10 Jahre Berlin Prozess – Wirtschaftliche Entwicklung in der WB6-Region
Seit seiner Gründung vor zehn Jahren verfolgt der Berlin Prozess mehrere Ziele, die alle darauf abzielen, die Zusammenarbeit innerhalb der Region zu stärken und die Länder der Region auf einen EU-Beitritt vorzubereiten. Um eine Bilanz nach 10 Jahren zu ziehen, haben wir analysiert, inwieweit Fortschritte bei fünf der zentralen Ziele des Prozesses erreicht wurden. Initiativen zur Förderung des Wirtschaftswachstums trugen zu einem stabilen Wachstum der Region in einem turbulenten vergangenen Jahrzehnt bei. In den Bereichen Dekarbonisierung und Stärkung des regionalen Handels steht jedoch noch viel Arbeit bevor.
Die größten Fortschritte wurden bei der Anziehung ausländischer Direktinvestitionen und der Annäherung der politischen Rahmenbedingungen an EU-Standards erzielt. Insgesamt ergibt sich aus den analysierten Dimensionen ein gemischtes Bild.
Thema und Methodik
Das Jahr 2024 markiert das 10-jährige Jubiläum des Berlin Prozesses. Bei seiner Gründung im Jahr 2014 wurden mehrere Ziele festgelegt, die alle auf eine Stärkung der regionalen Zusammenarbeit und die Vorbereitung auf einen EU-Beitritt abzielen. Eine Analyse des German Economic Teams, untersucht anhand von fünf zentralen Zielen, wie viele Fortschritte seit Beginn des Berlin Prozesses in zentralen Bereichen erzielt wurde. Für jedes Ziel wurde ein geeigneter Indikator zur Messung des Fortschritts identifiziert, dessen Entwicklung seit 2014 analysiert wird. Diese Methodik ermöglicht zwar keine direkte Bewertung der Effizienz der Initiativen des Berlin Prozesses, liefert jedoch ein breiteres Bild bezüglich der Erreichung seiner Ziele bisher. Im Folgenden präsentieren wir die Ergebnisse unserer Analyse für die gesamte Region. Ergebnisse für die einzelnen WB6-Länder sind in unserer entsprechenden Veröffentlichung verfügbar.
Förderung des Wirtschaftswachstums
Im Jahr 2023 betrug das kombinierte Bruttoinlandsprodukt (BIP) aller WB6-Länder 158 Mrd. US-Dollar. Damit ist die wirtschaftliche Größe der Region mit der der Ukraine vergleichbar, jedoch etwas kleiner. Das jährliche Wirtschaftswachstum lag seit 2014 durchschnittlich bei 3,1%. Dies ist für einen Schwellenmarkt nicht besonders hoch. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass das Wirtschaftswachstum in den vergangenen zehn Jahren durch exogene Schocks beeinträchtigt wurde. Als besonders wachstumsbeeinträchtigend hervorzuheben sind hierbei die COVID-Krise und die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Inflation. Auch wenn es also Raum für höhere Wachstumsraten in der Zukunft gibt, hat sich das Wirtschaftswachstum im letzten Jahrzehnt insgesamt als widerstandsfähig erwiesen. Daher kann ein moderat positives Resümee hinsichtlich des Berlin Prozess Ziels das Wirtschaftswachstum zu fördern gezogen werden.
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Dekarbonisierung
Die Region emittierte im Jahr 2022, dem letzten Jahr für das Daten verfügbar sind, 0,63 kg CO₂ pro US-Dollar des BIP. Damit ist die wirtschaftliche Aktivität in den Westbalkanländern im Durchschnitt viermal so kohlenstoffintensiv wie in der EU. Angesichts der hohen Kohlenstoffintensität der Region ist die Förderung der Dekarbonisierung ein zentrales Ziel des Berlin Prozesses. In den letzten zehn Jahren wurden jedoch nur sehr begrenzte Fortschritte erzielt. Die CO₂-Emissionen sind seit 2014 lediglich um 15% gesunken, was bedeutet, dass die WB6-Volkswirtschaften langsamer dekarbonisiert haben als die EU (22% Rückgang), obwohl sie von einem höheren Ausgangsniveau aus gestartet sind.
