt somit die Inflation niedrig. Gleichwohl treibt der Anstieg der saisonalen Lebensmittelpreise und die Lockerung der Geldpolitik die Inflation aktuell wieder nach oben.

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Für Ende 2024 wird mit einer Inflation von 1,0% gerechnet, die damit unter dem Ziel der Zentralbank von 4,0% bleiben wird. Erst Ende 2025 wird die Inflation 3,9% erreichen und sich damit dem Ziel annähern. Der geldpolitische Zinssatz lag im September 2024 bei 7,5%, was einer Senkung um insgesamt 125 Basispunkte im Jahr 2024 entspricht. Zwar scheint es noch etwas Spielraum für weitere Lockerungen zu geben, doch dürfte sich der Zyklus seinem Ende nähern.

Dram stabilisiert sich nach einer Phase der Abwertung

Nach der Eskalation des Berg-Karabach-Konflikts verlor der armenische Dram an Wert. Im April 2024 kehrte er jedoch auf das Niveau vor der Eskalation zurück, welches immer noch deutlich über dem Vorkriegsniveau liegt, und ist seitdem stabil. Gleichzeitig haben sich auch die internationalen Reserven stabilisiert und beliefen sich im September 2024 auf 3,6 Mrd. USD. Dies entspricht jedoch nur einem Importbedarf von etwa 3,2 Monaten. Zusätzliche Puffer wären wünschenswert, da die geopolitische Unsicherheit weiterhin hoch ist.

Lockerung der Fiskalpolitik setzt sich fort

Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Unterstützung der Flüchtlinge aus Berg-Karabach sowie höhere Investitions- und Verteidigungsausgaben haben zu einer Ausweitung des Haushaltsdefizits auf 4,7% des BIP im Jahr 2024 geführt. Es wird erwartet, dass sich die Lockerung der Finanzpolitik im Jahr 2025 fortsetzt und das Haushaltsdefizit 5,5% des BIP erreicht. Hier werden die zusätzlichen Kosten durch die Einführung eines neuen universellen Krankenversicherungssystems die öffentlichen Ausgaben weiter in die Höhe treiben.

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Um den geplanten Ausgabenanstieg zu finanzieren, dürfte die Staatsverschuldung in den Jahren 2024 und 2025 auf 50,5% bzw. 53,7% des BIP ansteigen.

Außenwirtschaftliche Lage verschlechtert sich

Die außenwirtschaftliche Lage dürfte sich aufgrund einer Abschwächung der Auslandsnachfrage (u.a. geringere Einnahmen aus dem Tourismus und IKT- Exporten, sowie geringere Rücküberweisungen) und einer ungünstigeren Haushaltslage verschlechtern. Das Leistungsbilanzdefizit wird sich voraussichtlich auf 4,2% und 4,8% des BIP in den Jahren 2024 und 2025 ausweiten.

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Sowohl Exporte (8M2024: +113% z. Vj.) als auch Importe (+59%) von Waren nahmen stark zu. Während das Geschäft mit dem Reexport von Fahrzeugen nachließ, war seit Oktober 2023 ein deutlicher Anstieg des Goldhandels zu beobachten. Der so genannte „Goldrausch“ wurde durch Anreize für russische Unternehmen ermöglicht, beim Export ihrer Produkte über Armenien Steuern zu sparen. Infolgedessen stiegen armenische Gold-importe aus Russland stark an (8M2024: +599% z. Vj.), was sich auch im explosionsartigen Anstieg der Goldexporte (+602%), hauptsächlich in die Vereinigten Arabischen Emirate, widerspiegelte. Dies führte jedoch nicht zu einem signifikanten Mehrwert für die armenische Wirtschaft und ist bereits seit Mai 2024 rückläufig.

Ausblick

Mit dem Abklingen der positiven externen Schocks kühlt sich die armenische Wirtschaft allmählich ab. In Abwesenheit neuer Wachstumsimpulse nähert sich das reale BIP damit seinem langfristigen Potential. Das Wachstum ist jedoch immer noch beträchtlich und die Wirtschaft ist trotz der geopolitischen Herausforderungen widerstandsfähig geblieben. Ganz im Gegenteil finden armenische Unternehmen nach wie vor neue, ungewöhnliche Geschäftsmodelle, wie z. B. den jüngsten „Goldrausch“.  In diesem Zusammenhang bleibt das Hauptrisiko für die weiteren Aussichten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Beziehungen zu – und die wirtschaftliche Situation in – Russland. Es besteht jedoch auch ein erhebliches Aufwärtspotenzial, wenn sich die Beziehungen zu den Nachbarn verbessern. Insbesondere die Wiedereröffnung der Grenze zur Türkei dürfte sich deutlich positiv auf die Wirtschaft auswirken.

Dieser Newsletter basiert teilweise auf zu der 12. Ausgabe des Wirtschaftsausblicks Armenien (erscheint in Kürze).

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