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Stärkung des Handels in der Region und mit der EU
Ein besonders zentrales Ziel des Berlin Prozesses ist es, den Handel innerhalb der Region sowie zwischen den WB6-Ländern und der EU zu stärken. Um Fortschritt dahingehend zu analysieren, vergleichen wir die Handelsstruktur der Region in 2023 mit der vor 10 Jahren.
Die EU ist nach wie vor der mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Westbalkanländer. Zwei Drittel der gesamten Exporte der Region gehen in die EU, und mehr als die Hälfte aller Importe in die WB6-Länder stammen aus der EU.
Der innerregionale Handel ist für die Länder des Westbalkans weitaus weniger wichtig. Nur 16% der Gesamtexporte der WB6-Länder gingen 2023 in andere Länder der Region, und nur 8% der Importe kamen aus Nachbarländern. Ein Vergleich mit den entsprechenden Zahlen von 2014 zeigt, dass die Bedeutung des regionalen Handels in den letzten 10 Jahren sogar abgenommen hat. Daher muss festgestellt werden, dass der Berlin Prozess bisher nicht erfolgreich war, den regionalen Handel zu fördern. Somit besteht hier noch viel Potenzial für die kommenden Jahre.
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Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen
Eine entscheidende Voraussetzung für den Beitritt eines (potenziellen) Kandidatenlandes zur Europäischen Union ist die Angleichung seiner politischen Rahmenbedingungen an EU-Standards. Im Rahmen seines Western Balkan Competitiveness Data Hub stellt die OECD Bewertungen bereit, die die Angleichung an EU-Standards in 15 Policy-Dimensionen messen, die für die Ziele des Berlin Prozesses relevant sind. Die höchste Bewertung (5) zeigt, dass ein Land in der Gestaltung, Umsetzung und Leistungsfähigkeit von Policies, Prozessen und Institutionen in der bewerteten Dimension den EU-Standards entspricht.
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Basierend auf diesen Bewertungen können wir seit 2018, dem Jahr, in dem die OECD die Bewertungen erstmals veröffentlichte, signifikante Fortschritte in nahezu allen Kategorien melden. Insbesondere in den Bereichen Investitionen, Handel, Steuern, Beschäftigung, Energie, Tourismus sowie Wissenschaft, Technologie und Innovation (WTI) haben sich die Policies erheblich an EU-Standards angenähert. Lediglich beim politischen Rahmen im Hinblick auf staatliche Unternehmen ist keine Annäherung an EU-Standards erfolgt. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Berlin Prozess sehr erfolgreich war, die politische Angleichung der Region an die EU zu unterstützen.
Förderung ausländischer Direktinvestitionen
Um die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln, setzte sich der Berlin Prozess das Ziel, ausländische Direktinvestitionen (ADI) in die Region zu fördern. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts konnten die WB6-Länder durchschnittlich Netto-ADI-Zuflüsse in Höhe von 5,8% des BIP pro Jahr anziehen. Wie im Diagramm unten zu sehen ist, gibt es einen positiven Trend: Im Jahr 2022 konnten die WB6-Länder Zuflüsse in Höhe von 6,9% des BIP verzeichnen. Dies ist im Vergleich zu anderen EU-Beitrittskandidaten ein hoher Wert. Lediglich Georgien zieht relativ gesehen mehr ADI an. Aufgrund der starken Attrahierung ist der ADI-Bestand der WB6-Länder von 58% des BIP im Jahr 2014 auf 72% des BIP im Jahr 2022 deutlich gestiegen. Auch hier lässt sich also ein positives Zwischenfazit ziehen.
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Fazit
Das Gesamtbild, das sich aus unserer Analyse ergibt, ist gemischt. Während starke Fortschritte bei den Zielen der Angleichung von politischen Rahmenbedingungen und der Anziehung von ADI erzielt wurden, bleibt noch viel Arbeit zu leisten, um eine stärkere Dekarbonisierung der Wirtschaft und eine erhöhte regionale Handelsintegration zu erreichen.
Dieser Newsletter basiert auf der Policy Study “10 years Berlin Process. Economic development in the Western Balkans since 2014”.